Im derzeit größten Pharmakorruptionsverfahren der Republik bahnt sich ein überraschendes
Ende an: Mehrere Staatsanwaltschaften stellten in den vergangenen
Wochen die Strafverfahren gegen Ärzte ein, die vom Pharmaunternehmen Ratiopharm
Geld oder Geschenke erhalten hatten. Allein in Bielefeld, Paderborn, Bochum
und ganz Hessen wurden über 200 Ermittlungsverfahren eingestellt. Die Staatsanwälte
können in der Geschenk- und Geldverteilpraxis von Ratiopharm gegenüber
niedergelassenen Ärzten keinen Straftatbestand erkennen.
Zum Hintergrund: Im Jahr 2005 war das Schmiergeldsystem des in Ulm ansässigen
Generikaherstellers aufgeflogen. Demnach konnten Ärzte eine Beteiligung in
Höhe von fünf Prozent des Medikamentenpreises erhalten, wenn sie sich bereit erklärten,
ihren Patienten künftig bevorzugt Ratiopharm-Präparate zu verschreiben. Weder
das Unternehmen noch die Ärzte haben die Vorwürfe ernsthaft bestritten.
Die Staatsanwaltschaft Ulm eröffnete rund 3000 Ermittlungsverfahren gegen Ärzte
und Mitarbeiter von Ratiopharm. Anfang dieses Jahres gaben die Ulmer Ermittler
die Akten quer durch die Republik an diejenigen Staatsanwaltschaften ab, in deren
Gebiet die Beschuldigten wohnen.
Die Staatsanwaltschaften, die nun die Ermittlungsverfahren eingestellt haben, beziehen
sich in ihrer Argumentation auf ein nichtöffentliches Gutachten von Alexander
Badle, dem Leiter der Ermittlungsgruppe Betrug und Korruption im Gesundheitswesen
bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Er hat in einem mehr als 30-
seitigen Gutachten dargelegt, weshalb die niedergelassenen Ärzte seiner Ansicht
nach nicht bestraft werden können. Ein wichtiger Grund liegt darin, dass, im Unterschied
zu Ärzten an öffentlichen Kliniken, der Korruptionsparagraf bei niedergelassenen
Ärzte keine Anwendung findet. Die Konsequenz aus Badles Gutachten ist,
dass Schecks von Pharmaunternehmen an niedergelassene Ärzte nicht strafbar
sind. DER SPIEGEL 38/2009