Die Rettungsmaßnahmen bedeuten lediglich Zeitgewinn. Nur die erfolgreiche Inflationierung verschafft etwas Luft! Gewinnen die Banken gegen die Nationalstaaten, in dem sie die Pleite dieser herbeiführen, heißt es nur noch: rette sich wer kann.
Von Martin Stephan, Chefredakteur Travel Trader
Wie geht die EU-Solvenzkrise weiter?
Erinnern Sie sich noch an die Einführung des Euros? Was war die treibende Kraft hinter der Entscheidung, die Währungen der Nationalstaaten gegen eine Kunst- als Gemeinschaftswährung zu etablieren, den ECU, einer reinen Verrechnungseinheit, unter dem Namen EURO, ins Rennen zu schicken? Waren es paneuropäische Gefühle nun endlich nur noch eine Währung benützen zu dürfen – schon wegen des Tourismus und des Warenhandels? War es die vermeintlich integrierende Kraft, die EUROpa sichtbar über die Einheitswährung, alsbald auch unsichtbar über gleiche politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Konvergenz einen sollte? Vermutlich haben Sie sich auch damals keinen Bären aufbinden lassen, denn diese Argumente sind so abgedroschen, dass sie heute nicht besser in den Ohren klingeln (sollten) als damals.
Die D-Mark muss weg!
Der Euro kam nur deshalb so früh, weil die D-Mark, bzw. der bald durch sie vertretene Hartwährungsblock innerhalb der EU endlich beseitigt werden musste. Denn nur durch die Existenz dieses Blocks fiel es auf, dass die anderen Währungen, auch über Europa hinaus, fast permanent an Wert einbüßten. Während sich Italiener, Spanier, Griechen und Portugiesen zumeist ohne murren alle drei bis fünf Jahre abwerten ließen, erlitt der Franzose fast schon eine gefühlte kriegerische Niederlage, wenn sein geheiligter „neuer Francs“ – der alte wurde bereits aufgegeben – mal wieder von der D-Mark degradiert wurde. Auch US-Dollar und Briten-Pfund befanden sich gegen die D-Mark in einem tendenziellen Abwertungskampf, jahrein, jahraus…
Der Euro wirkt schon bald wie die D-Mark
Zwar verlor die neue Währung zu Beginn Ihres kommenden Siegeszuges aufgrund von grundsätzlichen Ressentiments gegenüber der Weltwährung US-Dollar. Doch nach Tiefstkursen unter 0,80 $/€ ging es dann doch schnell über die Parität gegen 1,40 bis 1,60 $/€ nach oben. Der Euro war zur D-Mark mutiert, die EZB zur Bundesbank – und alle Europäer freuten sich, sie waren auf einmal „Wirtschaftsdeutsche“.
Konvergiert ist in der ganzen Zeit von 2002 bis heute gerade auf sozialer, steuerlicher oder gar wirtschaftlicher Ebene allerdings gar nichts. Die sich weltweit erholende Konjunktur nach der „erweiterten Dotcom-Krise“ ließ bloß alle Boote in der Zeit der schönen Wirtschaftsflut mit ansteigen, echte Belastungen gab es nie.
Doch jetzt, zum ersten Mal seit der EURO-Einführung, geht es nicht darum Überschüsse zu verteilen, sondern schlicht um das Management der Defizite, der Schulden. Und es zeigt sich erst jetzt, dass die Einheitswährung eine reine Schönwetter-Währung war, die Spannungen, Anzeichen des Versagens der strukturellen Integrität überhaupt nicht verkraften kann. Von daher ist auch das derzeit zu vernehmende Argument, „dass der Euro ab jetzt eine Weichwährung sei“ so nicht richtig. Vielmehr zeigt der Euro jetzt das Gesicht, das er immer hätte zeigen müssen, wenn die Belastungsfaktoren drastisch zunehmen.
Die EZB hat keine Wahl
Auch der Vorwurf an die EZB, sie haben „politischem Druck nachgegeben“, als sie sich zum Ankauf von Euro-Staatsanleihen entschied, ist Unsinn. Kein Politiker musste die Zentralbänker überreden oder zwingen, es fehlt schlicht und ergreifend die Alternative.
Denn nur auf diesem Weg kann die EZB ihr wirklich wichtigstes Ziel erreichen – und das ist nicht der stabile Geldwert, der sortiert sich dahinter ein. Vielmehr muss sie dafür sorgen, dass der Euro überhaupt existieren kann! Natürlich schmeckt das Vielen nicht, dass sich die europäische Währungsüberlegenheit jetzt auf einmal in Luft auflösen soll, doch genau das ist der Preis, den wir dafür zahlen, dass es in den vergangenen Jahren nicht einmal ansatzweise gelang eine echte „Union“ zu bilden.
Jeder Nationalstaat kocht weiterhin sein eigenes Süppchen, macht das was er für richtig hält, die europäischen „Partner“ kommen dann irgendwann hintendran. „Big Money“ hat sich das Spielchen jahrelang angeschaut – und gut damit verdient in Zeiten der Überliquidität. Doch der einsetzende Verteilungskampf sorgt dafür, dass Investments als höheres Wagnis wahrgenommen werden. Griechenland ist jetzt nicht mehr „Deutschland plus kleiner Renditeaufschlag“, sondern eher wie „Ägypten – mit spürbaren Solvenzabschlag“!
Es droht die Deflation und nicht die Inflation
Der jüngst implementierte Rettungsschirm der EU-Staaten weißt einen gravierendes Fehler auf, von daher wird er im Ernstfall nicht wirken. Ferner hat sich die Höhe der Schulden im Euroraum nicht verringert – durch die Rettungsaktionen werden sich diese sogar erhöhen.
Große Sparanstrengungen werden von den EU-Regierungen daher schon sehr bald unternommen werden - Steuersenkungen können sie vergessen, Steuererhöhungen werden folgen, die Solvenzkrise erfährt aktuell nur eine kurze Unterbrechung, die Angreifer formieren sich neu. Diese Gemengelage wirkt deflationär – von „Weimarer Verhältnissen“, von denen Sie ab und an lesen können, sind wir daher so weit weg wie selten zuvor.
Während die Verbraucher weder ausgeben können noch wollen, müssen die Regierungen ebenfalls sparen und Steuern erhöhen – ein Desaster – und das nicht nur hier in Europa:
Grafik: Weiterhin kommt die Geldschöpfung nicht in Tritt, sind die Geldmengen rückläufig - sogar in den USA, obwohl doch alles "so rosig" aussehen soll. Doch das ist nichts anderes als eine Lüge, der Blick auf die Charts verrät die bittere Wahrheit. Es bedarf also weiterhin der Notenbanken um den deflatorischen Tendenzen klar entgegenzuwirken!
Nur der Ankauf von Staatsanleihen durch Notenbanken
kann die Deflation noch abwenden
Der Rettungsschirm für die de facto insolventen PIIGS soll den Spekulanten klar machen: „wir halten dagegen“, doch diese Maßnahme ist allein wertlos. Käufe von Staatsanleihen durch die EZB sind aus zwei Gründen absolut erforderlich! Erstens wird so das abrutschen der Bondmärkte und damit der Zinsanstieg verhindert und zweitens führt die Notenbank jedem Verkäufer Liquidität zu. Je höher der Preis, desto höher diese Liquidität.
Auf diese Weise wird zwar nicht zwingend neues Geld für die Realwirtschaft kreiert, aber die Liquidität im Finanzsektor bleibt hoch. Die durch Bondverkäufe gewonnene finanzielle Beweglichkeit wird sicherlich von einem Teil der Investoren genutzt werden um Sachwerte zu kaufen – Bonds werden an Beliebtheit klar verlieren. Natürlich ist diese Monetarisierung der Bondmärkte durch die Notenbanken, zu Ende gedacht, inflationär, bzw. ermöglicht neue Preisblasen an den Eigenkapitalmärkten. Allerdings ist dies nicht inflationär – jedenfalls dann nicht, wenn Inflation nur als Preissteigerungen in Warenkörben wahrgenommen wird.
Die Kritiker der Bondankäufe wollen
offenbar den Systemzusammenbruch
An dieser Stelle muss aus meiner Sicht auf eine Art Paradoxon bei der Wahrnehmung dieser Krise hingewiesen werden. Natürlich ist es nichts anderes als „Schulden-Planwirtschaft“ wenn „Rettungsschirme“ aufgespannt oder Schulden durch die Zentralbank zurückgekauft werden. Natürlich kann das verdammt werden, allerdings: es ist alternativlos, wenn dieses System zumindest vorläufig erhalten bleiben soll.
Ja, sein Zusammenbruch wäre nur „fair“, aber was würde diese Fairness bedeuten? Alle Staaten wären pleite, unser Geld besäße keine Kaufkraft mehr, folglich würde keiner mehr gegen Geld handeln. Unser Gesellschaftssystem würde zusammenbrechen, Mord und Totschlag wären schon bald an der Tagesordnung – ist das auch noch fair?
Es kann doch nicht darum gehen, hier „Recht“ zu haben und deshalb den Verfall der Gesellschaft gutzuheißen. Natürlich löst die anhaltende Schuldenmacherei keine Probleme und wird uns in einigen Jahren erneut um die Ohren fliegen, aber diese Jahre, können Sie und ich nutzen, um uns auf das unvermeidliche Ende dieses Finanz- und damit Wirtschafts- und Gesellschaftssystems vorzubereiten.
Aus meiner Sicht geht es wirklich um nichts anderes als um diesen Zeitgewinn. Nur die erfolgreiche Inflationierung verschafft uns Luft! Gewinnen die Banken gegen die Nationalstaaten, in dem sie die Pleite dieser herbeiführen, heißt es nur noch: rette sich wer kann. Beachten Sie diesen Zusammenhang bitte, wenn Ihnen mal wieder jemand weismachen will, dass uns die „Pleitegriechen“ doch nichts angehen und die Notenbank doch ausschließlich dem Geldwert verpflichtet sein sollte und nicht für den Schuldenankauf.
Der Volksverrat begann vor vielen Jahrzehnten,
er startet nicht jetzt erst
Den unwissenden Bürgern und ihren medialen Sprachrohren bleiben einfach die Zusammenhänge verborgen. Da regt man sich wegen 8 Mrd. EUR deutsche Griechenlandhilfe für 2010 und weiterer 22 Mrd. EUR für das kommende Jahr auf. Es darf auch ein bisschen größer sein: immerhin soll der deutsche Anteil am Rettungsschirm rund 125 Mrd. EUR betragen. Und hier heißt es dann fast unisono: „Deutschland ist der ewige Zahlmeister“ der EU – oder auch „was gehen uns die Probleme der anderen an“. Mittlerweile habe ich aufgehört im Bekanntenkreis über dieses Thema zu sprechen. Es bringt nichts, wenn die Meinungskontrahenten erst seit Wochen das Thema Wirtschaft für sich entdeckt haben und sich deshalb für Experten halten – aber natürlich gar nichts verstanden haben.
Der jetzt angemahnte deutsche Beitrag für die vermeintliche Rettung des Euros und einige seiner Mitgliedsstaaten ist ärgerlich – aber mehr auch nicht. Machen Sie sich doch bitte bewusst, dass allein die „Privatisierung“ der deutschen Versorger seit 25 Jahren gewaltige Summen in private Hände spült, statt diese, wie zuvor in die Kassen öffentlichenen Hand zu befördern. Raten Sie doch mal, was uns allen allein die „private Existenz“ des aus VEBA und VIAG zur E.ON verschmolzene Energiekonzern jedes Jahr im Durchschnitt kostet, schauen Sie sich die Bilanzen des Oligopolisten doch an: sein Gewinn ins unser Verlust. Hier geht es um insgesamt Hunderte von Milliarden Euros, die einfach für ein Butterbrot in die Privatwirtschaft überführt wurden. Doch das Wasser und Strom ebenso wenig in privater Hand verloren haben wie Polizei und Bundeswehr, das begreift kaum einer. Vermutlich werden aber auch die Letztgenannten noch in irgendwelche private Organisationen überführt, immerhin müssen ja die Transferleistungen bezahlt werden.
Nur nicht aufregen…
Ärgern Sie sich daher bitte nicht allzu sehr über die aktuelle Geldvernichtung durch die Parteiendiktatur, sie stellt nur die konsequente Fortführung der bisher bereits stattgefundenen Perma-Veruntreuung dar. Diese Milliarden wären so wie so abgeflossen, lediglich über andere Kanäle und in nicht ganz so schneller Zeit. Und die Schuldenlast von Bund, Ländern und Gemeinden wird unaufhörlich weiter zulegen – und das ganz unabhängig von den Griechen oder anderen „Südstaaten“ der EU, denen geholfen werden muss.
Rettungsschirm mit Geburtsfehler
Was „Big Money“ über den EU-Rettungsschirm denkt, kann noch immer am Devisenkurs des Euro abgelesen werden. Derzeit werden nur noch 1,24 USD/EUR gezahlt. Warum haben die Finanzakteure so wenig Respekt vor immerhin 750 Mrd. Euro, die angeblich zur Hilfe bereitstehen wenn sie durch schwächelnde Staaten angefordert werden?
Es sind mehrere Gründe für diese Ignoranz verantwortlich. Zum einen wird schlicht bezweifelt, dass dieses Geld im Ernstfall wirklich bereitsteht. Man erwartet, dass Länder wie Deutschland am Ende doch noch einen Rückzieher machen, weil irgendwelche Bedingungen nicht erfüllt seien. Zweitens stört, dass dieses Geld nur durch neue Verschuldung im Ernstfall kreiert werden kann. Drittens und aus meiner Sicht entscheidend ist aber das Prozedere der Unterstützung dafür verantwortlich, dass dieser Schirm nicht ernst genommen wird.
Zwar ist es aus Sicht der geldgebenden Regierungen nachvollziehbar, dass diese auf den ersten Blick hohen Beträge nicht in einen Pool, der durch Brüssel gemanagt wird, fließen und sich die Mittelverteilung damit der Kontrolle der Geber entzieht. Daher allerdings auf bilaterale Vereinbarungen zu bestehen, durch die die Unterstützung geregelt werden soll, ist nicht zweckdienlich.
Wenn ein Land wie Portugal tatsächlich in Schwierigkeiten geraten sollte und dringend die zugesagten Mittel einfordert, werden die Märkte den Beteiligten nicht die Zeit geben durch eine Vielzahl an bilateralen Verträgen über voraussichtlich Tage bzw. Wochen die benötigten Gelder aufzutreiben. Folglich wird am Ende dann doch nur aus der Not hastig unterschrieben – oder der Notleidende rutscht in die Pleite. Leider bin ich mir sicher, dass die Investoren wie Hedge-Fonds diese konzeptionelle Schwäche bereits erkannt haben und nur zu begierig darauf warten, diese aufzudecken.
Der nächste Angriff auf einen Euro-Staat ist daher aus meiner Sicht bereits eine ausgemachte Sache, fragt sich nur wer und wann! Leider werden auch diese beiden Fragen sehr schnell eine Antwort erhalten und dann wird alles sehr schnell gehen. Man kann nur hoffen, dass sich die involvierten „Experten“ inzwischen so gut in die Denk- und Funktionsweise der Märkte eingearbeitet haben, dass sie die zumindest dümmsten Fehler vermeiden und am Ende die Abwehrschlacht siegreich bestreiten können.