Da! Ein Boot tuckert heran, Menschen kommen an Land. Es sind Fotografen, Kameraleute, Reporter. Viele tragen Flip-Flop Sandalen mit einer kleinen Deutschlandfahne darauf. Josef Kleindienst hat sie ihnen an Land geben lassen, er hat die Journalisten heute nach Deutschland eingeladen. Er ist Österreicher und hat Deutschland gekauft. Und die Niederlande. Und die Schweiz. Und Schweden. Und Österreich und das anliegende St. Petersburg. Heute gibt er seine Pläne bekannt: „Hier“, und er zeigt auf den Muschelkalk-Sand unter seinen Sohlen, „hier werden die Sylt-Villas gebaut.“ Er kneift die Augen zusammen, blinzelt in die Sonne und zeigt auf die Nachbarinsel, genau so klein und öde: „Dort sind die Niederlande, das wird die Partyinsel mit Bars und Discos.“ Er schwenkt den ausgestreckten Arm weiter: „Auf Österreich wird das Sissi-Hotel entstehen. Weitere Villen in St. Petersburg, zwischen Schweden und der Schweiz bauen wir das schwimmende Deutschland-Hotel. Schweden ist die größte Insel, dort kommen mehrere Hotels, Appartement-Häuser und Restaurants hin. ’Herz von Europa’ haben wir das ganze Projekt getauft.“
Der Mann muss irre im Kopf sein, denken sich jetzt viele der Journalisten. Vier Kilometer von hier, auf festen Wüstengrund in Dubai, sind die Immobilienpreise um 50 Prozent gepurzelt, Zigtausende haben ihre Arbeit verloren, Hotels haben die Preise gesenkt, um überhaupt noch ein Weihnachtsgeschäft zu realisieren. „Bei allem Respekt“, fragt der Reporter von der Financial Times aus London, „glauben Sie im Ernst, dass Sie hierfür Käufer finden?“
Aber Kleindienst macht keinen irren Eindruck, eher einen ruhigen, bedachten. Sein Lächeln ist österreichisch charmant, als er mit Wiener Akzent erklärt: „Wir zielen mit unserem Projekt auf Europäer, die auf der Suche nach exklusiven Ferienhäusern sind. Alleine in Florida haben sich 200.000 Deutsche Häuser und Wohnungen gekauft, aber hier sind sie drei Flugstunden schneller und haben einen viel kleineren Zeitunterschied – und auch 365 Tage Sonne im Jahr.“
In hundert Metern Abstand zu Deutschland kreuzt ein weiteres Boot, auf dem Rumpf prangt das Logo der staatlichen Immobilien-Gesellschaft Nakheel. Nakheel ist die Firma, die Hauptverursacher der Milliarden-Schulden von Dubai ist. Sie gehört zu Dubai World, der Holding, die in den vergangenen Wochen die Wirtschafts-Schlagzeilen gemacht und die Abstürze der Börsen weltweit ausgelöst hat. „The World“ ist nur eine von vier künstlichen Inselgruppen im Persischen Golf vor Dubai, nur die weltberühmte „Palme“ ist bereits bewohnt. Allein das Aufschütten der Inseln hat Nakheel Milliarden gekostet, Milliarden, die auf Pump beschafft wurden. Als Dubai World vor vier Wochen erklärte, es könne die Schulden vielleicht nicht pünktlich bezahlen, begann die öffentliche Dubai-Krise und das Börsen-Beben.
An Bord des Nakheel-Bootes stehen drei Männer mit Anzügen und winken zu Kleindienst herüber, der gerade von einem Kamerateam von Al Jazeera, dem arabischen Nachrichtensender, befragt wird. Das Boot kreuzt immer um Deutschland herum, die Männer kommen nicht an Land. Es ist, als trauten Sie dem Frieden noch nicht, als wollten sie lieber aus der Ferne zuschauen, wie der Österreicher sich so macht. Könnte es denn wirklich sein, dass er dort gerade die erste gute Nachricht seit langem für Dubai produziert? Dass er die Schwalbe ist, die für den nächsten wirtschaftlichen Sommer steht? Dass er tatsächlich Käufer findet für sein Deutschland und die Nachbarländer?
Kleindienst hat keine Zweifel. „Wir haben schon drei Sylt-Villen verkauft, zwei Hamburger und ein Schwede haben zugeschlagen“, sagt er und findet es witzig, dass einer der Hamburger Kunden auch ein Haus auf dem echten Sylt hat, „in ein paar Wochen wird Deutschland ausverkauft sein, da bin ich sicher.“ Die Preise für die Villen starten bei einer Dreierviertel Millionen Euro und gehen rauf bis 2,5 Millionen. Die neuen Besitzer können das Design mitgestalten. Jede Villa wird mit Solarstrom versorgt. „Die produzieren mehr Energie, als sie brauchen“, sagt Kleindienst und freut sich wie ein Kind darüber, „das speisen wir dann in das Netz ein. Wir arbeiten eng mit dem Fraunhofer Institut zusammen, damit das Herz von Europa umweltschonend gebaut und betrieben wird.“ Die erste Sylt-Villa soll in 15 Monaten fertig sein.
Unter den Fotografen macht sich Unruhe breit, einer der Fernsehleute hat eine Deutschlandfahne mitgebracht: jetzt wollen alle das Foto mit Kleindienst, dem Besitzer von Deutschland, vor der Fahne haben. Aber der Fernsehmann will die Fahne nicht teilen. Mürrisch ziehen sich die Fotografen in das weiße Party-Zelt zurück, das Buffet tröstet sie: Wiener Schnitzel, „German Kartoffelsalat“, Apfelstrudel und Currywurst vom Rind. „Unglaublich“, sagt der Mann vom Hotel, der das deutsche Essen auf die Sandbank namens Deutschland geschafft hat. „Die Brezeln waren in 20 Minuten weg. Wir hatten ja nur mit 40 Besuchern gerechnet...“ Es sind 70 geworden, vor Beginn der Veranstaltung musste das Boot etliche Male hin- und her tuckern. Die Medien, so scheint es, sind hungrig auf gute Nachrichten aus Dubai.
Sieben Jahr lang hat Kleindienst in Dubai und der umliegenden Region schon Immobiliengeschäfte gemacht, viel Geld mit Villen, Bürohäusern und Hotels verdient. „Dubai bleibt einer der begehrtesten Orte der Welt. Und es gibt ja sonst keine Ferienhäuser hier – der Bedarf ist so groß.“ 600 Millionen Euro bräuchte er umgerechnet, um sein Europa im Persischen Golf zu entwickeln, 180 Millionen davon stecke er aus eigener Tasche ’rein, erklärt er. „Die letzte Rate für diese Insel habe ich vorige Woche an Nakheel überwiesen“, er greift nach der Fahne und steckt sie spielerisch in den Sand. „Ich bin jetzt der stolze Besitzer von Deutschland!“