Wenn Computer im Cockpit zum Risiko werden: Ließ ein Computerproblem Lufthansa-Maschine im Orkan beinahe verunglücken?
Landeanflug eines Lufthansa Airbus am 1.3.2008 in Hamburg
Hier entgeht ein Airbus knapp einer Katastrophe
Überraschende Wende bei der Untersuchung zum spektakulären Beinahe-Absturz eines Lufthansa-Airbus am 1. März 2008 in Hamburg: Wie der SPIEGEL erfuhr, ermittelt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), welche gefährliche Rolle die Flugcomputer des A320 bei dem Anflug während eines Orkans gespielt haben.
Der Airbus wird von einer Böe zur Seite gedrückt und streift mit dem rechten Flügel die Landebahn
Zunächst ging man davon aus, dassallein Windböen oder eine Unachtsamkeit der Piloten die Ursache für dasvon Hobbyfilmern aufgenommene Aufschlagen der Flügelspitze auf dieLandebahn gewesen seien. „Nun stellt sich die Sache komplexer dar“, soBFU-Ermittler Johann Reuß gegenüber dem SPIEGEL.
„Wir untersuchen selbstverständlich auch die Rolle, die das Flugzeug selbst gespielt hat.“ Nach bislang geheimen Ermittlungsergebnissen zeigte der A320 während der Orkanlandung offenbar ein unerwartetes Verhalten. Die wahrscheinlichste Erklärung: Weil ein Reifen der Maschine bereits kurz den Boden berührt hatte, schaltete der Computer von dem Anflugmodus in den Bodenmodus. Letzterer aber erlaubt keinen so starken Einschlag des Querruders, wie ihn die Piloten wegen des extremen Seitenwinds vornehmen mussten.
Der Computer griff ein, begrenzte den Einschlag – und die Flügelspitze schrammte urplötzlich die Landebahn. „Solch ein Verhalten der Maschine stand in keinem Handbuch“, kritisiert ein Pilot gegenüber dem SPIEGEL – und es steht auch heute noch nicht drin, weil Airbus sich bis zum Abschluss der Untersuchung bedeckt hält.
Dabei hätte die Landung durchaus mit einem schlimmen Unglück enden können. Fast drei Sekunden lang führte der Computer das Kommando. Erst durch das beherzte Eingreifen des Piloten, der das Flugzeug wieder in die Luft zog, konnte die über 200 Stundenkilometer schnelle Maschine eingefangen und vor dem Zerschellen bewahrt werden.