Russen buhlen bei Merkel um Infineon. Kreml dringt auf Einstieg des Mischkonzerns Sistema beim Münchner Chiphersteller. Russen wollen 29% an Infineon
Hamburg, 27. Juni 2010 – Nach mehreren gescheiterten Versuchen will Russland nun über das Bundeskanzleramt Zugriff auf den Chipkonzern Infineon bekommen. Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin haben in Gesprächen mit Angela Merkel hartnäckig insistiert, dass der russische Mischkonzern Sistema bei Infineon mit 29 Prozent einsteigen darf.
Das Kanzleramt hat sich daraufhin nach Informationen der Financial Times Deutschland (Montagausgabe) bereit erklärt, als Vermittler aufzutreten. Merkel habe das Ansinnen grundsätzlich positiv aufgenommen und zugesichert, Gespräche mit dem Konzern erleichtern zu wollen. Die Kanzlerin hat ihren Wirtschaftsberater Jens Weidmann beauftragt, die Lage bei Infineon zu sondieren. „Druck werden wir aber nicht aufbauen“, versicherte ein Regierungsvertreter.
Die Russen versuchen seit Langem, ihre Wirtschaft stärker mit der deutschen Industrie zu verzahnen. Sie werben seit Jahren um den Dax-Konzern mit 25 000 Mitarbeitern und zuletzt 3 Mrd. Euro Umsatz, sind aber immer abgeblitzt. Nachdem die russische Sberbank mit dem Versuch gescheitert war, beim Autobauer Opel einzusteigen, seien die Regierenden in Moskau „stinksauer“, so ein Insider.
Nun beharrt der Kreml auf einem Einstieg bei Infineon. „Es ist der Wunsch Putins, an unsere Technologie zu kommen“, sagt ein Infineon-Manager der FTD. Die Russen könnten Infineons Knowhow für den Aufbau eines eigenen Navigationssatelliten-Netzes dringend gebrauchen. Das Glonass-Netz des russischen Militärs soll kommerziell nutzbar gemacht und zu einem Rivalen des US-Systems GPS ausgebaut werden.
Die Infineon-Spitze hält dies für vorgeschoben. Viel interessanter für die Russen seien Infineons Pass- und Verschlüsselungstechnik, die sich auch militärisch nutzen ließen, so die Vermutung. Einen Sistema-Einstieg betrachtet der Konzern als Sicherheitsrisiko.