Deutschland, Land der Kinderpornografie? Mit unglaubwürdigen Zahlen und Drohkulissen wird dringender Handlungsbedarf signalisiert. Und ab heute ist es soweit: Das BKA wird den Providern täglich eine Sperrliste zukommen lassen, wo drin steht, was angesurft werden darf und was nicht.
Folgende Provider spielen mit:
Fünf Unternehmen unterzeichnen heute den Vertrag mit dem BKA. Mit ihnen werden rund 75% des deutschen Anbietermarktes abgedeckt:
- Deutsche Telekom AG (Marktanteil 45%), vertreten durch René Obermann, Vorstandsvorsitzender
- Vodafone Deutschland und Arcor AG (13%), vertreten durch Thomas Ellerbeck, Mitglied der Geschäftsleitung
- Alice/HanseNet Telekommunikation GmbH (12,3%) vertreten durch Dr. Eric Heitzer, Mitglied der Geschäftsleitung
- Kabel Deutschland GmbH (3%), vertreten durch Dr. Adrian von Hammerstein, Vorsitzender der Geschäftsführung
- Telefónica O2 Germany GmbH & Co. OHG (2%), vertreten durch Markus Haas, Mitglied der Geschäftsführung
Nach der Vertragsunterzeichnung: Vertreter der Internetprovider und BKA Chef Ziercke.
Der dringende Handlungsbedarf erklärt das BKA damit, dass gleich Hundertausende deutsche Surfer sich nur auf Schmuddelseiten rumtreiben. Belegt sind die Zahlen jedoch nicht.
BKA-Präsident Jörg Ziercke sagte, beim Geschäft mit der Internet-Pornografie mit Kindern würden Millionen umgesetzt. 80 Prozent derNutzer seien Gelegenheitstäter. Sie könnten mit einem Stopp-Schildabgeschreckt werden.
Die «Hardcore-Nutzer» müssten weiter mitrepressiven Maßnahmen verfolgt werden. Er verwies auf laufendeErmittlungen zu zehn aktuellen Fällen von Kinderpornografie imInternet.
Fürdie nun geplanten Sperren im Netz stellt das BKA täglich aktualisierteListen von etwa 1000 Internet-Seiten zusammen. Die Provider sorgentechnisch dafür, dass diese Seiten nicht mehr aufzurufen sind.
NachSchätzungen werden in Deutschland angeblich täglich bis zu 450 000 Seiten mitkinderpornografischem Inhalt angeklickt. 20 bis 25 Länder weltweithaben bereits Sperren für diese Angebote eingeführt oder tun das inKürze. In Europa sind Norwegen, Dänemark, Schweden, die Niederlande,Großbritannien und die Schweiz die Vorreiter.
Kritiker wenden ein, dass mit einer Zensur das Problem nicht behoben sei und fälscherlicher Weise der Eindruck entsteht, kriminielles Tun zu verhindern. Doch das Gegenteil sei richtig. Wenn man wirklich Straftaten verhindern wolle, dann ist eine Zensur eher kontraproduktiv.
Der Vorstoss der Familienministerin würde damit dem kriminellen Treiben sogar Vorschub leisten.
Zudem sei nicht sicher gestellt, ob auch harmlose Seiten blockiert würden. Eine Kontrolle gebe es nicht. Die Entscheidung liegt einzig beim BKA. Kontrollgremien gibt es nicht.
Es ist dies ein einzigartiger Vorgang in einer Demokratie, dass Kriminalbehörden über Veröffentlichungen entscheiden - und dies auch noch in einer Art und Weise tun, welche nicht durch Kontrollmechanismen vor Mißbrauch geschützt ist.
Offizielle Vollzugsmeldung des Familienministeriums:
Bund schließt Vertrag mit Providern, um Zugang zu Kinderpornografie im Netz zu erschweren
Ab heute ist es vertraglich fixiert: Politik und Internetwirtschaftsagen der Kinderpornografie im Internet gemeinsam den Kampf an. Seitenmit kinderpornografischen Inhalten im Internet sind künftig nicht mehrohne weiteres von Deutschland aus aufrufbar. Dies bewirkt ein Vertrag,den die fünf größten Internetzugangsanbieter (Provider) Deutschlandsheute mit dem Bundeskriminalamt (BKA) geschlossen haben.Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hatte diesen wichtigenSchritt gemeinsam mit ihren Kabinettskollegen BundesinnenministerWolfgang Schäuble und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zuGuttenberg angestoßen und intensiv vorbereitet. Mit derVertragsunterzeichnung setzen die Bundesregierung und die fünfUnternehmen nach nur drei Monaten eine entsprechende Vereinbarung vom13. Januar 2009 um.
Die Bundesregierung verfolgt entscheidendeZiele bei der Bekämpfung von Missbrauch und Ausbeutung, die mit denZugangssperren vorangetrieben werden sollen.
- Kinderschutz: Die Sperrung verhindert, dass mit jedem Seitenaufruf die Vergewaltigung eines wehrlosen Kindes fortgesetzt wird.
- Prävention: Kinderpornografische Bilder im Internet werden gezielt eingesetzt, um potentielle neue "Kunden" zu werben, Hemmschwellen abzubauen und die Nachfrage systematisch nach immer brutaleren Bildern anzuheizen. Es gilt mit der Zugangssperre bereits den Einstieg zu verhindern.
- Störung des Massengeschäftes: Kinderpornografie ist ein Millionengeschäft. Mit den Sperrungen wird der kommerzielle Massenmarkt im Internet empfindlich gestört. Wo kein Geld mehr zu verdienen ist, wird organisierte Kriminalität immer weniger lukrativ.
- Gesellschaftliche Ächtung: Das Sperren dieser Seiten ist ein wichtiges und deutliches Signal aller gesellschaftlichen Kräfte zur konsequenten Ächtung von Kinderpornografie - nicht nur im Internet.
"Die Vertragsunterzeichnung steht am Ende einer intensiven Diskussion, die auch gezeigt hat, dass wir den Finger in eine Wunde gelegt haben. Es sind alle Argumente offen und intensiv ausgetauscht, diskutiert und bearbeitet worden. Das hat zu schwierigen Verhandlungen geführt, aber es war nötig. Ich bin dankbar, dass die Probleme benannt und ausdiskutiert worden sind. Wir können uns nun auf einen vorbildlichen gemeinsamen Weg machen, weil wir davon überzeugt sind, dass wir handeln müssen und weil das gegenseitige Verständnis für die gemeinsame Verantwortung gewachsen ist. In den Verträgen sind die Aufgaben klar verteilt: Die Liste der zu sperrenden Adressen ermittelt, liefert und verantwortet das BKA. Die eventuelle Haftung für die danach einzuleitende Sperrung liegt daher auch allein beim BKA. Die Zugangsanbieter sind ausschließlich für die technischen Sperrmaßnahmen zuständig, nicht für die Inhalte", so Ursula von der Leyen. "Selbstverständlich kann das Sperren der Seiten nur ein Baustein im Kampf gegen Kinderpornografie sein. Die strafrechtliche Verfolgung der Täter, das Schließen der Quellen sowie der Schutz der Opfer stehen weiterhin an oberster Stelle und werden auch zukünftig vom Bundeskriminalamt erfolgreich umgesetzt", so von der Leyen.
Mit dem Vertrag verpflichten sich die unterzeichnenden Internetanbieter, zeitnah Seiten mit kinderpornografischem Inhalt zu sperren. Spätestens in sechs Monaten muss die Technik funktionsfähig in Gang gesetzt sein. Die Sperren auf Domaine Name System (DNS)-Basis verhindern, dass die illegalen Seiten mit kinderpornografischem Inhalt durch Eingabe des Namens aufgerufen werden können. In der Regel erscheint dann eine erläuternde STOPP-Seite.