Generalmobilmachung gegen das Massensterben
Was sich in der letzten Woche in Haiti abgespielt hat ist ein Drama besonderen Ausmaßes.
Scheinbar haben die Mächtigen der Welt immer noch nicht begriffen, dass die Natur den Haitianern den Krieg erklärt hat und dass es deshalb einer Generalmobilmachung der westlichen Welt in Sachen koordinierte Hilfe bedarf, um den Menschen vor Ort zu helfen.
Es fehlen nach wie vor sauberes Wasser, Lebensmittel, schwere Räumgeräte und Tausende von Ärzten. Auch der Aufbau notwendiger Lazarette scheint völlig ungenügend um ein Mindestmass an Normalität wieder herstellen zu können.
Das Land, indem aktuell tausende von traumatisierten Kindern umherirren, versinkt in Ohnmacht und Verzweiflung und schon streiten sich die USA, Frankreich und Brasilien bereits um die Vorherrschaft in diesem bitterarmen Land.
Die Lage in Haiti ist mittlerweile so prekär und die bisherige Regierung derart überfordert, dass Präsident Préval die Hoheit für den Flughafen in Port-au-Prince an die USA abtrat. Dies muss schon deshalb zur Verstimmung führen, weil US-Truppenflüge bevorzugt Landeerlaubnis in Haiti erhalten und die Flugzeuge von Hilfsorganisationen aus anderen Ländern in die Dominikanisch Republik umgeleitet werden.
Man kann hier mit Fug und Recht von einer Annexion des haitianischen Flughafens durch die USA sprechen. Wie üblich schaffen die USA durch ihre militärische Präsenz Fakten. Dabei wird Haiti, welches wirtschaftlich für die USA bedeutungslos ist, zu einem Spielball internationaler Interessen. Was dabei auf der Stecke bleibt, ist eine koordinierte Hilfe, die wie die Berliner Luftbrücke nach dem 2. Weltkrieg eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit dem notwendigsten sicherstellt.
Humanität hat Vorrang vor allen anderen Überlegungen
Es ist ein Skandal größten Ausmaßes, dass die mächtigen Industrienationen ihren Banken mit Milliarden helfen können, wenn diese in Schieflagen geraten, jedoch erbärmlich versagen, wenn Hundertausende von Menschen sterben und mehr als 1 Million Menschen obdachlos werden. Selten hat es ein größeres Versagen der Weltgemeinschaft gegeben, die lieber in alte Kolonialzeiten zurückfällt als sich um das wichtigste zu kümmern, den Menschen in Haiti beim Überleben zu helfen.
Sicherlich trug zum Chaos auf der Insel auch bei, dass die Uno-Friedensmission im entscheidenden Moment führungslos war, da der Missionsleiter Hédi Annabi und sein Stellvertreter Luiz Carlos da Costa bei dem Beben getötet wurden.
Jedoch hätte hier die Uno schneller reagieren müssen und Führungskräfte von außen in das Land bringen müssen. Schließlich ist die Insel seit 2004 de facto ein Uno-Protektorat und schon deshalb muss die Uno die Hilfe koordinieren und nicht die USA, deren Hilfsabsichten sich womöglich als trojanisches Pferd zur Sicherung des amerikanischen Einflusses entpuppen können.
Wer glaubt den amerikanischen Lügenbaronen ihr humanitäres Gesäusel, wenn die Hilfe so schleppend und unprofessionell verläuft wie in den letzten Tagen.
Dem Suchen nach Worten, um dass unsägliche Grauen in Haiti zu beschreiben, muss eine groß angelegte Hilfsaktion unter Einsatz weltweiter militärischer Kräfte folgen, um den sterbenden Menschen so schnell wie möglich zu helfen. Wäre Haiti ein boomendes Tourismusland, wäre es von wirtschaftlicher Bedeutung für den Rest der Welt, so hätte die Weltgemeinschaft womöglich schneller reagiert.
Wann wachen die Führungskräfte der westlichen Welt endlich auf, und machen ihre Hilfsleistungen nicht von ökonomischen sondern nur noch humanitären Kriterien abhängig. Soforthilfe für die Schwerverletzten und Marshallplan für den Wiederaufbau
Erdbebenkatastrophen wie in Haiti können sich jederzeit an anderen Orten wiederholen. Deshalb wird zukünftig ein internationaler Krisenstab benötigt, der weltweit ein Eingreifen innerhalb von 48h sicherstellen kann, um möglichst viele Menschen zu retten, wenn diese unter Trümmern von einstürzenden Häusern begraben werden.
Dass wie durch ein Wunder auch am 6. Tag nach der Katastrophe immer noch Menschen lebend geborgen wurden, zeigt wie wichtig eine solche Maßnahme ist. Neben schwerem Bergungsgerät müssen auch Helikopterstaffeln sehr schnell in Katastrophengebiete verlegt werden können, um sehr schnell vor Ort Hilfe mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten leisten zu können.
Wenn sich die Hilfsgüter am haitianischen Flughafen sammeln, ohne schnell genug bei den Menschen anzukommen, offenbart dies ein ernsthaftes Logistik-Problem. Es darf nicht sein, dass sich eine hoch entwickelte Gemeinschaft von Industrienationen den Luxus leisten kann, angesichts einer Zahl von möglicherweise mehr als 100.000 Toten, bei der Verteilung der Hilfsgüter erbärmlich zu versagen.
Zwar sind Forderungen nach einer Aufbaukonferenz gerechtfertig, jedoch geht es aktuell primär um die medizinische Versorgung der vielen Verwundeten und Schwerverletzten. Dies muss höchste Priorität haben.
Wenn der Tod des 11-jährigen Mädchens Anaika St. Louis, welches 48 h in den Trümmern eingeklemmt war und dessen Fuß von einem Stahlträger zerschmettert wurde, irgendeinen Sinn haben kann, dann den, dass wir erkennen, dass die bisherige medizinische Versorgung nicht ausreicht um möglichst viele Menschenleben zu retten.
Das Mädchen starb auf dem Weg zu einem Lazarett, weil die medizinische Versorgung völlig unzureichend war. Haiti, das ärmste, elendste Land der westlichen Hemisphäre, benötigt nach dem vorrangigen Retten der Menschenleben jedoch auch einen Marshallplan zum Wiederaufbau.
Mit Spenden und Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe ist es nicht getan, es gilt ein zweistelliges Milliardenpaket für Haiti zu schnüren, damit das Land möglichst schnell wieder auf die Beine kommen kann.