Paul Volcker, ehemaliger amerikanischer Notenbankchef und Vorsitzender des von Präsident Obama berufenen Economic Recovery Advisory Boards, widerspricht dem regierungsamtlichen Wachstumsoptimismus in den USA: „Ich glaube nicht, dass wir schon überm Berg sind. Einen Rückfall würde ich auf keinen Fall ausschließen. Wenn wir weiter machen wie bisher und einfach nur den Konsum wieder hochfahren, laufen wir geradewegs in die nächste Krise hinein“, sagte er in einem Gespräch mit dem SPIEGEL.
US-Notenbank-Chef Ben Bernanke hatte die Rezession kürzlich für „beendet“ erklärt. Von einem selbstragenden Aufschwung könne keine Rede sein, meint dagegen Volcker: „Sowohl die Wirtschaft als auch die Finanzmärkte hängen am Tropf des Staates.“ Bei der wirtschaftlichen Talfahrt handele es sich „nicht um eine gewöhnliche Wachstumsdelle“: „Amerika muss sich ändern, wenn sich die Lage nachhaltig verbessern soll.“
Volcker empfiehlt dem US-Präsidenten, dem Beispiel Deutschlands zu folgen und wieder eine produzierende Industrie mit exportfähigen Produkten aufzubauen: „Ich finde es bewundernswert, wie es Deutschland trotz der höheren Lohnkosten schafft, immer noch eine so dominante Exportnation zu sein. Ich wünschte, wir hätten auch weniger Finanzingenieure und dafür mehr echte Ingenieure, zum Beispiel im Maschinenbau.“
Amerika brauche wieder „eine breitere Basis für eine produzierende Industrie“. Ein „Kulturbruch“ sei notwendig, so Volcker.
In der Finanzwirtschaft rät Volcker zur Entflechtung der großen Investmentbanken: „Die Banken sollen sich meiner Meinung nach weitgehend aus den Kapitalmärkten raushalten, dadurch werden sie automatisch kleiner und sind besser zu steuern, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Sie sollten die Finger lassen von Hedgefonds, von Equityfonds, vom Terminhandel und überhaupt vom sogenannten Eigenhandel, also dem Investieren und Spekulieren ohne Kundenauftrag.“
Eine Beschneidung der Unabhängigkeit der US-Notenbank, wie er derzeit vom US Kongress diskutiert wird, lehnt Volcker entschieden ab: „Jeglicher Verlust an Unabhängigkeit oder Autorität der Fed wäre eine äußerst ernste Angelegenheit für dieUSA.“ Es gehe hierbei nicht nur um Geldpolitik, sondern um das weltweite Ansehen der USA.