Interessanteshört man von Alan Greenspan. Er spricht sich in einem Interview mit demFernsehsender ABC trotz einer hohen Arbeitslosenquote gegen ein neuesKonjunkturpaket in den USA aus. Dabei geht er davon aus, dass dieArbeitslosenquote in den USA auf über 10 % steigt.
Greenspan geht auch davon aus, dass die US-Arbeitslosigkeit noch längerals sechs Monate auf dem Niveau von 10% verbleibt. Außerdem wies erdaraufhin, dass ein weiterer Anstieg der US-Arbeitslosenquote erst danngestoppt werden kann, wenn es jeden Monat einen Zuwachs von über100.000 Stellen geben wird. Davon sind wir natürlich weit entfernt,siehe Steffens Daily vom Freitag.
Trotzdemspricht er sich gegen neue Konjunkturprogramme aus, da sich solchekontraproduktiv auswirken könnten. Erst müsse abgewartet werden, wiesich die bisherigen Konjunkturprogramme in den USA auswirken, von denenzurzeit erst etwa 40 % umgesetzt wurden. Ob die US-Regierungtatsächlich so besonnen vorgeht?
Die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit
EineArbeitslosenquote von über 10 % auf Sicht von mindestens sechs Monatenwird sich auf den US-Konsum auswirken und damit besteht die Gefahr,dass es in den USA zu einem zweiten Abtauchen in eine Rezession kommt(Double Dip, siehe Steffens Daily von Freitag). Unlängst hat MohamedEl-Erian, Chef des weltgrößten Anleihefonds Pacific InvestmentManagement Co. (Pimco) darauf hingewiesen, dass man den Arbeitsmarkteben nicht nur als nachlaufenden Indikator betrachten solle, sondern erebenso ein Vorbote für zukünftige Ereignisse sei. Und genau das ist es,was ich hier seit Wochen schreibe: der US-Arbeitsmarkt hat Auswirkungenauf den Konsum in den USA und kann damit Einfluss auf dasUS-Wirtschaftswachstum nehmen.
Dieeigentliche Frage, die sich nun den Analysten stellt, ist, ob dieenormen US-Konjunkturmaßnahmen in Verbindung mit einer ebenfallsextreme Ausweitung der Liquidität diese Ausfälle zunächst einmalüberkompensieren oder zumindest abfedern können. Dabei sollte mannatürlich auch bedenken, dass ein starker Anstieg der Aktienmärkte dazuführt, dass viele US-Bürger wieder Gewinne machen. Auch diese können zueinem Teil wieder in den Konsum fließen. Zu guter Letzt sind stabileAktienkurse auch für die Unternehmen stützend. Auch das kann positiveEffekte haben.
Das dritte Eintauchen in eine Rezession (Triple Dip)
Wasaber geschieht, wenn Wirkung der US-Konjunkturmaßnahmen nachlässt bevordie US-Wirtschaft wieder ein sich selbsttragendes Wachstum generiert?Mittlerweile wird sogar ein Tripel-Dip (oder Triple U) diskutiert.Dieses dritte Eintauchen in eine Rezession wird erwartet, wenn dieZentralbanken aus ihrer monetären Stimulationspolitik austeigen.Unlängst wurde dieses Tripple Dip von Norbert Walter, Chefvolkswirt derDeutschen Bank, ins Spiel gebracht.
Wie immer sehr früh...
AlsLeser des Steffens-Daily wissen Sie schon seit Monaten, worum es sichbei dieser dritten Rezession handelt. Vielleicht hat sogar auch NorbertWalter einen Blick in die Geschichte gewagt: Nach dem ersten großenBörsencrash des vorigen Jahrhunderts im Jahr 1929 hat US-PräsidentRoosevelt ebenfalls mit großen Konjunkturprogrammen reagiert (NewDeal). Als die staatliche Stimulation aufgrund der ausuferndenUS-Staatsverschuldung zurückgeführt werden musste, kam es zursogenannten „Roosevelt-Depression“. Diese Entwicklung soll also auch inder aktuellen Krise zu dem dritten Abtauchen in eine Rezession führen.
Der falsche Zeitraum?
Ichhabe nur langsam das Gefühl, dass die Zeiträume nicht stimmen, in denendie jeweiligen Dips ablaufen sollen. Schon im 2000-2003er Crash wurdeder Faktor Zeit von allen Analysten vollkommen falsch eingeschätzt. Dasliegt daran, dass wir in einer sehr schnelllebigen Zeit leben und unssomit das Gefühl für „Zeit, die Dinge brauchen“ abhanden gekommen ist.
Rechnen Sie also damit, dass uns die ganze Krise noch wesentlich längerbegleiten wird, als die meisten Analysten prognostizieren. Diesesdritte Eintauchen könnte statt Herbst 2010 soger erst in den Jahren2011-2015 geschehen, je nachdem, was alles in der Zwischenzeit von derPolitik und den Notenbanken getant wird.
Das große Experiment
Wirdürfen bei all diesen Betrachtungen einfach nicht vergessen, dass dieNotenbanken der Welt in der aktuellen Krise vollkommen ANDERS reagierthaben als 1929. Auch die Reaktionen der Bank of Japan nach dem Platzender japanischen Immobilienblase und dem damit verbundenen Aktiencrashim Jahr 1990 sind seitdem analysiert worden und vermeintliche Fehlerwurden ausgemacht.
Dasist der Grund, warum die US-Notenbank wesentlich schneller, energischerund um ein Vielfaches umfangreicher reagierte, als die Notenbanken inallen Krisen zuvor. Wir betreten mit dieser abgesprochenen undgleichgeschalteten Reaktion Neuland! Es ist, wie ich schon mehrmalsgeschrieben habe, das größten Experiment der Welt-Ökonomie seit denAnfängen der freien Marktwirtschaft.
Eine historische Parallelität fehlt
Natürlichkann man Entwicklungen aus anderen historischen Erfahrungen immer auchableiten. Aber was wir zurzeit eindeutig nicht aus historischenEntwicklungen ableiten können, ist, wie sich diese gigantische undglobal ablaufende monetäre Stimulation auswirken wird. EtwasVergleichbares hat es in diesem Maße noch nie gegeben. Das ist diegroße Unbekannte in allen Analysen und das ist der Aspekt, der meinesErachtens in vielen Analysen sogar fehlt.
Alles ist vorstellbar, man sollte zurzeit NICHTS ausschließen
Denkt man das weiter, kann es sein, dass diese globaleStimulation erst einmal alle „normalen“ und analysierbaren ökonomischenProzesse überkompensieren wird. Damit wäre es im Extremfall sogarmöglich, dass die Aktienmärkte weiter ansteigen, als alle Analystensich vorstellen können. Dies ist nämlich zurzeit der eigentliche blindeFleck an den Börsen. Oder können Sie sich einen DAX bei 10.000 Punktenvorstellen?
Aberes kann ebenso sein, dass die Börsen schon sehr bald wieder einbrechen,eben weil sich doch die konjunkturellen Faktoren durchsetzen, so wiewir das in der letzen Woche gesehen haben. Ein, zwei schlechteMeldungen verkraftet der Markt, doch irgendwann kriegen die AnlegerAngst.
Und auch das ist selten, dass derart verschiedene Extreme vorstellbar sind.
Fazit
Es fehlen zurzeit einfach historische Erfahrungswerte.Aus diesem Grund müssen wir die Entwicklung der Daten weiter genauanalysieren. Die bisherige Entwicklung der US-Konjunkturdaten ist dabeinoch nichts weiter als eine Gegenreaktion nach dem Crash. EtwasÄhnliches gilt für die Aktienkurse.
Dadie Börse aber Vieles vorwegnehmen wird, muss ein Anleger in so einerSituation sehr genau analysieren, was der Markt macht. Interessant wirdalso zum Beispiel sein, wie die aktuelle Konsolidierung weiterverläuft. Wird sie frühzeitig gestoppt und kommt es zu neuen Hochs,muss man wieder bullish werden. Denn wir befinden uns in der kritischenZeit vor dem vierten Quartal. Neue (dynamische) Hochs wären damit einsehr positives Zeichen. Zeigen sich jedoch Schwäche-Signale, muss mansehr, sehr vorsichtig werden.
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