Der zurückgetretene Kieler Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) prognosti-
ziert weitere Milliardenverluste der HSH Nordbank. Die von den Landesregierungen
in Hamburg und Kiel beschlossene Eigenkapitalspritze in Höhe von drei Milliarden
Euro sei „Ende dieses Jahres schon verfrühstückt“, sagt Marnette dem SPIEGEL.
Als Grund nennt Marnette zu optimistische Annahmen der HSH-Nordbank-Führung
hinsichtlich der Konjunkturentwicklung und eine nicht ausreichende Risikovorsor-
ge im Bereich Schifffahrt. „Die HSH Nordbank hat gut 33 Milliarden Euro Volumen
bei der Schiffsfinanzierung. Wollen Sie mir erzählen, dass das Ausfallrisiko da un-
ter ein Prozent liegt“, wie es HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher be-
haupte?
Marnette hatte kurz vor seinem Rücktritt die als Projektstudie zusammengefassten
Unterlagen der HSH Nordbank und der von beiden Landesregierungen beauftrag-
ten Beratungsunternehmen einsehen können. Aus denen gehe hervor, sagt der Ex-
Minister, „dass 64 Prozent des finanzierten Schiffsportfolios von den Rating-Agen-
turen schlechter als A eingestuft wurden. Das sind alles Wackelkandidaten“. Vor
diesem Hintergrund sei es auch mehr als wahrscheinlich, dass die von beiden Län-
dern bereitgestellte Bürgschaft von zehn Milliarden Euro „kräftig angeknabbert“ und
weiteres Kapital benötigt würde.
Darüber hinaus beklagt Marnette, dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen
(CDU) und Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) an realistischen Zahlen zur Be-
wertung der Bank kein Interesse gehabt hätten: „Es mag verrückt klingen, aber ich
glaube Carstensen und Wiegard hofften auf ein Wunder.“ Er habe Vermerke ge-
schrieben und Fragenkataloge ausgearbeitet, um an solche Zahlen zu kommen. „All
diese Papiere“, so Marnette, „habe ich an die Staatskanzlei und das Finanzminis-
terium geschickt und bin ins Leere gelaufen. Da ist nie eine Antwort gekommen.“
Dafür habe der Regierungschef mit brutaler Deutlichkeit Loyalität für seinen Kurs
der Krisenbewältigung eingefordert.
So habe Carstensen ihm am Vorabend der Finanzausschuss-Sitzung vom 19. März
mitgeteilt: „Wenn sie sich morgen nicht klar hinter die Position der Landesregierung
stellen, kann ich nicht länger mit ihnen zusammenarbeiten. Und lassen sie sich
nicht vom Geschwätz aus dem Kreis der CDU-Fraktion irritieren. Das sind Leute, die
ihre Hausaufgaben in ihrer Schlosserei oder ihrem Elektrogeschäft nicht hinkriegen,
die aber hier große Finanzwelt spielen wollen.“ DER SPIEGEL 15/2009