Heiner Geißler: „Diese Koalition passt nicht in die heutige Zeit“. Mit Siechtum werde er sich nicht abfinden. - Früher habe es in der Politik „mehr gebündelte Intelligenz“ gegeben, „nicht nur ökonomische Intelligenz, sondern auch kreative, soziale, metaphysische, ethische Intelligenz."
Der langjährige CDU-Politiker Heiner Geißler hadert mit der Politik der schwarz-gelben Koalition. „Dieses Sparpaket regt mich innerlich auf, es macht mich traurig. Vor allem, wenn ich sehe, dass meine Partei hier Opfer des Koalitionspartners war“, sagte der 80-Jährige in einem Interview mit dem Magazin PLAYBOY. „Wir stehen mit einem Bein, mit dem FDP-Bein, immer in der Vergangenheit, in der Zeit vor der Finanzkrise. Diese Koalition passt nicht in die heutige Zeit.“ Das Sparpaket könne so nicht bleiben. „Wegen solcher Kompromisse haben wir schon mal eine Bundestagswahl verloren.“ Auf die Frage nach einem Kompliment für FDP-Chef Guido Westerwelle antwortete Geißler: „Er kann gut reden. Aber er setzt diese Fähigkeit meistens für die falschen Zwecke ein.“
Unzufrieden zeigte sich Geißler auch mit dem politischen Nachwuchs. „Wir haben heute zu viele betriebswirtschaftlich desorientierte Yuppies in den Jugendorganisationen“, sagte er PLAYBOY. Früher habe es in der Politik „mehr gebündelte Intelligenz“ gegeben, „nicht nur ökonomische Intelligenz, sondern auch kreative, soziale, metaphysische, ethische Intelligenz. Das hängt auch damit zusammen, dass sich der Nachwuchs der politischen Parteien verändert hat. Einer wie Philipp Missfelder, der wäre früher als Vorsitzender der Jungen Union undenkbar gewesen!“
Sich selbst hätte Geißler nach eigenen Worten auch das Amt des Bundespräsidenten zugetraut. „Ich glaube, das hätte ich gekonnt“, sagte er PLAYBOY. „Im politischen Establishment hat sich niemand an mich gewandt. Aber aus der Bevölkerung habe ich viele E-Mails bekommen von Leuten, die gesagt haben: ‚Warum machst du es nicht?’ Das war ganz witzig … .“
Der leidenschaftliche Bergsteiger gestand in PLAYBOY, dass bei ihm wohl eine Schraube locker sei. „Ja natürlich, gemessen am normalen Menschen. Manche Schrauben wiederum sind fester als bei anderen. Man geht in die Berge, weil das schön ist und spannend.“ Beim Bergsteigen werde der ganze Mensch gefordert. Er fühle sich trotz einiger Wirbelsäulenoperationen wegen eines Gleitschirmunfalls „nach wie vor fit“ und spüre das Alter nicht wirklich. Älterwerden sei allerdings nichts Positives. „Ich weiß nicht, was daran vorteilhaft sein soll. Wirklich nicht. Das Alter schönzureden ist offizielle Heuchelei. Es gibt viel Altersarmut.“ Er könne wenige Glücksmomente für den älter werdenden Menschen erkennen.
Angst habe er weniger vor dem Tod, als vor Siechtum oder Demenz. „Das wäre eine Katastrophe“, mit der er sich nicht abfinden werde, sagte der 80-Jährige PLAYBOY. „Dann würde ich mit einer Schachtel Rohypnol auf den Gletscher gehen, mich warm anziehen, das Zeug schlucken und mich dann in eine Gletscherspalte runterlassen. Dann bin ich zunächst einmal da, wo ich hingehöre.“