Mit verschlafenen Augen blinzele ich durchs Moskitonetz hinab zum Strand und traue meinen Augen nicht: Überall Soldaten!
Schwer bewaffnet mit Maschinenpistolen entsteigen die Milizen den Fluten und sammeln sich in der Brecherzone. Irgendwelche Commander erteilen hektische Befehle. Mit der Morgenruhe ist es dahin.
Ein Überfall? Ein Militär-Putsch? In der Dritten Welt muss man bekanntlich täglich mit allem rechnen.
Aber ausgerechnet um diese Uhrzeit? Und warum ausgerechnet hier, an dieser Stelle? Einsamer Strand und militärische Eroberung sind doch wohl ein Widerspruch in sich! Hätten die die Kämpfer für ihre Heldentat keine strategisch bessere Stelle aussuchen können? Aber wer weiß schon, was sich in einem Militär-Hirn abspielt?
Die Soldaten sammeln sich in kleinen Gruppen und versuchen Terrain zu gewinnen. Die Sache scheint ernst zu werden. Nur noch ein paar Meter, und dann stehen sie vor meiner Hütte.
Wildeste Gedanken schießen mir durch den Kopf. Sri Lanka, Wahlen, der umstrittene Präsident versucht seine Position mit Militärgewalt zu durchzusetzen. Ich schieße plötzlich glockenhellwach aus meinem Bett. Was tun?
Unterdessen werfen die Wellen mehr und mehr Kanonenfutter an den Strand. Furchtsam und vorsichtig tapsen die Uniformierten in kleinen Gruppen nach vorn. Schlauchbote werden am Strand in Sicherheit gebracht. Soldaten gehen mit Gewehren in Stellung. Die romantische Bucht verwandelt sich ein einen Kriegsschauplatz. Was hat das alles zu bedeuten?
In Anbetracht der Zuspitzung der Lage scheint schnelles Handeln meinerseits geboten. Noch im Halbschlaf und ohne Kaffee beschließe ich, der Sache auf den Grund zu gehen.
Todesmutig und nur in Boxershorts bekleidet, schlage ich mich durch tropisches Unterholz zum Strand – bewaffnet mit einer Kamera. Wenn schon Krieg, dann muss ich das dokumentieren. Schließlich gibt es ja eine Zeitzeugenpflicht.
In der Kampfzone angekommen, richten sich die Gewehre auf mich, die Bajonette blitzen in der Sonne. Todesangst an den Gestaden des Indischen Ozeans! Ausweglose Lage. - Wieder mal ein krasser Beweis, dass Frühaufstehen nicht lohnt. Hätte ich doch nur weiter geschlafen! Nun sieht es so aus, als wenn die letzte Stunde geschlagen hätte.
50 Meter weiter steht offenbar der Regisseur der Kriegstreiber, eine Art Oberbefehlshaber. Ob er des englischen mächtig sei, will ich wissen. Der Angesprochene bejahte.
Ich versuche ihm klar zumachen, dass ich in friedlicher Absicht komme. Er möge doch bitte seine schießwütige Meute anweisen, die Knarren in eine andere Richtung zu halten – was nach einigem Zögern zu meiner größten Verwunderung auch geschah.
Anschließend forderte ich eine Erklärung, was diese Militärinvasion an meinem Strand für eine Bedeutung habe. Der Kommandant erklärte in harschem Ton, dass es sich lediglich um eine Übung der Navy handele. Mein Auftreten in der Kampfzone wurde von seinen Zöglingen als willkommene „Feindattrappe“ angesehen. Ich bräuchte mir aber keine Sorgen zu machen, weil in den Gewehren keine Munition sei.
Ok – aber sicher könne man da nicht sein, entgegnete ich skeptisch. Jedenfalls hätte ich keine Lust, Russisches Roulette am Strand zu spielen.
Während unseres Gespräches bewegten sich die Soldaten keinen Millimeter und verharrten in einer Art Schockstarre. Alles nur Show.
Ob die Jüngelchen im Ernstfall wirklich einen Krieg gewinnen würden, wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls waren sie mit großem Eifer dabei. Doch das ganze erinnerte eher an ein Räuber-und-Gendarm-Spiel unter Erwachsenn in Uniform.
Ich wies den Kommandeur an, im weiteren Verlauf des Gefechts doch bitte meine Hütte auszusparen. Außerdem erbat ich mir einen kampffreien Korridor, damit ich unversehrt das Meer erreichen könne. Beiden Wünschen wurde stattgegeben.
Nach diesen schwierigen Verhandlungen zog ich mich zurück auf die Veranda. Hier wartete schon der Tee auf mich. Auch den Rest des Tages verbrachte ich ohne größere Verluste.