Wirtschaftsforscher fordern EU-Insolvenzverfahren für bankrotte Mitgliedsländer. Viel heiße Luft von führenden Ökonomen. Am Ende dürfte den Griechen dennoch auf Kosten der Gemeinschaft aus der Misere geholfen werden. Für die EU gilt damit: Fehlverhalten, Lüge und Betrug lohnt sich. Deutschland zahlt.
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland haben sich vordem Hintergrund der möglichen Staatspleite Griechenlands für einEingreifen der Europäischen Union ausgesprochen.
Er hoffe zwar, dasskeinem der hoch verschuldeten EU-Mitgliedsstaaten geholfen werdenmüsse, es also zu keinen sogenannten Bail-Outs komme, sagte derKonjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, am Dienstagim Gespräch mit Handelsblatt Online. Denn die Anreizeffekte dürftenseiner Ansicht nach verheerend sein. „Daher könnte es grundsätzlichsinnvoll sein, über eine Insolvenzordnung für EU-Mitgliedernachzudenken, auch um den Finanzmärkten eine Richtschnur zu geben,womit sie rechnen müssen.“
Allerdings sei er skeptisch, ob dieskurzfristig politisch umsetzbar sei. „Solche Regeln entscheidet manbesser, wenn das Wasser nicht gerade einigen Beteiligten bis zum Halssteht.“
Ähnlich äußerte sich der Forschungsdirektor fürInternationale Makroökonomie am Deutschen Institut fürWirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, Ansgar Belke. „Die Idee einesgeordneten Insolvenzverfahrens weist insofern Vorteile auf, als diesdie Reaktion der EU auf mögliche Staatspleiten innerhalb derGemeinschaft transparent und kalkulierbar machen würde“, sagte BelkeHandelsblatt Online.
Im Fall Griechenlands dürfe ein solches Verfahrenaber nicht zur Anwendung kommen, da eine weitere Destabilisierung anden Finanzmärkten die Folge wäre. Belke wies in diesem Zusammenhangdarauf hin, dass mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens derSchuldner das Recht verliere, über sein Vermögen zu verfügen. „Einesolche Nachricht würde Marktteilnehmer, die in griechischeStaatsanleihen investiert haben, extrem verunsichern.“
Im Gegensatzdazu warnten der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IWKöln), Michael Hüther, und der Direktor des Instituts für Makroökonomieund Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, bei Handelsblatt Onlineeindringlich vor finanziellen Hilfen für Griechenland. "SouveräneNationalstaaten verlieren auch als Teil einer Währungsunion nicht dasRecht und die Pflicht, autonom für ihre finanzpolitische SituationSorge zu tragen“, sagte Hüther.
Die Bail-Out-Regelung in derEuropäischen Währungsunion folge diesem Grundsatz und solle vorfalschen Anreizen bewahren. „Eine Solidarhaftung darf es nicht geben.“Ähnlich verhalte es sich mit einem Insolvenzverfahren. „EineInsolvenzordnung für Staaten, die abschätzbar einen Hair-Cutorganisiert, würde letztlich in gleicher Weise wirken und die Staatenzu anhaltender Disziplinlosigkeit verleiten“, gab Hüther zu bedenken.
Im Ausnahmezustand müsse und werde auch, wie im Falle Argentiniens,eine Lösung gefunden werden. Eine solche Situation müsse aber für diebetreffenden Staaten „richtig schmerzhaft sein, denn sie haben innationaler Verantwortung über ihre Verhältnisse gelebt“
IMK-ChefHorn nannte es ausgesprochen kontraproduktiv, wenn in der derzeitigenSituation ein staatliches Insolvenzverfahren etabliert würde. „DieMärkte würden das als Indikator dafür sehen, dass eine Insolvenzoffenbar unmittelbar bevorstünde“, warnte der Ökonom und fügte hinzu:„Dies würde eine Panikwelle mit unübersehbaren Folgen für deneuropäischen und globalen Zahlungsverkehr in Gang setzen.“
Auchlangfristig sei dieses Instrument keine Option, da eine staatlicheInsolvenz eines Mitgliedstaates immer Rückwirkung auf die anderenhätte. „Insofern führt kein Weg an einer gemeinschaftlichen Lösungvorbei“, betonte Horn. „No-Bail-Out ist eine Fiktion.“
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