Die EU sah sich einem steigenden Euro gegenüber,welcher der Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt empfindlichgeschadet hat und gerade den schwächeren Ländern das Leben zusätzlicherschwerte. Insofern kam das"Griechenlandproblem" gerade Recht...
Es wird viel über die Länder in der EUgeschrieben, die zurzeit Schwierigkeiten haben. Mittlerweile hat sichsogar eine immer öfter verwendete Abkürzung gebildet: PIGS (engl.Schweine). Portugal, Italien oder Irland, Griechenland, Spanien. Oftist zu lesen, dass die Nachrichten aus diesen Ländern den Euroerheblich belasten. Ein Grund zur Sorge?
Charttechnisch lässt sich eine „erhebliche“ Belastung jedoch bisher wenig erkennen:
Wir sehen hier das Euro/Dollar-Verhältnis bis1980 zurückgerechnet. Man kann in diesen Verlauf einen Bereicheinzeichnen (hier grün dargestellt) in dem sich der Euro zum Dollar diemeiste Zeit aufgehalten hat. Das ist offenbar der sozusagen „faire“Bereich. Er liegt zwischen 1,05 und 1,35 Dollar. Trotz der Krise derPIGS befinden wir uns zurzeit immer noch oberhalb dieses Bereichs.
Zudem kann man einen breitenAufwärtstrendkanal erkennen (hier blau dargestellt). Auch hier befindenwir uns immer noch in der oberen Hälfte dieses Trends.
Selbst wenn man einen sehr steilenAufwärtstrend einzeichnet (hier rot dargestellt), ist dieser nochintakt. Krisen sehen meines Erachtens anders aus. Aber gut, wir könntennatürlich den Anfang einer größeren Krise sehen. Doch für ein solchesSzenario gibt es aus charttechnischer Sicht noch zu wenige Hinweise
Seitwärtsbewegung im Euro / Dollar erwartet
Schon am 10. Juni 2009 hatte ich in einerKolumne geschrieben, dass ich nach dem starken Einbruch des Euros imZusammenhang mit dem Finanzmarktcrash mit einer längerenSeitwärtsbewegung im Euro/Dollar-Verhältnis rechne. DieseSeitwärtsbewegung sollte die Kurse in den nächsten Jahren zur unterenTrendlinie des breiten Aufwärtstrends (blau) führen. AlsWiderstandsmarke hatte ich explizit auch die 1,50 Dollar Marke genannt.Doch nicht nur charttechnische Faktoren sprachen für eineSeitwärtsbewegung.
Der Abwertungswettlauf
Es war davon auszugehen, dass die Staaten inund nach der Weltwirtschaftskrise alles tun würden, um ihre eigeneWährung zu schwächen. Eine schwächere Währung wirkt sich positiv aufdie Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte auf dem Weltmarkt aus undunterstützt damit das eigene Wirtschaftswachstum. Wenn sowohl derDollar als auch der Euro abwertet, wäre eine Seitwärtsbewegung dielogische Folge. Nur was sollte eine Euroabwertung verursachen?
Gegen die Nullzinspolitik der Fed hatte dieEU oder die EZB kaum eine Chance. Zudem sprachen zu viele fundamentaleGründe dafür, dass der Dollar schneller abwertet als der Euro. Vor derEuro-Krise vermutete ich noch, dass die EU versuchen werde, dieLeitzinsen deutlich später als die USA anzuheben, um so die Rally desEuros zu stoppen.
Ein Segen, eine Krise
Die Frage, was den Euro belasten könnte, istmittlerweile geklärt. In diesem Kontext stellt sich natürlich direktdie Frage, ob die Schwächung des Euro über Themen wie Griechenland undPortugal nicht absichtlich herbeigeführt wurde. Gerade am Wochenendehat diese Vermutung neuen Nährboden erhalten: Die New York Timesenthüllte, dass Griechenland mit Hilfe von Goldman Sachs vor demBeitritt in die EU seinen Haushalt aufgehübscht hat. Ohne dieseoffenbar erhebliche Bilanzkosmetik wäre Griechenland gar nicht erst indie EU aufgenommen worden.
Gängige Praxis in der EU?
Schlimm genug, sollte man denken. AberGriechenland war nicht der einzige Staat, der sich solcher Tricksbedient hat. Auch andere Länder der EU haben ebenfalls ihre Schulden„frisiert“, um unter die Defizitquote der EU zu kommen. Die Regierungenin Belgien und Portugal verbrieften im Jahr 2001 Forderungen gegensäumige Steuerzahler, Italien nutzte zukünftige Lotterieeinnahmen undHypotheken zur Verbriefung. Und Deutschland verbriefte 2004 Forderungenauf Russland-Schulden und 2006 Forderungen an Post und Telekom fürkünftige Beamtenpensionen.
Ein einfaches Modell. Der Staat gliedertdiese Forderungen aus dem Haushalt aus und platziert sie als mitForderungen unterlegte Anleihen (Asset Backed Securities, ABS). Dieseverbucht der Staat dann nicht als Kredit. Dieses Spiel kennen wir dochso ähnlich von den Banken, die so in der Lage waren, mehr Kredite zuvergeben, als ihre Eigenkapitalquote eigentlich zugelassen hätte. Undgenau das war einer der Grundlagen für den Kreditexzess, der zurKreditkrise eskalierte.
Wenn aber die Staaten selbst ähnlich agiertenwie die Banken, versteht man, dass die Politik nicht auf diesedestruktive Praxis der Banken vorher reglementierend reagiert hat.Besonders wenn Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan selbst wiederumStaaten geholfen haben, ihren Haushalt zu frisieren. Umso interessanterist, dass viele Politiker nach der Kreditmarktkrise lauthals gegen dieBanken gewettert haben – wer im Glashaus sitzt, sollte doch eigentlichnicht mit Steinen werfen? Aber das ist ein anderes Thema.
Was wussten die EU-Staaten?
Solchen staatlichen Verbriefungen schob dieeuropäische Statistikbehörde Eurostat bereits im Juni 2007 einen Riegelvor. Wenn mehrere EU-Staaten getrickst haben und wenn sogar Eurostatbereits im Jahr 2007 darauf reagierte, ist es dann nicht naheliegend,dass die EU auch über Tricksereien in Griechenland bereits 2007Bescheid wusste, oder zumindest etwas geahnt hat? Zumal ich das Gerüchtgehört habe, dass Griechenland nicht einmal sonderlich vorsichtigvorgegangen sein soll.
Wie passt das alles zusammen? Ein mögliches Szenario
Die EU sah sich einem steigenden Eurogegenüber, welcher der Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarktempfindlich geschadet hat und gerade den schwächeren Ländern das Lebenzusätzlich erschwerte. Gleichzeitig waren andere Maßnahmen zurUnterstützung der Konjunktur, wie niedrige Zinsen undKonjunkturprogramme bereits ausgeschöpft. Das Interesse an einemschwächeren Euro, um die Wettbewerbsfähigkeit in der aktuellen Krisepositiv zu beeinflussen, muss entsprechend groß gewesen sein. Sogesehen könnte die Krise in Griechenland der EU also gerade Rechtgekommen sein, um eine nachhaltige Rally des Euros zu unterbinden.
Das würde auch erklären, warum die EU bisherkeine wirklichen Maßnahmen beschlossen hat, um Griechenland nachhaltigzu helfen. Man könnte meinen, die EU hat überhaupt kein Interessedaran, dass die Krise zu schnell vorbei geht. Das würde sich dochlediglich positiv auf den Euro auswirken.
Verschwörungstheorie
Wie hier schon geschrieben ergibt sich darausschnell eine „verschwörerische“ Theorie. Eine, die voraussetzt, dasskluge Köpfe in der EU im geoökonomischen Kontext die richtigenEntscheidungen zur richtigen Zeit getroffen hätten. Eigentlich kaumvorstellbar. Doch je mehr Nachrichten zu dieser Krise eintreffen, destodeutlicher wird zumindest, wie gelegen diese Krise der EU kommt.
Schwache Reaktion des Euros?
Schaut man sich dann wiederum den obendargestellten Euro / Dollar Chart an, verwundert es also nicht mehr,dass der Euro nicht stärker unter Druck gekommen ist. Offensichtlichsehen die großen Adressen im Devisenhandel noch nicht das nötigeGefahrenpotenzial, um größere Währungsumschichtungen einzuleiten.
Sollte diese spitzfindige Theorie stimmen undwäre sie geplant gewesen, hätte die EU endlich gelernt, sich auf deminternationalen Parkett der Tricksereien und hintergründigen Strategienim geoökonomischen Umfeld zu behaupten. Eine Fähigkeit, die angesichtsder neuen Gegner auf diesem Gebiet (z.B. China) sicherlich mehr alsnotwendig ist. Es wäre ein nahezu perfekter Schachzug, solange dieSituation nicht außer Kontrolle gerät.
Aber vielleicht hat die EU einfach auch nurim richtigen Moment „Glück“, um eine weitere Aufwertung des Euros zuverhindern. Von Glück könnte man, wenn keine Absicht dahinter steckenwürde, aus Sicht der EU natürlich nur so lange reden, wie sich aus deraktuellen Krise keine größere, die EU und den Euro nachhaltigbedrohende Krise entwickelt. Ich bin demnach gespannt, wie es weitergeht und ob weitere Nachrichten die oben genannte verschwörerischeTheorie unterstützen.
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