Liebe Leser,
es gibt mehrere Argumente, die für den Betrieb von Offshore-Anlagen sprechen: eine doppelt so hohe Stromausbeute wie bei Landanlagen, ein riesiges Platzangebot und vor allen kein Ärger mit Bürgerinitiativen. Doch dem stehen die gewaltigen Baukosten gegenüber. Wer ein Windrad auf dem offenen Meer installieren will, muss das Fundament tief im Meeresboden verankern. Und das kostet nun einmal. Deshalb gibt es in Deutschland nicht einmal 1.000 Windräder in Nord- und Ostsee. Die deutschen Landanlagen liefern bei geringerem Ertrag immer noch fünf Mal so viel Strom – ein krasses Missverhältnis. Die geniale Idee eines dänischen Tüftlers könnte den Markt aber nun kräftig aufmischen.
Wer ist der Tüftler?
Der Mann heißt Henrik Stiesdal. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ widmete ihm kürzlich eine ausführliche Story. Seine Idee: Die Offshore-Turbinen im Hafen als eine Art schwimmende „Wind-Insel“ zusammensetzen und dann mit dem Kutter aufs weite Meer hinausschleppen. Dann spielt auch die Meerestiefe keine Rolle mehr. Man könnte theoretisch den gesamten Atlantik und Pazifik zupflastern, sofern der Aufwand für die Verkabelung nicht zu groß ist. Der erzeugte Strom muss ja schließlich noch irgendwie an Land gebracht werden.
Klingt in Ihren Ohren verrückt? Dann lassen Sie sich gesagt sein: Der Mann ist seit 1978 im Geschäft. Damals verkaufte er seine erste Turbine an den heutigen Weltmarktführer Vestas. Und Stiesdal war auch der Erste, der bereits Anfang der 1990er Jahre einen Offshore-Windpark errichtete. Beim Vestas-Konkurrenten Siemens war er bis vor drei Jahren Boss der Windkraftsparte. Man darf also davon ausgehen, dass er weiß, wovon er spricht.
Prototyp existiert bereits
Eine Art Prototyp des schwimmenden Windrads existiert bereits seit 2009. Es wird bis heute von Siemens und dem norwegischen Öl- und Gaskonzern Statoil betrieben. Stiesdal hat das Projekt seinerzeit geleitet, das vor der norwegischen Küste installiert wurde. Es soll nun in Serie gehen. Noch 2017 will Statoil fünf dieser Anlagen vor Schottland erbauen. Doch die Kosten schlagen kräftig ins Kontor: 250 Mio. Dollar sind alles andere als ein Pappenstiel.
An diesem Punkt setzt Stiesdals neues Projekt an. Er hat sich eine Konstruktion in Form eines Tetraeders ausgedacht, der die verschiedenen Windturbinen mit verschraubten Rohren verbindet. Die Fertigung kann komplett an Land bzw. im Hafen erfolgen. Dadurch betragen die Kosten nur einen Bruchteil von Statoils Investitionen. Die Schwimminseln sollen dann an Stahlbojen verankert werden, um dem rauen Meereswind standzuhalten.
Siemens hat auf jeden Fall schon großes Interesse an den neuen Plänen des einstigen Mitarbeiters angemeldet. Sollten sie sich als praxistauglich erweisen, würde dies die gesamte Branche revolutionieren und könnte dem Offshore-Spezialisten Siemens mächtigen Aufwind bescheren.