Was in den USA in den letzten Jahrenpassiert ist, erinnert an die Situation in Japan nach 1990, als das Land in einenachhaltige Deflation abrutschte. Ist eine Deflation in den USA angesichtseines abwertenden Dollars und damit steigender Rohstoffpreise möglich?
Deflation? Wie soll das möglich sein?
Der geneigte Marktbeobachterwird sich fragen, wie eine Deflation in den USA angesichts einesabwertenden Dollars und damit steigender Rohstoffpreise (Stichwortimportierte Inflation) zustande kommen sollte. Zudem wirken sich dieAusweitung der Geldmenge, die niedrigen Zinsen, dieUS-Konjunkturmaßnahmen, die sich ausufernde Staatsverschuldung docheigentlich alle stark inflationär aus.
Der Vergleich mit Japan
Auf der anderen Seite erinnert das,was in den USA in den letzten Jahren passiert ist, an die Situation inJapan nach 1990, als das Land in eine nachhaltige Deflation abrutschte.Die dortige Ereigniskette ist mit der in den USA vergleichbar. EinImmobilienexzess und eine dramatische Aktienhausse brachen in sichzusammen. Durch diesen Crash wurde die Deckung der Kredite vernichtet,die den Immobilien- und Aktienboom finanziert haben. Das Bankensystemdrohte unter der enormen Last fauler Kredite zusammenzubrechen undwurde durch staatliche Maßnahmen gestützt beziehungsweise künstlich amLeben erhalten.
Niedrige Zinsen und Konjunkturprogramme ohne Wirkung
Auch damals beschlossen diejapanische Regierung und die Bank of Japan, durch niedrige Zinsen (bishin zur Nullzinspolitik) und Konjunkturprogramme die Folgen dieserKrise, die Deflation, zu bekämpfen. Das Überraschende war, dass diesjedoch nicht gelang. Bis dahin ging die Volkswirtschaftslehre davonaus, dass man doch nur die Geldpresse anwerfen müsse, und schon wirdeine hübsche Inflation erzeugt.
Entschuldungssog
Was war schief gegangen? Die Folgedes Einbruchs der Immobilien und Aktienmärkte war, wie gesagt, dassungeheure Kreditsummen plötzlich ihre Deckung verloren haben. Damitentstand sozusagen ein Sog, der wie ein schwarzes Loch im Geldsystemwirkte und die Effekte sämtlicher Maßnahmen quasi absorbierte.
Versucht eine Notenbank dieGeldmenge anzutreiben, wird sie es zum Beispiel über die Leitzinsentun. Niedrige Leitzinsen erleichtern den Banken die Kreditaufnahme vonder Notenbank. Sie werden also mehr Geld nachfragen. In der Theoriesollten sie dieses Geld in Form von Krediten an Unternehmen undKonsumenten weiterreichen, sonst verdienen sie daran ja nichts. Somiterhöht sich die Geldmenge - normalerweise.
Zurzeit nutzen die Banken dieZentralbankkredite jedoch, um die eigenen Kreditrisiken unter anderemauch durch die Erhöhung der Eigenkapitalquoten abzudecken. Wie manallerdings an den jüngsten Zahlen einiger Großbanken gesehen hat,scheinen diese auch einen nicht unbeachtlichen Teil des Notenbankgeldesdazu zu verwenden, selbst an den Finanzmärkte aktiv zu werden. So wirdzurzeit Rendite erwirtschaftet, Rendite, die unbedingt gebraucht wird,um die eigene Haut zu retten.
Dadurch entsteht jedoch einbedeutendes Problem: Zurzeit kommt nur ein kleiner Teil desNotenbankgeldes dort an, wo es sozusagen Inflation erzeugt: bei denUnternehmen und schlussendlich bei den Konsumenten. Da vieleUnternehmen selbst unter der Rezession leiden, brauchen Sie Geld zurrefinanzieren. Doch die Banken können sich weitere gefährliche Kreditenicht leisten. So wird verständlich, dass trotz Niedrigzinsen dieKreditvergabe in den USA immer noch stark beeinträchtigt ist und einigeAnalysten bereits für das Jahr 2010 eine neue Kreditmarktklemmeprognostizieren.
Nun muss man nur ein wenig weiter denken
Aufgrund der ausuferndenStaatsverschuldung in den USA wird die staatliche Stimulation derUS-Wirtschaft nicht mehr lange so weitergeführt werden können. Ohnediese staatliche Stimulation muss die US-Wirtschaft zeigen, ob sie aufeigenen Füßen stehen kann. Und hier gibt es erhebliche Zweifel. Nachden Erfahrungen des New Deals (1933), eines riesigenKonjunkturprogramms nach dem 1929er Crash, wissen wir, dass die Gefahreiner zweiten Rezession besteht, sobald der staatliche Stimulus beendetwird.
Sollten die Banken jedoch mit einerRezession rechnen oder sollte diese sich sogar bereits manifestieren,wird die Vergabe von Krediten aufgrund der zunehmenden Risikenwahrscheinlich noch weiter eingeschränkt werden. In diesem Fall könntedie Kreditmarktklemme sogar noch einige Jahre bestehen bleiben. Dieswürde die deflationären Tendenzen erheblich verstärken. Kein Wunderalso, dass die Fed alles tut, um wenigstens ein geringes Wachstum zufördern und dieses auch für die nächsten Jahre prognostiziert.
Nun gibt es einige Analysten, diedavon ausgehen, dass damals im New Deal die staatliche Stimulation zufrüh eingestellt wurde. Sie hoffen, dass durch längere Stimulation dieUS-Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad gebrachtwerden kann. Selbst wenn das stimmen würde, die US-Wirtschaft hat nochein weiteres, viel schwerwiegenderes Problem.
Kapazitätsauslastung weist auf ein strukturelles Problem hin
Dieses besteht darin, dass dieKapazitätsauslastung der US-Industrie seit den 70er Jahren rückläufigist und vor kurzem wieder ein historisches Tief erreichte (sieheTrendlinie).
Hinter dieser sinkendenKapazitätsauslastung verbirgt sich ein strukturelles Problem derUS-Wirtschaft. Da ein gewisser Zusammenhang zwischen niedrigerKapazitätsauslastung und Deflation besteht, wird der Vergleich mit derEntwicklung der Leitzinsen (hier schwarz dargestellt) interessant.Nicht nur, dass die beiden Indikatoren offenbar in einem engenVerhältnis zueinander stehen (beide Kurven weisen einen gewissenGleichlauf auf), nein, es hat auch fast den Anschein, als würde die Fedbewusst oder unbewusst seit Mitte der 80er Jahre alles tun, um dendeflationären Effekt der nachlassende Kapazitätsauslastung derUS-Wirtschaft über sinkende Zinsen etwas entgegenzusetzen.
Wenn dem so wäre, bedeuten dies,dass der aktuelle Versuch der Fed, ein deflationäres Szenario wie inJapan zu verhindern, langfristig keinen Erfolg haben kann. Kurzfristiglassen sich inflationäre Impulse über die Notenbankpolitik erzeugen.Auch in Japan stieg die Inflationsrate in den Jahren 1995 bis 1997wieder an. Doch das war nur ein kurzer Effekt. Nach diesem kleinenAnstieg rutschte Japan aber vollends in eine Rezession ab.
Fazit:
Auch wenn Sie zurzeit fast ausschließlichvon Inflationsszenarien lesen. Die Entscheidung ist noch lange nichtgefallen. Kurzfristig ist mit einem Anziehen der Inflation durchaus zurechnen. Mittel- bis langfristig überwiegen aber nach wie vor, trotzall der Aktionen der Fed und der US-Regierung, die deflationärenGefahren.
Die Folge für die Börsen könntensein, dass nach dieser Rally, wie weit sie auch noch gehen mag, einstärkerer Einbruch kommen könnte. Anschließend dürften die US-Märktefür viele Jahre in einer breiteren Seitwärtsrange vor sich hindümpeln,ähnlich wie der Nikkei die letzten knapp 20 Jahre. Hoffen wir also,dass es den USA doch noch irgendwie gelingt, das Deflationsgespenst zuvertreiben, z.B. durch einen beherzten Abbau der Überkapazitäten in derUS-Industrie bzw. die konsequente Umgestaltung hin zu neuen,zukunftsweisenden Technologien bei gleichzeitiger Abkehr von derAbhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
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