Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM),
Johannes Löwer, fordert Konsequenzen aus den Lieferengpässen bei Kinderimpfstoffen.
„In Deutschland ist die Impfstoffversorgung nach den Regeln des freien
Marktes organisiert“, sagt Löwer. „Ich weiß, das stößt jetzt nicht überall auf Freude,
wenn ich das sage, aber man sollte auf jeden Fall einmal über eine andere Lösung
nachdenken“, erklärt Löwer in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin
DER SPIEGEL. „Das System mit dem offenen Markt funktioniert eben nur begrenzt,
das zeigt sich bei den aktuellen Lieferproblemen.“ In England zum Beispiel werde
die Versorgung mit Impfstoffen staatlich organisiert, so Löwer: „Dort werden die
meisten Impfstoffe zentral eingekauft und auf Vorrat gelagert. Das garantiert eine
gewisse Unabhängigkeit von den Pharmafirmen.“ In Deutschland funktioniere die
Versorgung über den freien Markt dagegen nicht immer. So waren in der vergangenen
Woche Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken teilweise
nicht lieferbar. Laut Löwer, der bis vor kurzem Leiter des für die Zulassung von
Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts war, komme es in Deutschland „immer
wieder zu Lieferengpässen“ bei Impfstoffen. „Vorletztes Jahr zum Beispiel wurde
der Tollwutimpfstoff knapp; da konnten sogar zwei Firmen gleichzeitig nicht liefern.
Während der Masernepidemie in Nordrhein-Westfalen ging der Masernimpfstoff
aus“ und in der Ferienzeit auch einmal der FSME-Zeckenimpfstoff.
Ein Einkauf der Impfstoffe durch den Staat würde den gesetzlichen Krankenkassen
zudem Geld sparen, weil „die Impfstoffe deutlich billiger“ wären, so der BfArM-Präsident.
„Das derzeitige Vorgehen führt dazu, dass Impfstoffe in Deutschland teurer
sind als in anderen Ländern.“
DER SPIEGEL 7/2010