Lieber Investor,
die Bürger der Eurozone nutzen die gemeinsame Währung in dem Wissen, dass sie in unterschiedlichen, souveränen Staaten leben. Dort agiert jeder so, wie es ihm passt. Man bezahlt zwar mit der gleichen Münze, lässt sich aber ansonsten nicht in seine Hoheitsfragen von den anderen hineinregieren. Es sei denn, es geht einem bereits so schlecht, dass man ohne Rettungsschirme und die Hilfe der anderen Partner nicht mehr überleben kann.
Innerhalb Deutschlands gibt es um den Länderfinanzausgleich auch immer wieder Streit. Trotzdem haben die einzelnen Bundesländer allen Grund dazu einen großen Teil ihrer Souveränität an den Bund abzutreten und in den Bereichen, in denen das nicht der Fall ist, gibt es oft ein unübersichtliches Chaos, beispielsweise in der Schul- und Bildungspolitik. Die Zeche zahlen aber auch hier nicht die Politiker, sondern Familien, die von Stuttgart nach Schwerin oder von Osnabrück nach Münster ziehen.
Ein scheitern des Euros würde die EU als Ganzes schwer diskreditieren
Die Eurozone ist von diesem föderalen System und der größeren Harmonie, die sie bringt, noch meilenweit entfernt. Es fehlen einheitliche Steuersätze und eine klare Verteilung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zwischen der regionalen und der gemeinschaftlichen Ebene. Eine gemeinsame Sozialversicherung und vor allem ein gemeinsames Budget wären ebenfalls wünschenswert. Letzteres setzt jedoch wieder eine gemeinsame Regierung voraus und diese wiederum ein gemeinsames Parlament. Eines, das, anders als das Europäische Parlament, auch weitreichende Kompetenzen besitzt und Regierungen bei Bedarf stürzen kann.
Solange die Eurozone diese parlamentarischen und administrativen Voraussetzungen nicht schafft, hat sie große Chancen zu scheitern, was auch die EU als Ganzes schwer diskreditieren wird. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Eurostaaten sind viel zu groß, als dass sie sich alleine über das Mittel von Konferenzen und eine hart an der Grenze der Legalität segelnden Europäischen Zentralbank lösen lassen.
Eigentlich bräuchten Europa und auch der Euro einen kompletten Neustart, der die Fehler der Vergangenheit behebt und die Basis für eine besser funktionierende Zukunft legt. Die Zeit dafür könnte aber bereits abgelaufen sein, und zwar dann, wenn der europakritische Gedanke der Populisten bereits zu tief in die Mitte der einzelnen Gesellschaften vorgedrungen ist. Die nächsten Wahlen in Frankreich, Italien und Deutschland könnten an dieser Stelle sehr aufschlussreich sein.
EinBeitrag von Dr. Bernd Heim.
Herzliche Grüße
Ihr Robert Sasse