Trotz Preiseinbruchs – US-Immobilien sind nicht billig! Perspektiven und Analyse des US-Immobilienmarktes. Ein übersättigter Markt trifft auf eine schwache Nachfrage.
In der letzten Woche veröffentlichte die US-ImmobilienmaklerorganisationRealtor wieder ihre monatlichen Daten zu der Anzahl der landesweitverkauften Häuser und Wohnungen. Vielen Beobachtern gelten dieseund andere Daten zum US-Immobilienmarkt auch als wichtiges Indizfür eine Erholung oder wenigstens Bodenbildung der US-Wirtschaft.
Nun sind dieentsprechenden Daten erneut schlechter ausgefallen als erwartet, wasprompt die Kurse (kurzfristig) belastete. Der geneigte Bobachter inDeutschland fragt sich, warum um den US-Immobilienmarkt immer so einWesen gemacht wird. Nun ist es immer sinnvoll, etwas hinter dieKulissen zu schauen. Daher wollen wir heute einmal diesen und anderenFragen zu diesem Thema nachgehen.
US-Immobilien – der etwas andere Markt
Traditionellhat der Immobilienmarkt in den USA einen viel höheren Stellenwertals zum Beispiel in Deutschland. Die Protagonisten des Marktes sindnicht nur zahlreicher, sondern erfreuen sich auch einesgrößeren Bekanntheitsgrades als hierzulande. EinzelneVertreter, wie der New Yorker Tycoon Donald Trump, erlangen sogarinternationale Bekanntheit oder eine Art Superstar-Status. Der letzteImmobilienentwickler, der in Deutschland landesweite Aufmerksamkeiterfuhr, war Jürgen Schneider, der 1994 spektakulär pleiteging.
Wer inDeutschland eine Immobilie kauft, bleibt ihr häufig ein Leben langtreu. Daher „belasten“ sich viele gut verdienende jungeLeute, die beruflich flexibel bleiben wollen oder müssen, nichtmit einer Eigentumswohnung oder gar einem Eigenheim, sondern bleibenMieter. In den USA ist ein Haus in der angemessenen Größeund der passenden Lage dagegen ein Muss selbst im mittleren Management.
Daher sinddort Wohnungs- oder Hausverkäufe nicht nur bei Firmen- oderStandortwechsel, sondern selbst bei Positionswechseln durchaus an derTagesordnung. Dieses sehr lockere Verhältnis der Amerikaner zuihren Häusern ist durchaus gewöhnungsbedürftig.Deutsche, die in den letzten Jahren aus beruflichen Gründen in dieUSA gegangen sind, hatten mitunter Schwierigkeiten, dieses„Spiel“ mitzumachen. Wer sich diesem Irrsinn verweigerte,erntete ähnliches Unverständnis wie ein deutscherReihenhausbesitzer, der in seinem Garten Hühner hält.
Mein Haus ist mein Geldautomat
Speziell inden Jahren des jüngsten Booms war die Immobilien für denUS-Bürger durchaus ein Objekt zur kurzfristigenVermögensbildung. Die steigenden Hauspreise verleiteten vieleAmerikaner zu spekulativen Geschäften. Häuser kaufen undverkaufen war zwar nicht gerade ein Volkssport, aber durchaus an derTagesordnung.
Da in denletzten Jahren außerdem eine lockere Kreditvergabe herrschte, warauch die Finanzierung kein Problem. Und überhaupt sollte das allesja nicht von Dauer sein. Das monatlich höhere Preisniveaunährte zudem den Glauben, dass sich Immobilien praktisch auch„von alleine“ finanzierten.
Für alleanderen, die nicht gleich mit mehreren Immobilien und Finanzierungenjonglierten, boten die stetig kletternden Preise aber wenigsten eineandere vorteilhafte Option. Der gestiegene Wert einer existierendenImmobilie konnte zur Aufnahme neuer Hypotheken genutzt werden. DiesesGeld musste man ja nicht in das Haus selbst investieren, sondern konnteauch einfach für den wachsenden Konsum, z.B. ein neues Autoverwendet werden. Der US-Immobilienbestand mutierte so quasi zumgrößten Netzwerk von Geldautomaten...
Der Immobilien- und Bausektor – ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der USA
Dieses Systemmusste zwangsläufig zusammenbrechen. Die große Frage isteben nun, wann sich dieser Markt wieder erholt. Unausgesprochenschwingt dabei auch die Erwartung mit, dass der Immobilienmarkt dannwieder seine frühere Bedeutung wiedererlangt. Ob das so kommt,müssen wir hier offen lassen.
Aber klar ist,dass die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Immobilienmarktes vorallem auf der Bedeutung fußt, die dieser Sektor für dieWirtschaft hat. Mit etwa 9 % Anteil der US-Wirtschaftsleistung ist derBausektor der zweitgrößte Industriezweig der USA. Einedauerhafte Schwäche in diesem Bereich wäre also sicherlichfatal. Andererseits trübt die Haltung nach dem Motto „Weilnicht sein kann, was nicht sein darf“ oft auch den freien Blickauf die nackten Tatsachen.
Und diezeigen, dass eine Erholung des US-Immobilienmarktes immer noch nichtausgemacht werden kann. Neben den in der letzten Woche gemeldetenVerkäufen bestehender Häuser ist vor allem dieNeubautätigkeit von Bedeutung. Denn letztlich kommt nur ein neugebautes Haus der gesamtwirtschaftlichen Produktion zugute. Dereinfache Weiterverkauf bringt volkswirtschaftlich dagegen keinengroßen Effekt.
Entspannung bei Neubauten?
Auch derVerkauf neuer Häuser ist momentan wenig aussagekräftig.Schließlich warten noch Tausende Häuser in den neuerschlossenen Baugebieten der letzten Jahre auf ihre ersten Besitzer.Ein Abverkauf dieser „Altbestände“ bringt auch keinenvolkwirtschaftlichen Effekt, denn diese (früheren) Neubauten sindja bereits im Bruttoinlandsprodukt verbucht worden.
Schauen wir uns also die Baubeginne privater Objekte an:
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Diese sindinzwischen auf einen historischen Tiefstand gefallen. In 2009 gab eszwar bisher eine Stagnation auf diesem sehr tiefen Niveau, die auf eineBodenbildung hindeuten könnte. Von dem typischen dynamischen(Wieder-)Anstieg am Ende früherer Rezessionen (violette Linien)ist aber bisher noch nichts zu sehen. Und da wie gesagt immer nocherhebliche freie Kapazitäten auf dem Markt sind, bliebeabzuwarten, ob eine Erholung bereits eine dauerhafte Trendwendeeinläuten würde.
Denn obwohlbereits seit längerem die „dramatischen“Einbrüche bei den US-Immobilienpreisen beschworen werden, zeigtein simpler Preisvergleich, dass davon eigentlich gar keine Rede seinkann. Dazu der folgende Chart:
Quelle: Standard and Poor’s
Trotz Preiseinbruchs – US-Immobilien sind nicht billig!
Hier sehen Sieden Case-Shiller-Hauspreisindex, der private Eigenheime und Wohnungenfür zehn große Städte der USA erfasst und bis 1987zurückgerechnet vorliegt. Wir datieren den Beginn derImmobilienblase in den US jetzt der Einfachheit halber mal auf das Jahr2000, also genau im Anschluss an die Internetblase (was im Übrigenauch Konsens unter den Ökonomen ist).
Bis dahin,also Ende 1999, lag die durchschnittliche Rendite gemessen an diesemPreisindex bei knapp 1,7 % pro Jahr (violette Linie). Das nichtüppig, aber auch nicht so ungewöhnlich. Im Wesentlichen istdies natürlich auf das offenbar geringe Interesse an Immobilien inden 1990er Jahren zurückzuführen (zum Vergleich: auch inDeutschland gab es in diesen Jahren praktisch eine Stagnation derPreise von Wohnimmobilien).
Seit Beginnder Indexberechnung kommen wir dagegen auf eine durchaus typischeImmobilienrendite von etwa 3,6 % p.a.(grüne Linie). Im Chart habeich diese Linie einmal verlängert, damit Sie sehen, dass dieaktuellen Preise immer noch über dieser Steigerungsrate liegen.Genau genommen errechnet sich aus dem vorläufig letzten Indexwertvon Januar 2009 bei 159 Punkten immer noch eine Rendite von 5,3 % proJahr bezogen auf den Wert vom Januar 2000.
Trotz desscheinbar dramatischen Preisverfalls seit dem Hoch im Jahre 2006können wir also noch nicht annähernd davon sprechen, dassUS-Immobilien im Bezug auf das Preisniveau vor der Krise billig sind.Bestenfalls hätten wir aktuell angemessene Preise – aber nurin einem normalen Markt.
Ein übersättigter Markt trifft auf eine schwache Nachfrage
Derzeit istder Markt aber eben immer noch übersättigt, so dass wir auchmit weiter fallenden Preisen rechnen müssen. Tatsächlicherkennen wir bisher – im Gegensatz zu den Baubeginnen –nochnicht den Ansatz einer Bodenbildung bei den Preisen.
Wenn also diePreise noch nicht wirklich niedrig sind, das Angebot aber immer noch zuhoch, wird die Nachfrage, also die Baubeginne vermutlich auch nochkeine echte Trendwende zeigen. Zumal die Kreditvergabe der Bankeninzwischen gerade bei Hypotheken sehr restriktiv ist. Hinzu kommt, dasssicher in der gegenwärtigen Phase der wirtschaftlichenUnsicherheit und des fortschreitenden Jobabbaus (siehe auch die erneutschlechten Arbeitsmarktdaten von letzter Woche) nur die Wenigstengroße Lust auf das Abenteuer „Hausbau“ haben werden.
Und damitkommen wir zu dem nächsten Problem und den eingangs erwähntenDaten der US-Makler. Denn immer noch sitzen viele US-Bürger inüberteuerten und überschuldeten Häusern, die sie sich inden letzten Jahren zugelegt haben. Die Zeitungen in den USA sind vollvon entsprechenden Verkaufsanzeigen. Berichte über verkaufswilligeHausbesitzer, die selbst Objekte in bester Lage in Florida nicht einmalmit Abschlägen von 30 % auf die aktuellen Marktpreise loswerden,füllen Wirtschaftszeitungen und TV-Reportagen.
Was mögen amerikanische Hausbesitzer denken?
Jetztversetzen Sie sich bitte in die Lage eines solchen Hausbesitzers. Siemöchten zwar dieses Haus gerne los werden, aber noch könnenSie die Raten zahlen. Ein Notverkauf steht noch nicht an. Sie wissen,Sie werden Verlust machen, aber warum jetzt auf Teufel-komm-raus dasHaus unbedingt verschleudern? Vielleicht kommt ja die erwarteteErholung der Wirtschaft, vielleicht greifen ja demnächst diediversen Maßnahmen der Regierung.
Wenn Sie alsonoch ein halbes oder ganzes Jahr warten, stabilisiert sich der Markteventuell. Und überhaupt, als „erfahrener“ Anlegerwissen Sie, dass man in fallende Märkte hinein eigentlich nichtverkaufen soll, wenn eine Korrektur schon so weit fortgeschritten ist(das ist bei Immobilien nicht anders als bei Aktien). Also werden Sieversuchen abzuwarten, bis die „Zittrigen“ sich von ihrenHäusern getrennt haben. Sie werden also versuchen, die Kriseauszusitzen, zumal Sie ja – anders als bei Aktien – dasObjekt auch noch nutzen können; es ist ja kein totes Kapital.
Und mit dieser Überlegung im Hinterkopf schauen wir uns nun die Verkaufszahlen bestehender Häuser an.
Quellen: Standard and Poor’s, National Association of Realtors
Zur besserenVeranschaulichung sind die Verkaufszahlen (rote Säulen) zusammenmit den Preisen dargestellt (hier auch mit dem Case-Shiller-Indexfür 20 US-Städte, der erst ab 2000 vorliegt).
So muss ein funktionierender Markt reagieren!
Was wir sehen,wäre als Aktienkursverlauf eine ganz normale Konsolidierung imTrend: Die Umsätze (Verkaufszahlen) steigen mit den Preisen, beisinkenden Preisen gehen sie wieder zurück. Das ist auch so bei denZahlen der letzten Monate (die breiten Säulen sind dieJahreswerte, Monatswerte sind der Übersichtlichkeit wegen erst ab2008 mit den dünneren Säulen eingetragen)
Ausökonomischer Sicht haben wir es hier eigentlich mit einer ganznormalen Reaktion von Angebot und Nachfrage zu tun: Sinkende Preiseverringern das Angebot. Die potenziellen Immobilienverkäuferreagieren eigentlich völlig rational.
Das scheinendie Analysten immer zu vergessen, wenn sie auf die Zahlen starren. Dennregelmäßig werden sinkende Verkaufszahlen mit einem schwachen Immobilienmarkt in Verbindung gebracht. Eigentlich ist der Markt aber stark, denn die Verkäufer widerstehen noch dem Druck zu Panikverkäufen!
Der erfahreneChartanalyst findet das daher alles völlig in Ordnung. DerVerkäufe sollten danach so weit zurückgehen, bis die Preisewieder anfangen zu steigen. Da wir uns bei den Umsätzen schonunter dem Niveau von 2000 befinden (alle Zahlen sind zurVergleichbarkeit auf Jahreswerte adjustiert), könnte eineTrendwende nun eventuell bevorstehen.
Die Charttechnik zeigt die Perspektiven im US-Immobilienmarkt
Doch leiderzeigen die Preise immer noch keine Umkehrtendenz (derCase-Shiller-Index wird erst mit zweimonatiger Verzögerungaktualisiert, daher sind die letzten Zahlen erst vom Januar). Damit isteine baldige Trendwende noch unwahrscheinlich.
Und einweiteres Phänomen hat der Charttechniker im Hinterkopf. SolcheEinbrüche enden häufig mit einem finalen Ausverkauf. Dasheißt, ein nochmaliger kräftiger Preiseinbruch geht unterstark steigenden Umsätzen vonstatten, bevor es zu der erwartetenErholung kommt.
Und auchdieses Szenario ist leider nicht so unwahrscheinlich. Unsere obenerwähnten fiktiven Immobilienbesitzer können die Nerven, denJob oder ihren Kredit bei der Bank verlieren. Das heißt, sie sindgezwungen, genau im ungeeignetsten Augenblick zu verkaufen. Da das dannvermutlich vielen so geht, verzeichnen wir so wieder steigendeVerkaufszahlen – in sinkende Preise hinein!. Nur ist dann keinZeichen von Stärke des Marktes, sondern der vorläufigeZusammenbruch.
Insofernsollten sich die Analysten lieber keine steigenden Verkaufszahlenwünschen. Oder hoffen, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllunggeht. Denn manchmal ist es eben besser, nicht das zu bekommen, was mansich wünscht...
Fazit:Noch funktioniert der US-Immobilienmarkt, auch wenn keine Umkehrmusterin Sicht sind. Die Umkehr muss von den Preisen ausgehen, doch die habengemessen an der vorangegangenen Übertreibung noch erheblichesPotenzial nach unten. Das erhöht im gegenwärtig sichverschlechternden gesamtwirtschaftlichen Umfeld die Gefahr einesfinalen Zusammenbruchs des Immobilienmarktes. Von einem solchen Schockwürde sich der Markt dann vermutlich auf Jahre hinaus nichterholen.