Deutsche Intellektuelle zu Frankreich vor den Präsidentschaftswahlen: „Ein ‚Weiter so’ mit demokratisch entmündigten Völkern, die über ökonomische Anreize zur Ordnung gerufen werden, besiegelt den Zerfall.“
Der Philosoph Jürgen Habermas sieht vor der Wahl in Frankreich auch die Bundesregierung in der Verantwortung für einen drohenden Rechtsruck im Nachbarland. Sie habe eine Krisenpolitik durchgesetzt, „die die immer noch weiterschwelende Finanzkrise nicht gelöst, aber das Auseinanderdriften der nationalen Ökonomien in Nord und Süd beschleunigt und Europa tief gespalten“ habe, so Habermans in der Wochenzeitung DIE ZEIT. „Ein ‚Weiter so’ mit demokratisch entmündigten Völkern, die über ökonomische Anreize zur Ordnung gerufen werden, besiegelt den Zerfall.“
Für den Philosophen Peter Sloterdijk wäre Le Pens Wahlsieg „das Ende Frankreichs, wie wir es gekannt haben. Gewisse Zuckungen würden beweisen, dass das Leben irgendwie weitergeht, wie verworren auch immer. Vermutlich würde das Land auf Jahre hinaus unregierbar werden. Eine rechtsradikale Figur im Élysée wird die landestypischen Geister der Revolte zu neuem Leben erwecken, die während der glücklosen Ära Hollande in Ratlosigkeit versunken waren. Ein nach innen gekehrtes Frankreich, das seine Zerrissenheit pflegt, würde für Europa unbrauchbar.“
Kritik an deutsche Banken
In mehreren Interviews thematisierte er die Finanzkrise ab 2007 vor dem Hintergrund der modernen Schuldenwirtschaft und sprach von einer „Desorientierung von historischen Größenordnungen“, wenn sich mit alten Schulden stets neue Schulden besichern lassen. Was den Staaten und Banken heute fehle, sei „Pfandklugkeit“. Dabei bezieht sich Sloterdijk auf Thesen der Eigentumsökonomik, wie sie von Gunnar Heinsohn ausgearbeitet wurden.
Ulrich Wickert hofft, dass der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron die Wahl gewinnt: „Wird Macron gewählt, könnte das einen Aufbruch bedeuten für Frankreich, für Europa, für Deutschland.“