Bundespräsident Horst Köhler hat von der Bundesregierung „ergänzende Informationen“
zum umstrittenen „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen
Inhalten in Kommunikationsnetzen“ erbeten. Erst nach Auswertung der
Reaktion der Regierung will er entscheiden, ob er das von der bisherigen
Familienministerin Ursula von der Leyen initiierte Gesetz unterschreibt oder nicht.
Zahlreiche Rechtsexperten betrachten das Internetsperrgesetz als verfassungswidrig.
Auch Rechtspolitiker der neuen Regierungskoalition wie Max Stadler (FDP)
halten es für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Im Koalitionsvertrag hatten Union
und Freidemokraten vereinbart, das Sperrengesetz vorläufig nicht zur Anwendung
zu bringen. Ein von Bundestag und Bundesrat verabschiedetes Gesetz kann jedoch
nicht einfach zurückgezogen werden. Gesucht wird nun ein juristisch korrekter Ausweg:
Möglich wäre etwa, dass Bundestag und Bundesrat eine neue Regelung verabschieden,
mit dem das Gesetz über die Internetsperren wiederaufgehoben wird.
Köhler könnte warten, bis dieses Änderungsgesetz bei ihm eingeht, dann könnte
er dieses ausfertigen – und das Internetsperren-Gesetz hätte sich erledigt. Der Berliner
Staatsrechtslehrer Ulrich Battis hielte ein solches Vorgehen im vorliegenden
Fall sogar „für sinnvoll“, vor allem unter dem Gesichtspunkt, eine „unnötig“ gewordene,
weil politisch nicht mehr gewollte Norm „zu vermeiden“. Die Regierungskoalition
könnte sich damit zugleich aus einem anderen Dilemma befreien:
Eine Nichtanwendung des Gesetzes, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, so Battis,
sei „hochproblematisch“. Wäre das Gesetz erst einmal ausgefertigt, könnte die
Bundesregierung es allenfalls für unanwendbar erklären, „wenn sie es für verfassungswidrig
hält“. Der Schwarze Peter liegt nun bei der Regierung, nicht beim Präsidenten.
DER SPIEGEL 49/2009