Nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zieht Realismus in das Verhältnis von Porsche und VW ein.
„Gewöhnlich wedelt der Hund mit dem Schwanz – und nicht umgekehrt. Dieser Realismus hält jetzt Einzug in die Beziehungen zwischen VW und Porsche“, sagte Wulff dem Handelsblatt (Freitagsausgabe). Dies habe drei Gründe, so Wulff. „Erstens die Finanzkrise, wegen der keine ausländischen Banken mehr für gewagte Übernahmemanöver bereit stehen. Wir an der Küste wissen: Erst bei Ebbe sieht man, wer nackt im Wasser steht“, so Niedersachsen Ministerpräsident. „Zweitens die Absatzkrise, die vor allem die Hersteller von Luxusautos trifft. Drittens ist unsere Hartnäckigkeit beim Thema Sperrminorität im VW-Gesetz unterschätzt worden. Ich habe Porsche-Chef Wendelin Wiedeking bei unserem allerersten Treffen gesagt, dass es ein Irrglaube ist, VW von Zuffenhausen aus dirigieren zu können. Ich habe da nichts hinzuzufügen und muss mich nicht korrigieren“, fügte Niedersachsens Regierungschef hinzu
Wulff betonte, dass VW und Porsche sich gut ergänzen könnten. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Familien Piech und Porsche als Aktionäre bei VW sehr willkommen heißen. Das gilt. Es gibt erhebliche Synergien zwischen Porsche und VW, etwa im Forschungsbereich, in der Marken- und Plattformstrategie. Zusammen bietet sich eine großartige Perspektive, die Nummer 1 in der Welt zu werden“, sagte Wulff. „Aber wir müssen ehrlich sein: Audi, aber eben auch Porsche wären heute nicht da, wo sie sind, ohne die Hilfe von VW, zum Beispiel beim Cayenne. Es gibt jetzt die Chance auf eine faire Lösung zwischen Porsche und VW“, so Niedersachsens Ministerpräsident.
Aus Sicht Wulffs führt Porsche derzeit einen Strategiewechsel durch. „Porsche vollzieht jetzt einen Strategiewechsel gegenüber seinen Geldgebern. Bisher war das Ziel Beherrschung und Gewinnabführung von VW. Jetzt wird richtigerweise der gemeinsame Antritt eines Weltkonzerns propagiert“, sagte Wulff. „Aber offenbar ist dieser richtige und notwendige Strategiewechsel noch nicht allen Beteiligten gegenüber überzeugend und deutlich kommuniziert worden. Das ist wenig zielführend“, so Wulff.
Grundsätzlich offen zeigte sich Wulff für den Einstieg eines arabischen Investors. „Hier ist rein gar nichts präjudiziert. Es gibt aber eine privilegierte Partnerschaft Niedersachsens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und gute Erfahrungen mit arabischen Investoren. Wenn viel Geld für Öl am Golf ausgegeben wird, haben wir berechtigtes Interesse daran, dass ein Teil des Geldes zurückfließt“, sagte Wulff. „Der Anteil von Porsche/Piech am Gesamtkonzern könnte sinnvollerweise bei 50 Prozent als Mehrheitsaktionär liegen. Niedersachsen besitzt weitere 20 Prozent der Aktien. Dann blieben noch 30 Prozent Aktien in Streubesitz“, so Wulff. „Da sind wir wie in der Vergangenheit offen für die ganze Welt. VW muss als Weltkonzern auch weltweit interessant für Kapital sein. Der Grund dafür ist notwendige Liquidität, vor allem in der Krise. Wer keine Liquidität hat, bekommt Probleme – das zeigt jetzt das Beispiel Porsche doch sehr überzeugend“, fügte der CDU-Politiker hinzu
Staatliche Hilfen für Porsche, etwa aus dem von der Bundesregierung aufgelegten „Wirtschaftsfonds Deutschland“, lehnte Wulff entschieden ab. „Ich halte die Vorstellung für absurd, dass ein Unternehmen, das im letzten Jahr mehr Gewinn als Umsatz gehabt hat, in diesem Jahr Staatskredite verbürgt bekommt“, so Wulff. „Der Steuerzahler wird kein Verständnis haben, wenn Kredite, die für Krisenbewältigung gedacht sind, an Unternehmen gehen, die damit Komplettübernahmen finanzieren und absichern wollen“, sagte Wulff dem Handelsblatt.