Kritik, die Banken würden sich bei der EZB Liquidität beschaffen unddiese dann bei der Notenbank anlegen anstatt sie dem realen Sektor inForm von Krediten zur Verfügung zu stellen, trat der EZB-Präsidententgegen. Ein solches Verhalten sei mit Blick auf einzelne Banken nichterkennbar. Die EZB plane zudem keinen negativen Einlagenzinssatz,wodurch das Parken von Liquidität betraft würde.
Auch mit Blick auf die Beurteilung der Konjunktur- undInflationsrisiken durch die EZB gab es keine Überraschungen. LautTrichet bleiben die Risiken in beiden Bereichen im Großen und Ganzenausgeglichen. Erwartungsgemäß kam es allerdings zu einer deutlichenAufwärtsrevision der Wachstumsprojektionen der EZB. Anstatt um -5.1%bis -4.1% dürfte das BIP im Euroraum in diesem Jahr "nur" um -4,4% bis-3,8% zurückgehen. Für 2010 erwartet die EZB eine Veränderungsratezwischen -0,5% und +0,9% (zuvor -1,0% bis +0,5%). Laut Trichet spiegeltdie Bandbreite der Projektionen die aktuell große Unsicherheit in Bezugauf die wirtschaftliche Entwicklung wider. Bei denInflationsprojektionen gab es keine nennenswerten Veränderungen. DieEZB rechnet in den kommenden Monaten mit einer Rückkehr der Inflationin den positiven Bereich. Mit 0,8% bis 1,6% dürfte diePreissteigerungsrate auch im kommenden Jahr unter der Zielgröße vonknapp 2% bleiben.
Mit der heutigen Pressekonferenz hat die EZB unseres Erachtens einklares Signal für Kontinuität gesetzt. Eine schnelle Trendwende in derGeldpolitik wird es im Euroraum nicht geben. Die Währungshüter werdenmit einer Zinserhöhung warten, bis sich die wirtschaftliche Situationim Euroraum nachhaltig gebessert hat. Unseres Erachtens ist die EZB mitihrer Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklungallerdings immer noch deutlich zu pessimistisch. EineBIP-Veränderungsrate von nur -0,5% bis +0,9% in 2010 impliziert, dassdie Wirtschaft im Euroraum bis weit in das kommende Jahr hineinstagniert. Ein solches Szenario halten wir nach den jüngstenKonjunkturdaten für wenig realistisch. Positive Überraschungen ausSicht der Währungshüter dürften damit nicht ausbleiben. Dennoch rechnenwir angesichts der sehr verhalten Inflation mit einem erstenZinsschritt der EZB nicht vor der zweiten Jahreshälfte 2010. [Marco BargelChefvolkswirt Postbank]