Mithin drängt sich der Eindruckauf, als ob man sich in Peking noch immer von den alten chinesischenMilitärklassikern inspirieren ließe. Jene Werke von Tai Kung, Wei Liao Tzu undSun Tzu, die vor hunderten von Jahren geschrieben wurden, bestechen dadurch,dass sie den Gegner eher durch Flexibilität, Schnelligkeit, Agententätigkeit undeinem Minimum an offenem Kampf zu besiegen trachten. Statt sich durch ein großesMilitäraufgebot wie das der USA beispielsweise in Afghanistan zu binden, nutztChina seine Beweglichkeit, und macht damit aus der Schwäche eine Tugend. Chinaist vollkommen bewusst, dass es mit den Vereinigten Staaten militärisch nichtkonkurrieren kann. Ein statistischer Vergleich hilft der Betrachtung:
“Although statesidecommentary sometimes claims that Chinais a potential challenger to USmilitary power, with 2003 expenditures of only $33 billion, this isunsubstantiated. In 2003 Japan($47 B), France ($37 B), and the UK($35 B) each had higher military expenses than did China.”[1]
Im Vergleich dazu unterhieltendie USA einen Militärhaushalt im Jahre 2003, der sich auf 417 MilliardenUS-Dollar belief. Damit lagen die USA nicht nur weit vor Russland, das mit 91Milliarden US-Dollar weltweit an Rang zwei stand, sondern sie gaben für ihrMilitär mehr Geld aus als die nächsten zwanzig Nationen auf dem Globuszusammen.[2] DieKluft ging in den folgenden Jahren nur noch weiter auseinander.
Chinas Antwort ist, dass es denUSA die offenen, blutigen Konflikte überlässt; es selber verlagert sich auf diewirtschaftliche Kriegsführung in deren Windschatten. Dabei nutzt es aus, dasssich die USA mit ihrem globalen „Krieg gegen den Terror“ allseits unbeliebtmachen. Im Fokus der chinesischen Handlungen steht die Strategie, sich vorallem dort gut Freund zu machen, wo es um Öl geht. Da der amerikanischen „Krieggegen den Terror“ im Großen und Ganzen ein Öl-Krieg ist – oder jedenfalls dortstattfindet, wo das Öl nicht weit zu suchen werden braucht –, fällt beides fürdie Chinesen derzeit ideal in Eins.
Man nehme als Beispiel dieausgezeichneten Erfolge, die Peking im Irak einfährt (MMNews berichtete[3]).Besonders interessant ist daran die Tatsache, dass die Schweizer ErdölfirmaAddax Petroleum von der ChinaPetrochemical Corp. (Sinopec) für knappe 8 MilliardenUS-Dollar übernommen wurde. Sinopec hat seinen Stammsitz in Peking, zählt zuden drei größten Erdgas- und Mineralölunternehmen Chinas und stand 2006 sogar aufder Spitzenposition unter den chinesischen Top-500-Unternehmen.[4] Addaxwiederum ist im kurdischen Teil des Irak engagiert[5] undhält dort Reserven im Volumenvon 42,5 Mio. Barrel. Mit einer Lizenz der kurdischen Regionalregierung fördertAddax derzeit 40 000 Barrel täglich. Nach Ausbau der Anlage des Taq-Taq-Ölfeldessoll die Produktion 70 000 Barrel betragen.
Entsprechend wurde die Transaktion zwischen Sinopec undAddax „von offizieller chinesischer Seite ... begrüßt: Die Übernahme passe gutin die globale Energiestrategie Chinas“, berichtete Bloomberg. „Das Land seibestrebt, die Ölversorgung zu diversifizieren. Zugang zu Vorkommen im NahenOsten und in Afrika werden ohne Zweifel die Energiesicherheit verbessern, sagteJiang Xinmin, Energieexperte bei der Nationalen Kommission für Planung undEntwicklung, der obersten Planungsbehörde in Peking.“[6]
Darüber unterschreibt China langfristigeVerträge im Iran, wie beispielsweise durch die China National PetroleumCompany, die für 5 Milliarden US-Dollar Förderrechte im South Pars-Erdgasfelderwarb.[7] SouthPars weist „mit ca. 12,5 T.m³ fast die Hälfte“ aller iranischenErdgasreserven auf. „Das South Pars Feld ist die Fortsetzung des katarischenNorth Field, mit dem gemeinsam es die weltweit größte Kohlenwasserstoffakkumulationbildet (mit >17 Gtoe Reserven eines der wenigen Felder der Kategorie ,megagiant’).“[8] DesWeiteren ist China erfolgreich in den Ölstaaten Süd-Amerikas präsent, unterhältbeste Beziehungen mit Russland, dem derzeit größten Erdölexporteur der Welt, zeigtsich auf Öl-Einkaufstouren in den zentralasiatischen Republiken wie Kasachstan,taucht zum gleichen Zwecke in Singapur und Syrien auf, und verzeichnet selbstin Afghanistan große Fortschritte. Das Land am Hindukusch ist nicht nur alsTransitgebiet für die geplante Öl- und Gaspipeline von Turkmenistan nachPakistan/Indien äußerst interessant, sondern auch als Lieferant von Kupfer.
Allein das Kupferwerk in der Nähevon Aynak verspricht in den nächsten 25 Jahren über 11 Millionen Tonnen andiesem gefragten Gut hervorzubringen – das entspräche rund 1/3 der bekanntenchinesischen Reserven. Kein Wunder, dass die China Metallurgical GroupCorporation 3,4 Milliarden US-Dollar für die Förderrechte bot – jeweilsmindestens eine Milliarde mehr, als die Mitbieter aus den USA, Kanada, Europa,Russland und Kasachstan.[9]
Michael Wines stellt für die NewYork Times diesbezüglich fest:
“While the United States spends hundreds of billions ofdollars fighting the Taliban and Al Qaeda here, China is securing raw material forits voracious economy. The world’s superpower is focused on security. Itsfastest rising competitor concentrates on commerce.
S. Frederick Starr,the chairman of the Central Asia-Caucasus Institute, an independent researchorganization in Washington, said that skeptics might wonder whether Washingtonand NATO had conducted “an unacknowledged preparatory phase for the Chineseeconomic penetration of Afghanistan.”[10]
Dass China langfristig orientiertist und seine Triumphe im Stillen sucht, kann man auch darin erkennen, dass esdas tut, was es tun muss, will es in Zukunft im Verbund mit anderen Nationen einenWährungskorb zusammenstellen, in dem Öl gehandelt wird: es kauft in großenMengen Gold. Bill Murphy, Vorsitzender des Gold Anti-Trust Action Committee,schätzte das chinesische Engagement auf dem Goldmarkt wie folgt ein, als er vonMMNews dazu befragt wurde:
“According to mysources, Chinawill be in the market for years to come and will be buying in size and asquietly as possible.”[11]
Chinas weise Schritte, um sich(öl-)wirtschaftlich abzusichern, rufen in Washington wachsende Unruhe hervor.David Shear, leitender Angestellter im Außenministerium für Ostasien- undPazifikbeziehungen, erklärte auf der jüngsten Sitzung des House Armed ServicesCommittee, dass sich die USA intensive Gespräche mit den Chinesen “at very senior level“ führten, und zwarsolche “on the subject of energysecurity, in which we have raised our concerns about Chinese efforts to lock upoil reserves with long term contracts.“[12]
Die amerikanischen undchinesischen Ölinteressen müssen irgendwann aneinander geraten, da sie infolgendem Konkurrenzverhältnis stehen, wie sich aus einem Diagramm ergibt, dasssich im National Energy Policy-Report der Bush-Cheney-Regierung aus dem Frühjahr2001 findet:
„Ein Diagramm, das denNettoverbrauch an Erdöl in den USA und die Eigenproduktion in ihrer zeitlichenEntwicklung darstellt (...). An diesem Diagramm ist abzulesen, dass dieEigenproduktion von Erdöl von etwa 8,5 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2002auf 7 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2020 absinken wird, während derVerbrauch von 19,5 Millionen auf 25,5 Millionen Barrel pro Tag ansteigen wird.Das bedeutet, dass der Anteil der Importe oder anderer Quellen für Erdöl von 11Millionen auf 18,5 Millionen Barrel pro Tag erhöht werden muss. Die meisten derin der NEP [National Energy Policy, der Bericht der Energy Task Force, vom Mai2001] enthaltenen Empfehlungen zielen auf die Beschaffung dieser zusätzlichen7,5 Millionen Barrel pro Tag ab, die dem Gesamtverbrauch von China und Indienzusammen entsprechen.“[13]
Bei sinkendem Angebot undsteigender Nachfrage sind wir freilich beim Thema Peak Oil angelangt. Rescoe Bartlett, einrepublikanischer Kongressabgeordneter, der in Washington als “Peak Oil’s man on Capitol Hill” gilt,sagte auf der oben erwähnten Sitzung des House Armed Services Committee laut upstreamonline.com,“...he wasworried that the Chinese were ‘aggressively buying up oil all over the world’and might not share it with other countries in the future.”[14]
In diesem Zusammenhang erinnerteMichael C. Ruppert, der frühere Herausgeber von From the Wilderness (FTW),jüngst daran, dass er Anfang 2005 mit Rescoe Bartlett in dessenAbgeordnetenbüro saß.:
“He had made posterboard enlargements of two maps I hadjust published at FTW. He had also enlarged a couple of charts by Matt Savinar.My maps showed how international and geostrategic competition was brewing overdiminishing oil reserves. One focused on the world and one solely on Africa.. Congressman Bartlett asked me what I thought was comingnext. It was clear that Chinawas in play everywhere. I pointed at Venezuelaand the Caribbean, and West Africa. I said,"Proxy Wars". The next day Bartletttook my two my maps and Savinar's charts into a private one-on-one meeting withGeorge W. Bush.”[15][16]
Ruppert verweist auf Landkarten,die sich unter diesem Link finden lassen: www.fromthewilderness.com
Das ironische an der Geschicht’: Ruppertveröffentlichte 2004 mit “Crossing the Rubicon“ ein Buch, in dem auf mehr als670 Seiten die These vertreten wird, „dass die USA 9/11 manipuliert oder garselber inszeniert haben, Dick Cheney ist sein Hauptverdächtiger.“[17]
Und das Motiv für die Tat? LautRuppert jedenfalls: Peak Oil.
Quellen:
[1] siehe WilliamR. Clark: “Petrodollar Warfare: Oil, Iraq and the Future of the Dollar“, New SocietyPublishers, GabriolaIsland, 2005, Seite 12.
[3] vgl.Lars Schall: „Russland macht ernst (...und China ebenso)“, veröffentlicht aufMMNews am 7. Januar 2010 unter:
[4]vgl. „Chinas Top-500-Unternehmen 2006“,veröffentlicht von China Economic Net am 4. Juni2006 unter:
Darin hieß es: „Der chinesischeUnternehmensverein hat heute zum fünften Mal die Liste der Top-500-Unternehmenveröffentlicht. Sinopec, StateGrid, CNPC, die Industrial and Commercial Bank of China, China Mobile, ChinaLife, China Southern Power Grid, China Construction Bank, China Telecom undBank of China stehen auf dem Spitzenrang.”
[5] vgl. Iraq will double exports to China to satisfy thirst for oil”,veröffentlicht in The Times am 23. Dezember 2009 unter: http://business.timesonline.co.uk
[6] :“Übernahme: Sinopecsichert sich Ölreserven im Irak“, veröffentlicht auf „Das Handelsblatt“ am 25.Juni 2009 unter: http://www.handelsblatt.com
[7] vgl. Michael Wines: “China’s Ties With Iran ComplicateDiplomacy”, veröffentlicht in The New York Times am 29. September 2009 unter:
[8] Hilmar Rempel: „Erdöl und Ergas im Iran“,veröffentlicht in “Commofity Top News“, No. 23, von der Bundesanstalt für Geowissenschaftenund Rohstoffe am 14. März 2005 unter:
[9] vgl. MichaelWines: “Uneasy Engagement. China Willing to Spend Big on AfghanCommerce”, veröffentlicht in The New York Times am 29. Dezember 2009unter: http://www.nytimes.com
[10] ebd.
[11] siehe Lars Schall: “They areabout to hit the wall”, veröffentlicht auf MMNews am 31. August 2009 unter:
[12] “US raises concern over China oil policy. The UShas expressed concern to Chinese officials about Beijing's attempts to buy up global oilreserves for the long term”,veröffentlicht am 14. Januar 2010 unter:
[13] aus Michael T.Klare: “Bush-Cheney Energy Strategy: Procuring the Rest of the World’s Oil“,Foreign Policy in Focus, Januar 2004, zitiert in Michael C. Ruppert: “In yourface”, veröffentlicht auf From the Wilderness am 29. Januar 2004 unter: http://www.fromthewilderness.com
[14] siehe Endnote 12.
[15] Michael C.Ruppert: “More Dangerous Confirmations. How Right Were We?“, veröffentlicht am22. Januar 2010 unter: http://mikeruppert.blogspot.com/2010/01/more-dangerous-confirmations.html
[17] Lars Schall: „9/11 undPeak Oil“, Interview mit Dr. Daniele Ganser, veröffentlicht auf MMNews am 11.September 2009 unter: www.mmnews.de