Jakob Tanner: Die Schweiz braucht ein neues Geschäftsmodell. "Die Schweiz wird aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht wieder zur Steueroasen-Normalität zurückkehren können, die sie im 20. Jahrhundert praktizierte".
In einem großen Essay in der ZEIT widmet sich der bekannte Historiker Jakob Tanner dem wirtschaftlichen Erfolgsweg, den die Schweiz in den letzten zwei Jahrhunderten durchschritt - und er kommt zum Schluss, dass nun eine Zäsur ansteht: Das nationale Geschäftsmodell, mit dem das Land im 20. Jahrhundert erfolgreich war und reich wurde, habe sich überholt.
Die abgeschotteten Schweizer Unternehmen wurden zur Öffnung gezwungen, und auf der anderen Seite müssen die offenen Türen für Flucht- und Schwarzgelder geschlossen werden. Eine Alternative gebe es nicht.
"Die Schweiz wird aus einer ganzen Reihe von Gründen nicht wieder zur Steueroasen-Normalität zurückkehren können, die sie im 20. Jahrhundert praktizierte", schreibt der Zürcher Professor in der Schweizer Ausgabe der ZEIT. "Dasselbe gilt für die wirtschaftliche "Festung Schweiz", die längst geschleift ist".
Geschleift wurde diese abgeschottete Industrie-Landschaft seit den 1980er Jahren -unter Führung von Christoph Blocher. Für Jakob Tanner betrieb Blocher "die Liquidation der wirtschaftlichen "Festung Schweiz" ohne Rücksicht auf Verluste an symbolischem Nationalkapital. Sein so erworbenes Vermögen habe er genutzt, um in die seit den beginnenden 1990er Jahren halb verlassenen Ruinen des schweizerischen Geschichtsmythos zu investieren."
Die Verteidigung der liberalen Steueroasen-Politik, so Tanner, "führt nur noch von Kommunikationspannen zu Politpossen. Man kann in einer Welt, in der die Finanzmarktkrise die Krise überschuldeter Steuerstaaten verschärft, nicht erwarten, dass Erklärungen ankommen, die darauf hinauslaufen, man sei halt ein freies Land, in dem mit Steuersündern liberal umgegangen werde."
Eine Schlussfolgerung des Historikers: Die wiederkehrende Idee, dass es genüge, dem Ausland die Schweiz nur gut zu erklären - diese Idee funktioniere im 21. Jahrhundert kaum noch.