Noch geheimer als das Wirken der Notenbanken ist die "Deutsche Lebensmittelbuchkommission". Dieser in der Öffentlichkeit kaum bekannte Geheimzirkel legt "Lebensmittelbezeichnungen" fest. Ziel: Irreführung der Verbraucher. Foodwatch verlangte die Offenlegung der geheimen Sitzungsprotokolle dieses obskuren Vereins. Doch die Klage wurde abgelehnt!
Schinkenbrot muss in Deutschland keine Spur Schinken enthalten. Wersolche Festlegungen mit welchen Argumenten durchgesetzt hat, bleibtweiterhin Geheimsache. Dahinter steckt die so genannte "Deutsche Lebensmittelbuchkommission". Sie ist verantwortlich für teils äusserst irreführende Bezeichnungen bei Lebensmitteln. Ziel: Irreführung der Verbraucher.
Beispiel: "Kalbsleberwurst" muss nach diesen Richtlinien keine Kalbsleber enthalten. Für die Bezeichnung "Schokoladenpudding" genügt 1% Kakaopulver. Brot muss nicht gebacken werden, sondern wird durch Heißextrudieren des Brotteigs hergestellt. "Fruchkremfüllungen" brauchen keine Früchte enthalten, sondern bestehen ausschließlich aus künstlichen Aromen.
Die "Deutsche Lebensmittelbuchkommission" sorgt also dafür, dass Bezeichnungen für Lebensmittel legalisiert werden, die eigentlich den Tatsbestand des Betrugs erfüllen. Denn das, was dem Verbraucher suggeriert wird, ist oft nicht "drin".
Auf geheimen Treffen legt die Lebensmittelbuchkommission fest, welche Bezeichnungen benutzt werden dürfen. Wie man zu den Ergebnissen kommt, bleibt ebenfalls geheim: die Sitzungsprotokolle dieser dubiosen Kommission sind geheim, genau so wie die Teilnehmer.
Das Verwaltungsgericht Köln hat eine Klage derVerbraucherrechtsorganisation foodwatch auf Veröffentlichung dergeheimen Sitzungsprotokolle der "Deutschen Lebensmittelbuchkommission" abgewiesen (Az 13 K 119/08). "Das Lebensmittelbuchbleibt ein Buch mit sieben Siegeln", erklärte foodwatch-GeschäftsführerThilo Bode. Er kündigte an, Berufung einzulegen.
foodwatchhatte Ende 2007 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht,um eine Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle derLebensmittelbuchkommission zu erreichen.
Das in der Öffentlichkeitweitgehend unbekannte Gremium legt in seinen "Leitsätzen" so genannte"Verkehrsbezeichnungen" von Lebensmitteln fest, die für dieKaufentscheidung der Verbraucher entscheidend sind.
Dabei wurdenKonsumenten in der Vergangenheit oft irreführende Begriffe zugemutet -so wurde festgelegt, dass zusammengeklebte Fleischfasern als"Formfleisch-Schinken" und beschädigte Salzheringe als "Wrackheringe"verkauft werden dürfen oder Kalbsleberwurst keine Kalbsleber enthaltenmusste. Die Mogel-Strategie der Lebensmittelindustrie wird durch solcheDefinitionen erleichtert.
Den vom Bundesernährungsministeriumernannten 32 Mitgliedern der Lebensmittelkommission, darunterLobbyisten der Nahrungsmittelindustrie, erlegt die Geschäftsordnungausdrücklich eine "Verschwiegenheitspflicht" auf.
Die Protokolle dernicht öffentlichen Sitzungen bleiben unter Verschluss. Daher erfährtdie Öffentlichkeit nicht, wie die Entscheidungsfindung abläuft undwelche Interessen von wem vertreten werden.
An dieser Situation hatsich nichts geändert, auch wenn das Bundesernährungsministerium seiteinigen Wochen Sachstandsberichte aus den Fachausschüssen teilweise undanonymisiert im Internet veröffentlicht.
foodwatch-GeschäftsführerThilo Bode kritisierte, dass für Verbraucher weitreichende Festlegungentrotz gesetzlich verankerter Informationsrechte einfach durch ein"Schweigegelübde" in der Satzung der Kommission umgangen werden können:"Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Gericht eine sachlicheDiskussion in der Lebensmittelbuchkommission nur für möglich hält, wennsie im Geheimen stattfindet - mit diesem Argument müssten ja auch dieBeratungen und Abstimmungen im Deutschen Bundestag hinterverschlossenen Türen stattfinden."
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