"Wir müssen gemeinsam wieder zu einer unabhängigen Notenbankpolitikzurückkehren und zu einer Politik der Vernunft", sagte Merkel amDienstag in Berlin.
"Ansonsten stehen wir in zehn Jahren wieder genauan diesem Punkt." Sie beobachte mit "großer Skepsis" etwa dieVollmachten der US-Notenbank Fed und den Kurs der Bank of England.Beide Notenbanken haben mit einer alternativen Geldpolitik und demmassiven Ankauf von Staatsanleihen versucht, die Wirtschaftwiederzubeleben.
"Und auch die EZB hat ja auch mit demPfandbriefaufkaufen sich schon dem internationalen Druck etwasgebeugt", sagte Merkel.
---> WSJ Germany Blasts 'Powers of the Fed'
---> Daily Mail (UK) Angela Merkel blasts Bank of England for printing money
--->FT: Berlin's approach is lacking credibility --->Merkel fires broadside at central banks
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Die Rede der Bundeskanzlerin:
sehr geehrter Herr Präsident, lieber José Manuel Barroso,
sehr geehrter Herr Präsident, lieber Hans-Gert Pöttering,
sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Janez Janša,
sehr geehrter Herr Premierminister, lieber Jean-Claude Juncker,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren!
Als deutsche Bundeskanzlerin ist es für mich eine ganz besondereFreude, heute hier in Frankfurt mit Ihnen zusammen den zehntenGeburtstag der Europäischen Zentralbank feiern zu können. Vor fast60 Jahren wurde an diesem Ort schon einmal ein gutes StückWährungsgeschichte geschrieben, als die D-Mark eingeführt wurde. IhreEinführung, verbunden mit einem sehr bemerkenswerten Dialog zwischendem amerikanischen General Clay und Ludwig Erhard, markiert dieAufhebung der Preisbewirtschaftung und die Geburtsstunde der SozialenMarktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Erst durch dievöllig neu gewonnenen wirtschaftlichen Freiheiten und eine stabileWährung wurde das, was wir im Rückblick das deutsche Wirtschaftswundernennen, möglich.
Vor zehn Jahren wurde in Frankfurt erneut Währungsgeschichtegeschrieben und damit auch währungspolitisches Neuland betreten. DieGründung der Europäischen Zentralbank war ein Schritt von großerTragweite für uns alle in Europa. Historisch war sie absolutkonsequent, denn viele weise Männer und Frauen hatten bereits nach demEnde des Zweiten Weltkrieges darauf hingewiesen, dass Völker, die durcheine Währung miteinander verbunden sind, nie wieder Krieg gegeneinanderführen werden.
Es war – auch das muss man sagen – zunächst ein Schritt, derzumindest in Deutschland vielen gar nicht einfach gefallen ist, denn erbedeutete den Abschied von der D-Mark, die für die Deutschen damalseine Währung voller Symbolkraft für Stabilität und Wohlstand war.Aber – das ist das schöne an dem heutigen zehnten Geburtstag – dieGeschichte hat die Bedenken eindrucksvoll widerlegt. Die Einführung desEuro und die Europäische Währungsunion sind bereits heute ein großerhistorischer Erfolg. Wir in Deutschland – das darf ich sagen – sindstolz darauf, die Heimat der Europäischen Zentralbank zu sein.
Es gibt keinen Zweifel: Unsere Gemeinschaftswährung hat in denvergangenen zehn Jahren zu Wachstum, Wohlstand und Prosperität inEuropa beigetragen, denn der Euro hat in kurzer Zeit das auf sichvereint, was anfangs noch viele bezweifelt haben, nämlich Vertrauen –Vertrauen in die Stabilität und Verlässlichkeit alsGemeinschaftswährung; Vertrauen ist ihr größtes Kapital.
Dieses Vertrauen in den Euro ist für mich zuallererst einVertrauen in die Europäische Zentralbank. In den Verträgen haben wirgemeinsam festgelegt, dass die Europäische Zentralbank sowohlunabhängig als auch vorrangig dem Ziel stabiler Preise verpflichtetist. Beides gehört zusammen. Beides ist sozusagen unverzichtbareGrundessenz unseres funktionstüchtigen Währungssystems. Beides war undist nach meiner festen Überzeugung auch entscheidende Voraussetzung fürdie breite Akzeptanz des Euro in Wirtschaft und Gesellschaft. Das giltauch für die Zukunft.
In Deutschland haben wir in unserer Geschichte erfahren, wiewertvoll und wichtig ein stabiles Preisniveau ist. Die dramatischenFolgen der Hyperinflation in den 20er Jahren bleiben unvergessen. DieLehre aus der Vergangenheit war und ist: Ohne stabile Preise könnenMarkt und Wettbewerb nicht verlässlich funktionieren. Ohne stabilePreise verlieren Spareinlagen an Wert. Kapital wird abgezogen. Zugleichverschlechtern sich die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen. Ohnestabile Preise setzen steigende Lebenshaltungskosten vor allem Beziehergeringer Einkommen unter Druck. Ohne stabile Preise sinkt letztlich dasVertrauen in die Zukunft.
Das alles zeigt: Preisstabilität ist kein Selbstzweck, keintechnischer Begriff, sondern eine elementare Voraussetzung für Wachstumund Wohlstand, denn sie schafft einen verlässlichen Rahmen für Leistungund Wettbewerb und zugleich Chancen für die Teilhabe aller. Gerade beieiner Währung, die von vielen Nationalstaaten geteilt wird, ist diesvon allergrößter Bedeutung. Preisstabilität zu sichern, ist damit einzutiefst soziales Anliegen. Die Verpflichtung der EuropäischenZentralbank auf das Ziel der Stabilität der Preise ist damitunabdingbar. Sie mit Unabhängigkeit auszustatten, damit sie Geldpolitikin diesem Sinne verlässlich gestalten kann, ist absolut folgerichtig.
Natürlich ist eine starke Notenbank für Politiker nicht immerbequem. Ich stimme aber mit unserem früheren Bundeskanzler Helmut Kohlüberein, der dazu – übrigens vor zehn Jahren ebenfalls in Frankfurt –gesagt hat: "Der Ärger eines Bundeskanzlers oder der desFinanzministers oder der der ganzen Regierung kommt und geht. Solangedie Stabilität aber bleibt, haben alle einen Vorteil davon." – Ichfreue mich, dass Mitstreiter wie Theo Weigel und Hans-Dietrich Genscherheute unter uns sind.
Die Europäische Zentralbank hat ihren Auftrag zu unser allerGlück und Vorteil von Anfang an sehr ernst genommen. Dabei hat sievöllig zu Recht immer auf die Aufgabenteilung zwischen ihr und denMitgliedstaaten geachtet. Zweifellos ist für die Geldwertstabilität dasHandeln aller wirtschaftspolitischen Akteure von großer Bedeutung.Somit entlässt die gemeinsame Geldpolitik die Mitgliedstaatenmitnichten aus ihrer Verantwortung, das Notwendige zu tun, um ihrejeweilige internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dazu gehörtauch, mit soliden öffentlichen Finanzen zu einer stabilen Entwicklungin Europa beizutragen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ausmeiner Sicht dafür unverzichtbar und das richtige Instrument.
Meine Damen und Herren, der Euro ist nicht nur einwirtschaftlicher Erfolg. Er wirkt auch weit über den Rahmen derGeldpolitik hinaus. Heute zahlen etwa 320 Millionen Menschen mit dergleichen Währung. Damit teilen sie etwas Alltägliches. Das stiftetIdentität. Das stiftet europäische Identität. So ist der Euro auchSymbol und Motor des Zusammenwachsens und Zusammenlebens in Europa.Sein Wirken nach außen steht seinem Wirken nach innen in nichts nach,denn der Euro steht zugleich für ein starkes Europa, dessen Stimme inder Welt Gewicht hat. Was wir im Vertrag von Lissabon im Bereich derAußenbeziehungen anstreben, ist uns in Währungsfragen bereits gelungen.
Ich denke, wir können stolz auf unsere gemeinsame Währung undihre Institutionen sein. Aufgrund weltweit steigender Rohstoff- undEnergiepreise sowie der jüngsten Finanzmarktentwicklungen haben dieHerausforderungen für die gemeinsame Geldpolitik wohl eher zu- alsabgenommen. Umso beruhigender ist es zu wissen, dass wir mit derEuropäischen Zentralbank eine Institution haben, die alles daransetzt,den Euro auch in Zukunft als Stabilitätsanker zu festigen. Wir solltenalle dazu beitragen, dass die Europäische Zentralbank ihrem Auftragweiter mit Erfolg nachgehen kann. Das sollte aus meiner Sicht dieBotschaft des heutigen Tages sein.
Herr Präsident Trichet, Ihnen, Ihren Mitstreitern sowie IhrenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünsche ich auch für die Zukunft einerfolgreiches Wirken.
Lieber Jean-Claude Juncker, dich bitte ich, für uns alsMitgliedstaaten in kluger und die Unabhängigkeit der EuropäischenZentralbank achtender Weise ein guter Partner zu sein.
Alles Gute für die Zukunft.