Demstaunenden Bürger stellt sich im Zuge der Finanzkrise immerhäufiger die Frage, warum Organe einer Gesellschaft wegenerwiesenen - und hier zudem öffentlich eingestandenen -Versagens, nicht des Feldes verwiesen werden.
Die Vorstellung desneuen VW-Polo am 11. Mai auf Sardinien nutzte Porsche-Gesellschafterund VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch zu „einerHinrichtung für Porsches Management“. Eckhard Schimpf,Reporter der Braunschweiger Zeitung, berichtete direkt aus Olbia.
AnPiëchs Seite: VW-Vorstandschef Winterkorn, BetriebsratschefOsterloh und Staatssekretär Glaeseker als Vertreter vonNiedersachsens Ministerpräsident Wulff. Die Runde seisich so einig, dass „kein Blatt zwischen uns passt“, soPiëch. „Eine warme Abendsonne streichelte die Grate derSardischen Berge und ließ das Meer smaragdgrün schimmern.Und plötzlich plauderte er. Und jeder Satz ist eine Waffe.Messerscharf: „Porsche ist ohne Innovationskraft. Die neueHolding wird ihren Sitz in Wolfsburg haben. Winterkorn und ichhaben gern das Sagen. Überall. Ich weiß nicht, wiehoch die Schulden bei Porsche sind. Die Herren dort ließen sichschon immer ungern in die Karten sehen. Es ist mir nie gelungen,Klarheit über die Risiken der Optionsgeschäfte zugewinnen. Man versicherte mir stets, alles sei in Ordnung. Ich habedann erst über den VW-Finanzvorstand, Herrn Pötsch, davonerfahren. Und das ist auch nicht der richtige Weg. Herr Pötschist nun deutlich, deutlich kreditwürdiger.“ O-Tönedes Porsche-AR-Mitgliedes Piëch.
DieKrönung der öffentlichen Hinrichtung der eigenen Firmastand jedoch noch bevor. Auf die Frage, wasPorsche bei einem Verkauf wert sei, verkündete Piëch: „ElfMilliarden Euro sind sicher einige Milliarden zu hoch gegriffen.“So zu lesen im Handelsblatt und im Tagesspiegel. Für dieseZeitungen schrieb Marc Schneider aus Olbia. „Einige“ stehtgemeinhin für „mehrere, paar“. Anderen Zeitungen schreibenauch von „ein paar Milliarden“. Wann hat man derartigeÄußerungen eines Gesellschafters zum Wert der eigenenFirma je gehört? Und das alles in der Öffentlichkeit.Mit den Pflichten eines Organs einer AG - Vorstand und Aufsichtsrat -sind derartige Aussagen komplett unvereinbar.
Nun wäre dasalles kein Beinbruch, wenn die Porsche AG dem Porsche/Piëch-Clanallein gehörte. Dort ist man Kummer gewöhnt. Die beidenFamilien besitzen zwar 100 Prozent der stimmberechtigtenStammaktien. Die Vorzugsaktien sind indes weit gestreut. DieseAktionäre und auch die Porsche-Mitarbeiter werden PiëchsÄußerungen juristisch definitiv anders werten als dieClan-Mitglieder. Es geht um „einigeMilliarden Euro“.
Am16. Mai erfuhr sodann der SPIEGEL-Leser, zwischen den FamilienPorsche und Piëch gäbe es „nachInformationen des SPIEGEL heftige Auseinandersetzungen um dieÄußerungen von VW-Patriarch Piëch am Rande einerPolo-Präsentation auf Sardinien. Wolfgang Porsche und andereMitglieder des Clans fürchten, dass Piëch den möglichenPreis, den ein Verkauf der Porsche AG an den VW-Konzern erzielenkönnte, heruntergeredet habe. Auf die Frage, ob der Wert von elfMilliarden Euro für Porsche richtig sei, hatte Piëchgesagt: „Das ist sicherlich ein paar Milliarden zu hochgegriffen. „Paar“ groß geschrieben.““Das ist - fünf Tage nach der Veranstaltung auf Sardinien - eineganz neue Variante. Dazu stellen sich mindestens drei Fragen
- Warum bringt der SPIEGEL fünf Tage nach der Veranstaltung eine neue Piëch-Aussage?
- Handelt es sich eventuell um eine journalistische Gefälligkeit zur juristischen Schadensbegrenzung? D. h. soll durch die Festlegung auf die Zahl Zwei (Paar groß geschrieben) der Schaden aus Sicht der Porsche-Vorzugsaktionären begrifflich reduziert werden?
- Was sagt der Deutsche Presserat zu einer derart kreativen Nachrichtengestaltung?
Inzwischen wurde bekannt, dass VW im März 2009 der Porsche AG einen Kredit in Höhe von 700 Mio. Euro zur Verfügung stellte. Es ist zumindest anzunehmen, dass Porsche-AR-Mitglied Piëch in seiner zweiten Funktion als VW-AR-Chef diesen Deal mit abgesegnet hat.
Glaubt man seiner Aussage auf Sardinien, so tat er dies in völliger Unkenntnis der finanziellen Situation bei der Porsche AG. Das wiederum ist aus Sicht der VW-Aktionäre nicht akzeptabel. Dem staunenden Bürger stellt sich im Zuge der Finanzkrise immer häufiger die Frage, warum Organe einer Gesellschaft wegen erwiesenen - und hier zudem öffentlich eingestandenen - Versagens, nicht des Feldes verwiesen werden. Sollte die Meldung des Presse-Organs SPIEGEL vom 16. Mai dazu gedient haben, das Organversagen in einer Aktiengesellschaft durch die Manipulation einer öffentlichen Aussage zu verschleiern, hätten wir es gar mit doppeltem Organversagen zu tun.