Das Auftreten von Monsterwellen
DieHauptgründe der Zunahme der Instabilität an den internationalenFinanzmärkten in den letzten Jahrzehnten waren das Wachstum derInformationstechnologie, die Globalisierung, die Monopolisierung derBanken und die Sekuritisierung von Anlageformen aller Art. Insbesonderedie Unsitte, sich neues Geld zu leihen, um alte Schulden zu bedienen,ist ein typisches Phänomen für ein Ponzi-Schema, welches sich in vielenBereichen der Finanzmärkte manifestiert hat. Bereits in den 50er Jahrendes letzten Jahrhunderts schrieb der Ökonom Hyman P. Minsky überfinanzielle Instabilitäten in den Märkten, die nicht – wie viele meinen– durch exogene Schocks, sondern vielmehr aus dem System selbst heraus,d.h. endo, entstehen. Deshalb gab es für ihn eigentlich keine Phasendes Gleichgewichts, sondern nur der Ruhe, so wie auf hoher See, wo eseinen relative ruhigen Wellengang geben kann bis Phasen derInstabilität in Form von hohem Seegang oder Monsterwellen diese Ruhestören.
Hohe Kreditaufnahme = grösseres Pleite-Risiko
DieMonsterwellen an den Finanzmärkten sind regelmässig wiederkehrendeKrisen, wobei sich gezeigt hat, dass deren Amplituden immer grösserwerden. Bereits John Maynard Keynes hatte im 12. Kapitel seines Buches"Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" aufdie inhärente Instabilität von Anlageentscheidungen hingewiesen. FürMinsky war klar, dass je höher die Kreditaufnahme eines Schuldners ist,desto grösser sein Risiko des Bankrotts wird. Ein Umstand, den Bankenin Erwartung eines Bailouts in den letzten Jahren schlichtausgeklammert haben. Minsky betonte, dass hohe Staatsdefizite zwarDepressionen zu vermeiden helfen, sie damit jedoch gleichzeitig einechronische Inflation heraufbeschwören. So konnte das Scheitern desKapitalismus 1929 und während der Grossen Depression zwar durch einegrosse Beteiligung der Regierung an der Wirtschaft und an grossenBanken abgewehrt werden.
Offshore geparkte Risiken
Aberhätte es überhaupt soweit kommen müssen? Das Problem liegt hierbeiwiederum in den ökonomischen Theorien, die grosse Verwerfungen in derWirtschaft nicht erklären können, da diesen Theorien keineAnalyseinstrumente zugrunde liegen für nichtlineare Überlagerungenunterschiedlicher Trends, die sich jederzeit aufschaukeln können. Daauch noch wichtige Gesetze des New Deal (wie z.B. der Glass SteagallAct) wieder abgeschafft wurden, war es kein Wunder, dass derUS-Häusermarkt innerhalb eines Jahrzehnts in ein globales Spielcasinoverwandelt werden konnte. Ein Ponzi-Schema, wie es der Namensträgernicht besser hätte erfinden können. Wenn man eine ganze Ökonomie demWohlwollen von Geldmanagern überlässt, braucht man sich nicht zuwundern, wenn diese zu Tode geleveraged wird und Gier sämtliche Risikenbeiseite wischt. Man braucht sich dann auch nicht zu wundern, wennkriminelle Bilanzakrobatiken Einzug halten und diese Risiken in deneigentlichen Bilanzen nicht mehr auftauchen, sondern inausserbilanziellen Tochtergesellschaften geparkt werden. Wer glaubt,dass sich an diesem Treiben etwas ändern wird, so lange Bailouts undriesige Konjunkturprogramme die Szene beherrschen, der hat dieHandlungsmaxime von Kapitalsammelstellen nicht begriffen. Diese lautet:"Handle stets so, dass Du deine Profite maximierst und im Falle desScheiterns deine Verluste auf den Steuerzahler abwälzen kannst."
Zunahme der Krisenstärke
Ausgehendvon der Kreditklemme von 1966 und den Penn Central Railroad Kollaps von1969 bis 1970 – verbunden mit einem Run auf den Commercial Paper Markt– ist auch in den nachfolgenden Krisenjahren von 1974 bis 1975, von1979 bis 1980 sowie von 1982 bis 1983 eine Eskalation nur durch einemassive Einflussnahme des Staates verhindert worden. 1974 gingen dieUnited States National Bank of San Diego und die Franklin National Bankin New York (die bis dato grösste US-Bankenpleite) in den Konkurs undin der Folge kam es zu einem grossen Bankensterben. Grund für diesesDesaster war der Boom in Real Estate Investment Trusts (REITs), der zueinem klassischen Bubble führte. Mit dem Freibrief, den dieUS-Notenbank Federal Reserve damals wie auch bereits in den 60er Jahrenausstellte um das Bankensystem zu retten, wurde zugleich derGrundsstein gelegt für den zunehmend spekulativen Charakter derFinanzmärkte und die Verschuldungskrise der Dritten Welt in den 80erJahren. 1982 ging die Penn Square Bank of Oklahoma City bankrott undder mexikanische Peso kollabierte. Ähnlich wie 2008, als die Bank ofAmerica Merrill Lynch übernahm, wurde die Penn Square durch dieÜbernahme der Seafirst of Seattle Bank 1982 nicht wirklich stärker,zumal die Seafirst nach dem Penn Square Debakel ebenfalls ums Überlebenkämpfte.
Krisen nicht auflösen, sondern verhindern
DerartigeÜbernahmen schaffen lediglich monopolartige Monsterbanken, dienachfolgende Krisen in ihrem Ausmass massiv verstärken. 1984 bis 1985musste die Continental Illinois Bank of Chicago reorganisiert und dieRefinanzierung Argentiniens geschultert werden. Ohne staatlicheEingriffe oder die letzte Geldgeberfunktion ("Lender of Last Resort")der Notenbanken wäre es nicht möglich gewesen, diese Krisen in denGriff zu bekommen. Die viel entscheidendere Frage ist jedoch nicht, wieman diese Krisen löst, sondern wie man deren Auftreten frühzeitigverhindern kann. Letztendlich ist eine Ökonomie ein sozialerOrganismus, der sich aufgrund von gesetzlichen Rahmenbedingungen durchErfindungen und Innovation evolutionär weiterentwickelt. Wenn manExzesse verhindern will, so muss man die Risiken, die durchFinanzinnovationen ausgelöst werden, abschätzen können. Gelingt diesnicht, hat eine Ökonomie keine negativen Rückkopplungen sprichRisikohedges mehr und degeneriert zu einem nur noch auf positivenRückkopplungen basierenden Ponzi-Schema.
Nur Stabilität verhindert Inflation
Diebesondere Aufgabe, die den Finanzmarktaufsichten und denKontrollgremien von Bilanzen zukommt, ist, es wie es Minsky ausdrückte,Instabilitäten zu stabilisieren. Gelingt dies nicht, kommt es immerwieder zu schweren Rezessionen oder sogar Weltwirtschaftskrisen. Dochnicht nur der plötzliche Zusammenbruch der Aktienkurse ist ein Zeichenvon Instabilität, es gehört auch zu den Merkmalen von instabilenSystemen, dass die Aktienkurse quasi aus heiterem Himmel wieder starkansteigen können, wenn auch nur aufgrund der Einflussnahme derNotenbanken und des Staates. Ob ein solcher Turnaround nachhaltig ist,hängt jedoch von der gesamten Verschuldungslage ab. Verbessert sichdiese nicht und nimmt weiter zu, so kann sich die Amplitude einerAbwärtsbewegung sogar vergrössern. Geschäfte können letztendlich nurauf der Basis von Leihen und Ausleihen gedeihen, wenn genügendSicherheitsmargen für die Gläubiger bestehen. Gehen diese verloren, sokommt es unweigerlich zu einer Kreditklemme, die durchUnternehmenspleiten und Konkurse von Privatfirmen sowie durch einenstarken Anstieg der Arbeitslosigkeit noch weiter verschärft wird.
Monster-Bubbles
Krisen werdenimmer dann besonders forciert, wenn es zu einem grossen Anstieg derkurzfristigen Verbindlichkeiten kommt. Verschlechtern sich dieErwartungshaltungen für die Zukunft, können diese zu einemDamoklesschwert für die Ökonomie werden. Deshalb versuchen viele Bankenin Zeiten der Krise wieder verstärkt auf mittel- und langfristigeRegierungsanleihen zu setzen und kürzen das kurzfristige Verleihen vonGeld, was zwar die Finanzsituation der Banken verbessert, die Ökonomiejedoch in eine Pleitewelle stürzt. Staatseingriffe mögen zwar eineErholung herbeiführen, jedoch ist dafür ein hoher Preis zu bezahlen:fallende Einkommen und fallende Vermögenswerte durch eine Ausweitungder Inflation. Immer wenn in den USA die letzte Geldgeberfunktion vonder Fed angewandt wurde, führte dies später zu massivenInflationsschüben und einer Entwertung des Dollars. Ebenso führt dereiner Krise nachfolgende Investmentboom zu neuen Finanzinnovationen,die zwangsläufig weitere Inflationsschüben und neue Bubbles mit sichziehen. Anstatt einer tiefen Depression, die die Übertreibungen undSpekulationen aus dem Markt vertreiben würde, wählen Notenbanken undPolitiker lieber eine chronische Inflation – so werden in der Endphaseder Systemkrise Monster-Bubbles erzeugt.