Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg will heute in Freiburg in zweiter Instanz über die fristlose Kündigung der Frau entscheiden, die angeblich Maultaschen klaute, die ansonsten im Müll gelandet wären (Az.: 9 Sa 75/09). Der Fall sorgte letztes Jahr bundesweit für Aufsehen.
Die Frau war im Herbst 2009 nach 17-jähriger Tätigkeit in einem Konstanzer Altenheim entlassen worden. Ihr Arbeitgeber wertete es als Diebstahl, dass sie angeblich bis zu sechs Maultaschen mitgenommen hatte, die vom Mittagessen der Heimbewohner übrig geblieben waren.
Die Mitarbeiterin habe sich damit die Kosten für ein Personalessen sparen wollen, begründete der Arbeitgeber die Kündigung.
Die 57 jährige Altenpflegerin argumentierte dagegen, die Maultaschen hätten ohnehin weggeworfen werden sollen. Das Arbeitsgericht Radolfzell erklärte in erster Instanz die Kündigung trotz des geringen Werts der entwendeten Lebensmittel für wirksam.
Die Klage in Radolfzell ist nicht der einzige Fall, mit dem sich Richter in Deutschland befassen müssen. In jüngster Zeit hat es häufigergerichtliche Streitigkeiten gegeben, die landläufig als Petitessen oderBagatellen gesehen werden. Einige Beispiele:
- Juli 2009: Der Streit um die gekündigte Supermarkt-Kassiererin "Emmely" geht in die höchste Instanz. Wegen grundlegender Bedeutung des Falls lässt das Bundesarbeitsarbeitsgericht in Erfurt ein Revisionsverfahren zu. Der unter ihrem Spitznamen bundesweit bekanntgewordenen Berlinerin war nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos gekündigt worden. Sie soll zwei Pfandmarken im Gesamtwert von 1,30 Euro unterschlagen haben.
- Juli 2009: Ein Prozess um drei angeblich gestohlene Brötchen endet mit einem Vergleich. Das Arbeitsgericht Heilbronn hebt die Kündigung einer 59 Jahre alten Küchenhilfe eines Krankenhauses zwar nicht auf. Die Klinik wirft der Frau aber nicht länger Diebstahl vor und zahlt ihr Gehalt noch bis Ende September.
- Juli 2009: Eine Abfallentsorgungsfirma in Mannheim kündigt einem Mitarbeiter fristlos, weil der Vater zweier Töchter ein Reisekinderbett aus dem Müll mit nach Hause genommen hatte. Eine Kündigung sei unverhältnismäßig, urteilt das Arbeitsgericht Mannheim.
- Februar 2009: Wegen eines Fehlbetrags von 1,36 Euro in der Kasse wird eine Bäckereiverkäuferin in Friedrichshafen am Bodensee fristlos entlassen. Nach einem Vergleichsvorschlag des Arbeitsgerichts Ravensburg erhält sie eine ordentliche Kündigung.
- Januar 2006: Ein Arbeiter hatte Aluminiumreste aus seinem Betrieb mitgehen lassen und an ein Recyclingunternehmen verkauft. Das Argument, es habe sich um Abfall gehandelt, überzeugt das Landesarbeitsgericht Mainz nicht. Es weist die Kündigungsschutzklage ab.
- Mai 2005: Das Zerreißen von drei Briefen wird einem Postboten zum Verhängnis. Das hessische Landesarbeitsgericht bestätigt seine fristlose Entlassung. Der Briefträger hatte sein Verhalten mit einem "Blackout" angesichts privater Probleme begründet.