Einer der Hauptbeschuldigten in dem Verfahren der Bochumer Staatsanwaltschaft gegen eine Bande mutmaßlicher Wettbetrüger, der Kroate Marijo C., hat nach Erkenntnissender Fahnder offenbar noch am Abend vor seiner Verhaftung versucht, ein Spiel zu kaufen.
Am 18. November hielt sich C. in Lugano auf, wo das U-21-LänderspielSchweiz gegen Georgien stattfand. Dort soll er dem Schiedsrichter dieser Partie, dem Bosnier Novo Panic, 50 000 Euro übergeben haben. Panic wurde vorigeWoche von Schweizer Beamten zu den Vorwürfen befragt. Er behauptete, C. nichtzu kennen und bestritt, Geld erhalten zu haben.
Für den SPIEGEL war Panic nichtzu erreichen. Der Verteidiger Marijo C.s sagte auf Anfrage: „Zum derzeitigen Stand des Verfahrens will ich mich im Interesse meines Mandanten nicht äußern.“ Das Ermittlungsverfahren vermittelt eine Vorstellung davon, wie dreist im deutschen Fußballbetrieboffenbar manipuliert wird.
Beim Spiel der Regionalliga Nord zwischen dem FC Oberneuland Bremen und dem FC St. Pauli II (0:2) am 19. September, so stehtes in den Akten, habe „die gesamte Mannschaft“ der Gastgeber „eigene Wetten auf den Gegner platziert“.
Die Geschäftsführerin des FC Oberneuland zeigtesich von den Ermittlungen wenig überrascht. Sie habe während des Spiels einen anonymen Anruf erhalten, dass die Partie verschoben sei, sagte sie dem SPIEGEL.Zwei Tage später meldete sie den Verdacht beim Deutschen Fußball-Bund, doch dort hatte das Frühwarnsystem der Wettüberwacher keine Auffälligkeiten registriert.
Daraufhin ließ sie jeden Spieler eine strafbewehrte eidesstattliche Versicherung unterschreiben, nicht auf diese Partie gewettet zu haben. Derweil beschränkten sichmanche der Hauptbeschuldigten wohl nicht nur aufs Wettgeschäft. So betrieb nach Erkenntnissen der Ermittler der Türke Nürettin G., 34, auch ein illegalesSpielcasino im Osnabrücker Bahnhofsviertel.
In dem diskreten Spielclub, vor dem immer wieder Jaguars und Ferraris aus ganz Deutschland gesichtet wurden,herrschten offenbar rustikale Sitten: So soll G. mit Hilfe versteckter Kameras die Karten seiner Mitspieler ausgespäht haben, um diese beim Texas-Hold’em- oderOmaha-Poker zu betrügen.
Die Bilder wurden den Ermittlungen zufolge in einen Nebenraum übertragen, in dem ein Komplize mit dem Spitznamen „Zocker-Toni“saß, der über Mini-Ohrhörer mit G. und einem weiteren Glücksspieler, genannt „Zigeuner-Michel“, verbunden war. G.s Verteidiger Jens Meggers wollte sich zu denFalschspiel-Vorwürfen gegen seinen Mandanten zunächst nicht äußern. Der Jurist sagte, er wollte erst Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft nehmen.DER SPIEGEL 50/2009