In einem Beitrag für die in Berlinerscheinende Tageszeitung DIE WELT (Donnerstagausgabe) vergleichtSloterdijk den Anspruch, die Industriegesellschaft auf Verzicht stattWachstum einzustellen, mit der Kirchenspaltung zu Beginn des 16.Jahrhunderts.
„Zwei Dinge sind im Augenblick gewiss“, schreibtSloterdijk, „zum einen, dass die meteorologische Reformation, derenAnfänge wir erleben, die Aussicht auf ein Zeitalter größter Konflikteeröffnet; zum anderen, dass das 21. Jahrhundert als ein Jahrmarkt derErlösereitelkeiten in die Geschichte eingehen wird, an dessen Ende sichdie Menschen nach Erlösung von der Erlösung und Rettung vor den Retternsehnen werden.“
Sloterdijk, der auch alsFernsehmoderator bekannt wurde, ist skeptisch, was dieDurchsetzungsfähigkeit der „meteorologischen Reformatoren“ angeht. „DieForderungen nach einer globalen Ethik der Mäßigung oder gar dieHoffnungen auf einen klimatischen Sozialismus“ bezeichnet er in derWELT als „illusorisch“.
Sie hätten nicht nur „die ganze Schubkraft derexpressionistischen Zivilisation gegen sich, sie widersprechen auch denEinsichten in die Triebkräfte der höheren Kulturen“. Und diese seien„ohne die Liaison zwischen dem Streben nach Selbsterhaltung und demWillen zur Selbststeigerung nicht zu denken“.
Sloterdijk streitet den Argumenten füreine Mäßigung der Menschheit, was ihren Ressourcenverbrauch und ihreEmissionen angeht, die Berechtigung nicht ab. Doch er bleibtoptimistisch, weil die „Technik ihr letztes Wort noch nicht gesprochenhat“, sie sich in mancher Hinsicht noch immer in ihren Anfängenbefinde, wie er schreibt.
Der Philosoph setzt sich in seinem Beitragauch mit dem geflügelten Wort aus dem Umweltschutz auseinander, denMenschen stünde nur eine Erde zur Verfügung. „Wir wissen noch nicht,welche Entwicklungen möglich werden, wenn Geosphäre und Biosphäre durchdie intelligente Technosphäre und Noosphäre (in der die Menschheit zueinem Geist zusammenwächst, d. Red.) weiterentwickelt werden. Es istnicht a priori ausgeschlossen, dass hierdurch Effekte auftreten, dieeiner Multiplikation der Erde gleichkommen.“