Der Think-Tank LEAP/E2020 richtet angesichts der schwersten globalenWirtschaftskrise aller Zeiten einen offenen Brief an die Staats- undRegierungschefs der G20-Staaten, veröffentlicht in englischer Sprachein der Welt-Ausgabe der Financial Times am 24. März 2009.
LEAP/E2020 warnte bereitsvor über 3 Jahren vor der unmittelbar bevorstehenden Krise, undberichtet seitdem monatlich sehr detailliert über Ursachen und Folgendes Phänomens, welches vom Mainstream im Jahr 2007 zuerst als harmlosekleine "Subprime-Krise" bezeichnet wurde, welches dann 2008 zur bereitsbedrohlicheren "Finanzkrise" wurde.
Als Ende 2008 die Angst vor der"globalen Rezession" sogar in auflagenstarken Zeitungen geäußert wurde,musste die Politik den Worten Taten folgen lassen - doch diese warensymbolische Symptombekämpfung, und angesichts des konsequenten undbeispiellosen Absturzes der Realwirtschaft weltweit muss 2009 zugegebenwerden, dass es sich leider um eine Weltwirtschaftskrise handelt. Dochwenn nicht endlich das Richtige getan wird, kann es durchaus noch vielschlimmer kommen bzw. noch sehr lange andauern.
Nun ist endlichder Zeitpunkt da, wo die Probleme möglicherweise so ernst genommenwerden wie sie sind, wo mehr Leute hellhörig geworden sind undHandlungsbedarf sehen.
Doch realisierbare Lösungen sucht man in denZeitungen und politische Debatten noch vergebens - und hier kommt dervon Franck Biancheri unterzeichnete offene Brief von LEAP/E2020 an diePräsidenten der G20-Runde ins Spiel, in dem die drei wichtigstenSchritte genannt werden, die sofort in Angriff genommen werden müssen.
An erster Stelle steht, den US-Dollar als derzeitige Weltreservewährungdurch eine neue Weltwährung auszutauschen. Zweitens muss es eineglobale Regulierung des Weltfinanzsystems geben, und drittens müssendie schwelenden Risiken in den Spekulationshochburgen USA,Grossbritannien und Schweiz aufgedeckt werden. Es folgt der Brief imoriginal Wortlaut, mit dem Titel:
Gipfel der G20-Staaten: Letzte Chance, den Zerfall der öffentlichen Ordnung aufzuhalten
Wenn Sie auf Ihrem nächsten Gipfel am 2. April 2009 in London nicht geradezu revolutionäre, den Kern des Problems anpackende Entscheidungen treffen und diese Maßnahmen bis spätestens Sommer 2009 umsetzen, wird diese Krise bis zum Ende des Jahres sowohl zum Zerfall des internationalen Systems als auch der öffentlichen Ordnung in den USA, Russland, China und der EU führen. Wenn Sie hier versagen, verlieren Sie jede Möglichkeit der Kontrolle über die Krise und ihre Auswirkungen auf sechs Milliarden Menschen auf dieser Erde.
In wenigen Tagen treffen Sie sich in London zu einem weiterenGipfeltreffen. Aber ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Ihnen geradenoch sechs Monate bleiben zu verhindern, dass die Welt in eine tiefeKrise von mindest zehnjähriger Dauer abstürzt? Mit diesemoffenen Brief möchte LEAP/E2020, das den Ausbruch der“umfassenden weltweiten Krise“ schon vor drei Jahrenvorhersah, Ihnen in einigen Sätzen darlegen, warum es zu dieserKrise kam und wie es möglich ist, weiteren Schaden abzuwenden.
Ihnen ist die Krise erst vor knappeinem Jahr bewusst geworden. LEAP/E2020 hingegen hat schon in der 2.Ausgabe seines GlobalEuropa Antizipations-Bulletin vom Februar 2006 (2.GEAB)vorher gesagt, dass der Ausbruch einer Krise von historischerBedeutung bevorstehe.
Die Krise wird immer bedrohlicher. Inseiner letzten, 32. Ausgabe des GEAB warnten wir vor ihrer weiterenverheerenden Entwicklung. Hier müssen die die Staats- undRegierungschefs der G20-Staaten unbedingt handeln.
Sie haben die Wahl: Eine Krise von drei bis fünf Jahren – oder zumindest ein “schrecklichesJahrzehnt”?
Sie verfielen dem Irrglauben, dass es ausreichend wäre, mehr Benzin in den Weltmotor zu schütten, damit er wieder rund drehe; Sie konnten nicht begreifen, dass der Motor nur noch Schrott war, ohne jegliche Reparaturmöglichkeit. Die Welt braucht einen neuen Motor. Um ihn zu bauen, bleibt immer weniger Zeit. Monat für Monat zerfällt das internationale System mehr.
Bis heute haben Sie lediglich an den Symptomen and Nebenwirkungen derKrise herumgedoktert, denn unglücklicher Weise traf diese KriseSie vollkommen unvorbereitet. Sie verfielen dem Irrglauben, dass esausreichend wäre, mehr Benzin in den Weltmotor zu schütten,damit er wieder rund drehe; Sie konnten nicht begreifen, dass der Motor nur noch Schrottwar, ohne jegliche Reparaturmöglichkeit. Die Welt braucht einenneuen Motor. Um ihn zu bauen, bleibt immer weniger Zeit. Monat fürMonat zerfällt das internationale System mehr.
In schweren Krisen muss dasgrundlegende Problem angegangen werden. Sie haben die Wahl: Entwederergreifen Sie radikale Maßnahmen die ein neues internationalesSystem schaffen, womit die Dauer der Krise verkürzt und ihretragischen Folgen reduziert würden; oder Sie scheuen diesenSchritt und versuchen vielmehr, vom gegenwärtigen System zuretten, was noch rettbar scheint, womit Sie die Dauer der Kriseverlängern und ihre verheerenden Folgen noch verstärken. Am2. April in London können Sie entweder den Weg frei machen, damitdie Krise geordnet in drei bis fünf Jahren überwunden werdenkann; oder Sie lassen zu, dass die Welt ein schreckliches Jahrzehntdurchleben muss.
Wer werden uns daraufbeschränken, Ihnen drei strategische Ratschläge zu geben, vondenen wir glauben, dass mit ihnen die Weichen richtig gestellt werdenkönnten. Wenn die Weichen bis Sommer 2009 nicht entsprechendgestellt werden, wird der Zerfall des internationalen Systems und deröffentlichen Ordnung in wichtigsten Staaten nicht mehr aufzuhaltensein.
DIE DREI STRATEGISCHEN RATSCHLÄGE VON LEAP
1.Der Schlüssel zur erfolgreichen Krisebekämpfung liegt in derSchaffung einer neuen internationalen Reservewährung
Reformieren Sie das internationale Währungssystem, das noch ein Kind der Nachkriegszeit ist; schaffen Sie eine neue internationale Reservewährung. Der US- Dollar und die USA – Wirtschaft sind nicht mehr in der Lage, Dreh – und Angelpunkt des internationalen Wirtschafts- , Finanz – und Währungssystems zu sein.
Die erste Empfehlung ist eigentlich von der Idee her recht simpel:Reformieren Sie das internationale Währungssystem, das noch einKind der Nachkriegszeit ist; schaffen Sie eine neue internationaleReservewährung. Der US- Dollar und die USA – Wirtschaft sindnicht mehr in der Lage, Dreh – und Angelpunkt des internationalenWirtschafts- , Finanz – und Währungssystems zu sein.
Diese Währung wäre von einem “Weltwährungsinstitut” zu verwalten, mit einem Exekutivausschuss, der gewichtet nach der jeweiligen Bedeutung der einzelnen am Global beteiligten Volkswirtschaften zu besetzen wäre.
Nach der Auffassung von LEAP/E2020wird,, wenn nicht diese Alternative zum Status quo nicht bis Sommer2009 auf den Weg ge - und damit der Beweis erbracht wurde, dassgemeinsames internationales Handeln gegen die Krise möglich ist,wird das gegenwärtige internationale Währungssystem wegen desdann einsetzenden nationalen Egoismus und Protektionnismus diesenSommer nicht überleben. Sollten einige G20-Staaten sich derIllusion hingeben, dass es für sie besser wäre, ihrePrivilegien im aktuellen System so lang wie möglich zu bewahren,so sollten sie bedenken, dass heute sie die zukünftige Form desneuen internationalen Währungssystems noch beeinflussenkönnen; wenn erst der Zerfall des internationalen Systems und deröffentlichen Ordnung allgemein erkennbar eingesetzt haben wird,büßen sie ihre Einflussmöglichkeiten ein.
2. Schaffen Sie so schnell wie möglich ein globales Bankenaufsichtssystem
Es geht darum, noch vor Ende dieses Jahres ein globales Bankenaufsichtssystem einzurichten, das alle Steuerparadise abschafft.
Der zweite Ratschlag ist schon häufig in den vorbereitendenDebatten zum Gipfeltreffen zur Sprache gekommen. Damit sollte er ohneSchwierigkeiten umsetzbar sein. Es geht darum, noch vor Ende diesesJahres ein globales Bankenaufsichtssystem einzurichten, das alleSteuerparadise abschafft. Von Ihren Ratgebern wurden schon verschiedeneOptionen vorgelegt. Seien Sie sich darüber bewusst: Es wirdFälle geben, in denen Sie nicht anders können als Banken zuverstaatlichen!
3. Weisen Sie den IWF an, die Finanzsysteme der USA, Großbritanniens und der Schweiz zu evaluieren!
Der dritte Ratschlag betrifft eine politisch sensible Angelegenheit,die aber nicht länger bei Seite geschoben werden kann. Es istentscheidend, dass spätestens 2009 der IWF dem G20 eineunabhängige Evaluierung der drei hauptursächlich für diegegenwärtige Finanzkrise verantwortlichen nationalen Finanzsystemevorlegt: USA, Großbritannien und Schweiz.
Schreiben Sie kurz und einfach Schlussfolgerungen!
Zum Schluss möchten wir Ihnen in Erinnerung rufen, dass IhreAufgabe darin besteht, bei sechs Milliarden Menschen und MillionenUnternehmen Vertrauen wiederherzustellen. Deshalb müssen Sie IhreSchlussfolgerungen auf das Wesentliche beschränken – nichtmehr als zwei Seiten mit höchstens drei bis vier Hauptthesen, dieauch ein Laie lesen und verstehen kann.
Seien Sie sich bewusst: Die Geschichtewird die Teilnehmer des G20-Treffens nach dessen Erfolg oderMißerfolg beurteilen. Wenn dieser offene Brief dazubeiträgt, Ihnen das verständlich zu machen, hat er seinenZweck erreicht. Bis Ihre Wählerinnen und Wähler über Sieurteilen werden, wird höchstens noch ein Jahr vergehen. Dannbleibt Ihnen nicht erneut die Ausrede, das hätte wirklich niemandvoraussehen können!
Franck Biancheri
Director of studies of LEAP/E2020
President of Newropeans
Anbei finden Sie die PDF-Version
Offener Brief an G20 Leaders - FT 240309.pdf (82.18 KB)
--->LEAP/Europe 2020 © 2009 -->IBTimes.com
--->Klaus-Peter Müller fürchtet "gefährlicheAbwärtsspirale" / Commerzbank-Aufsichtsratschef prognostiziert weiterenAbschreibungsbedarf bei Banken "Wenn Sie italienische Staatsanleihen über eine Milliarde Euro in denBüchern haben, haben Sie derzeit einen Wertberichtigungsbedarf von 150Millionen Euro"