Der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof sieht eine Verletzung der Verträge des Euro-
Raums, sollten europäische Regierungen Griechenland Finanzhilfen gewähren. Das
hat der ehemalige Verfassungsrichter gegenüber dem Hamburger Nachrichten-
Magazin DER SPIEGEL deutlich gemacht. „Ich gehe nicht davon aus, dass sich europäische
Regierungen darauf verständigen, geltendes Recht zu brechen“, sagte
Kirchhof dem Magazin. Sollte es dennoch zu Finanzhilfen kommen, „gibt es das
Instrument der Organklage“, sagte Kirchhof. Fühlten sich Parlamente oder auch Abgeordnete
„in ihren Rechten verletzt, können sie das Verfassungsgericht anrufen“,
so der Jurist, der 1998 als als Berichterstatter die Verfassungsklage gegen den
Euro abgewiesen hat. Zu den Vorwürfen, Griechenland habe sich mit gefälschten
Zahlen den Zugang zum Euro erschlichen, sagte der Jurist: „Wenn es so ist, dann
gibt es einen juristisch erheblichen Tatbestand. Unter diesen Bedingungen hätte
mindestens ein Land nicht Mitglied der Währungsunion werden dürfen.“ Kirchhof
forderte die Politik auf, einen Konstruktionsfehler des europäischen Rechts zu beheben.
„Bislang werden die Kriterien aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von
der Versammlung der europäischen Finanzminister überwacht. Das heißt: Täter und
Wächter sind identisch.“ Dieses Doppelmandat habe sich nicht bewährt. In Kirchhofs
Augen muss sich der überschuldete Ägäis-Staat selbst helfen. „Was hindert
Griechenland, alle staatlichen Leistungen unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen?“,
sagte Kirchhof dem SPIEGEL. „Die Regierung könnte die Gehälter von Staatsbediensteten
und die Subventionen für Unternehmen kürzen.“