Die Finanzexperten von Union und FDP wollen, dass sich die neue Bundesregierung eine umfassende Reform der Mehrwertsteuer und der Gemeindefinanzen vornimmt. Ziel ist es, bei der Mehrwertsteuer die Liste jener Güter zu überarbeiten, auf die heute nur der niedrigere Steuersatz von sieben Prozent zu zahlen ist anstelle des Normalsatzes von 19 Prozent. "Ungereimtheiten zwischen verschiedenen Begünstigungen gehören auf den Prüfstand", schreibt die Koalitionsarbeitsgruppe Finanzen in ihrem Bericht an die Koalitionsspitzen, der Handelsblatt.com vorliegt.
Der niedrigere Mehrwertsteuersatz gilt für Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs, zu denen etwa Bücher, Zeitungen und Schnittblumen zählen. Die umfangreiche Liste weist allerdings viele Ungereimtheiten auf: Zum Beispiel fallen Schweineohren, die in Lebensmitteln verarbeitet werden, unter den niedrigen Satz. Landen sie im Tierfutter, sind 19 Prozent fällig. Schlachtpferde gelten als Lebensmittel, wer aber Reitpferde kauft, muss den vollen Satz berappen. Futter für Haustiere ist ermäßigt, Papierwindeln für Babies nicht. Die AG Finanzen sieht daher "Handlungsbedarf" und will eine Kommision einsetzen, die eine logische Liste erarbeitet.
Die Kommission soll sich außerdem mit dem System der Mehrwertsteuer-Erhebung befassen. Heute müssen Unternehmen die Mehrwertsteuer schon zahlen, bevor sie die Rechnung beglichen bekommen haben (Soll-Besteuerung). Aus der Wirtschaft kommt die Forderung, dass die Steuer erst fällig wird, wenn die Firma das Geld vom Kunden bekommen hat (Ist-Besteuerung). Finanzminister von Bund und Ländern fürchten bei der Umstellung einen hohen Steuerausfall. Die Kommission müsste klären, ob die Vorteile gegenüber den Nachteilen überwiegen.
Derzeit stehen die Vorschläge der AG Finanzen allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Koalitionsspitzen um Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU). Das gilt auch für den zweiten Vorschlag der Arbeitsgruppe zu den Gemeindefinanzen. "Wir werden eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung einsetzen", heißt es in dem Papier der AG. Die Kommission solle auch prüfen, ob die Gewerbesteuer durch einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer ersetzt werden könne. Eine Abschaffung der Gewerbesteuer haben in der Vergangenheit bereits mehrere Bundesregierungen versucht. Sie scheiterten allerdings jedes Mal am Widerstand der Kommunen.