Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat am vergangenen Donnerstag in einem Brief ihre nordrhein-westfälische Ressortkollegin Roswitha Müller-Piepenkötter(CDU) gebeten, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Thomas Middelhoff, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der angeschlagenen Arcandor AG, zuprüfen.
Nach Informationen des SPIEGEL schreibt Zypries, sie sei „angesichts der laufenden Bemühungen um die Rettung der Arcandor AG sehr beunruhigt“ über Presseberichte, die sich mit den „Immobiliengeschäften der Arcandor AG unter … Middelhoff“ befassten. Dabei geht es um Beteiligungen Middelhoffs und seiner Ehefrauan Immobilienfonds, die Gebäude zu außergewöhnlich hohen Mieten an den zu Arcandor gehörenden Karstadt-Konzern verpachten.
Die Zeitungsartikel allein reichten jedoch nicht aus, um „ein strafbares Verhalten von Herrn Middelhoff – etwa wegen Untreue“ zu behaupten. Deshalb müsse der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden. „Ich würde es sehr begrüßen“, so Zypries an Müller-Piepenköttter, „wenn durch die zuständige Justiz ihres Landes Klarheit überdie juristische Bewertung der Vorgänge geschaffen werden könnte“.
Zudem weckt ein bislang unbekanntes Papier aus der Arcandor-Zentrale Zweifel an Middelhoffs Glaubwürdigkeit im Zusammenhang mit den Immobilien-Fonds. Denn die überteuerten Mieten, die Karstadt an die Fondszeichner der von der Privatbank Sal. Oppenheim und dem Projektentwickler Josef Esch aufgelegten Fonds überweist, sollten durch eine Beteiligung des Warenhaus-Konzerns an zukünftigen Immobiliengeschäften der Josef Esch Fondsprojekt GmbH kompensiert werden.
Als Esch sich weigerte, das Unternehmen, das damals noch KarstadtQuelle hieß, mit ins Boot zu nehmen, lehnte es Middelhoff ab, gegen den Projektentwickler juristisch vorzugehen. Sein Argument: Zwei Justitiare seines Konzerns hätten ihm, mangels Erfolgsaussichten, von einer solchen Klage abgeraten.
In einem 22-seitigen Gutachten, das der ehemalige Syndikus des Konzerns, Bernd-Volker Schenk, mit Datum vom 8. November 2006, an Middelhoff schickte, liest sichdas anders.
Wenn die Gegenseite aus der Vereinbarung aussteige, „muss sie mindestens die Erträge an KarstadtQuelle zahlen“ – nach Schenks Berechnungen, inklusive einiger Nebenansprüche, mehr als 110 Millionen Euro. Der Vorstand der KarstadtQuelle AG müsse deshalb „mit Herrn Esch vor Eintritt der Verjährung entweder ein Verhandlungsergebnis erzielen oder aber die Forderung verjährungsunterbrechend gerichtlich geltend machen“ – also klagen.
Karstadt-Warenhäuser haben Mieten nicht gezahlt
Offenbar hat der Arcandor-Konzerninzwischen Probleme, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.Ende vergangener Woche war die Lage bei der Arcandor-Tochter Karstadtallem Anschein nach so angespannt, dass das Unternehmen nicht mal mehrdie Miete für seine Warenhäuser zahlen konnte– oder wollte.
Gut 20 Millionen Euro muss dasUnternehmen für seine Filialen an jedem dritten Werktag einem Monats anein Konsortium aus der Investmentbank Goldman Sachs, der DeutschenBank, der Immobiliensparte des italienischen Reifenherstellers Pirelliund der Generali-Versicherung überweisen.
Weitere rund drei Millionen fürfünf weitere Häuser an Oppenheim-Esch-Fonds. Das Geld kam amFreitag nicht an, Arcandor wollte sich zu der säumigen Mietzahlung„derzeit nicht äußern“.
Die Vermieter werden Karstadtdennoch nicht gleich kündigen. Bereits im Laufe derWoche hatten sieüber eine Stundung der Zahlungen debattiert. Vor allemArcandor-Hauptinvestor Oppenheim, aber auch Pirelli waren dazu bereit.Die restlichen Investoren aber blieben hart. „Es nützt nichts, Arcandorjetzt bei der Miete ein paar Millionen nachzulassen.
Das Unternehmen muss sich soschnell wie möglich vonunrentablen Flächen trennen, auf denen Tag fürTag Geld verbrannt wird. Dabei werden wir helfen“, heißt es aus demKonsortium. Gedacht werde an ein „finanzielleEntlastung“. Wie die genauaussehen soll, dazu wollte sich bislang niemand äußern.Guttenberg: Staatshilfe für Arcandor nur unter strengen Auflagen
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) knüpft staatliche Hilfen für den Kaufhauskonzern an strenge Bedingungen. „Die Eigentümer des Unternehmens müssen nachprüfbar bereit sein, ihr Eigenkapital zu erhöhen“, sagte Guttenberg dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL.
Zudem brauche es ein „Stillhalteabkommen der Gläubigerbanken“, andernfalls sei der Einsatz von Steuergeldern nicht zu rechtfertigen. „Wer sich jetzt mit einem nicht plausiblen Konzept zufrieden gibt, zynisch kalkulierend, ob es über die anstehenden Wahlen reicht, spielt mit dem Schicksal der Betroffenen“, so der Minister weiter, der auch die Möglichkeit einer Insolvenz in Betracht zieht: „Es wäre gut, wenn sich eine Insolvenz vermeiden ließe. Aber selbst wenn sie nicht vermieden werden kann, würden nicht plötzlich alle Mitarbeiter auf der Straße stehen. Es bestünde die Möglichkeit, das Unternehmen zu restrukturieren und Arbeitsplätze dauerhaftzu sichern.“
Minister Guttenberg bestätigte gegenüber dem SPIEGEL, dass er während der Verhandlungen über Staatshilfen für Opel vor gut einer Woche seinen Rücktritt erwogen hatte. Dann habe er sich aber doch zum Weitermachen entschieden: „Niemandem wäre damit geholfen gewesen, wenn ich mich in die Schmollecke gesetzt hätte.“ DER SPIEGEL 24/2009