Die Nachrichten, die besagen, dass die Arbeitslosenquote in den USA auf „bloß“ noch 9,5% gefallen sei, scheinen eine Verbesserung unserer düsteren Wirtschaftsaussichten anzuzeigen. Doch die Realität sieht leider anders aus.
Von Marshall Auerback / Übersetzung Lars Schall
Die Nachrichten, die besagen, dass die Arbeitslosenquote in den USA auf „bloß“ noch 9,5% gefallen sei, scheinen eine Verbesserung unserer düsteren Wirtschaftsaussichten anzuzeigen. Die Realität ist hingegen sehr viel grimmiger, wie die jüngsten Statistiken des US Bureau of Labor nahe legen. Die scheinbare „Zündung“ der Wirtschaft, die im März und April mit mehr Beschäftigung, Einkommen, Ausgaben und Produktion erreicht wurde, hat irgendwie im Mai und Juni gestockt. Das ist in der Tat beunruhigend, da eine nachhaltige „Zündung“ notwendig erscheint, weil die Ausgabenpolitik nunmehr in die entgegen gesetzte Richtung geht.
Es gibt eine Menge Kosten, die mit hoher Arbeitslosigkeit verbunden sind, sowohl wirtschaftlich als auch sozial. Sie beinhalten nicht nur tagtägliche Einkommensverluste, die für die meisten Amerikaner katastrophal sind, sondern auch ansteigende Kriminalitätsraten, auseinander brechende Familien, steigende Vorkommnisse psychischer und physischer Gesundheitsstörungen, vermehrten Alkohol- und Drogenmissbrauch, und eine generelle Misere (siehe dazu Bill Mitchell).
Trotz dieser offensichtlichen Pathologien, die durch hohe Arbeitslosigkeit verursacht werden, treibt eine schlechte Politik die Obama-Administration dazu an, diese Trends fortzusetzen. Schlimmer noch, mit Wählerumfragen, die eine steigende Unzufriedenheit mit den Vertretern der Demokraten in Kongress und Senat anzeigen, scheinen die politischen Berater von Obama zu empfehlen, dass der Präsident mehr auf die Reduzierung des Defizits setzen solle, anstatt auf Ausgaben, die Arbeitsplätze schaffen.
Sollten Larry Summers und Tim Geithner als Stimmen der Vernunft herhalten, dann, Houston, haben wir ein Problem. Auch denken wir, dass die Öffentlichkeit eine nuancenreichere Sicht staatlicher Ausgaben besitzt, als Obamas hauptsächlicher politischer Berater David Axelrod. Er scheint sehr viel mehr besorgt zu sein wegen des Defizitreduzierungsfetischismus’, der die wirtschaftlichen Eliten dieses Landes beseelt, als wegen der Ansichten einer Mehrheit der amerikanischen Bürger (siehe hierzu Michael Linds exzellente Analyse).
In dem Maße, in dem die öffentliche Stimmung überhaupt anti-Ausgaben und anti-Defizit ausgeprägt ist, wie es Axelrod kürzlich in einem New York Times-Artikel behauptete, würden wir argumentieren, dass solcher Widerwille weniger mit Defizitausgaben zu tun hat, als vielmehr mit der fortgesetzten Wahrnehmung korporativer Plünderung und Gier. Obamas Stimuluspolitik hat im Großen die Form von sich ausweitender Ineffektivität, finanzieller Subventionsleistungen und Fehlinvestitionen in einen aufgeblähten Finanzsektor angenommen. All das wird seine Kosten durch schlecht verteilte Ressourcen, verpasste Möglichkeiten und einer weiteren Zerstörung des Gemeinwesens haben. Auch wenn sich die Finanzmärkte stabilisiert haben, so sind sie doch immer noch von starker staatlicher Hilfe abhängig, und die Solvenzprobleme haben wir nicht gelöst. Die Banken mögen Profite aufweisen, aber die Zuwächse rühren großtenteils von außergewöhnlichen Bargeldzuflüssen (exceptional cash inflows) und finanziellen Subventionen. Außerdem umgibt die Bewertung ihrer Vermögenswerte der Verdacht der Bilanzmanipulation (wenn nicht sogar des Betrugs).
Jede Bailout-Diskussion ist generell auf die trockene, kraftlose Frage ihrer „Kosten“ im Verhältnis zum BIP beschränkt. Solche Analysen ignorieren die korrosiven und signifikanten politischen Kosten eines so genannten „Change“-Präsidenten, der die manifest ungerechte Politik seiner Vorgänger fortsetzt. In vielfacher Hinsicht wird Obama womöglich noch weitergehen, sollte er daran festhalten, die Ausgaben für die Sozialversicherung und das Gesundheitssystem zu kürzen, immerhin die legislativen Errungenschaften der Demokraten im 20. Jahrhundert. Nicht einmal Reagan und Bush wagten es, derart weit zu gehen. Warum sich aufregen, wenn die Demokraten damit glücklich sind, sich selbst zu verbrennen?
Zu einem großen Maß haben sich Stimulusausgaben politisch diskreditiert, weil die Politik, die die Obama-Administration (und die Bush-Administration davor) unternahm, sich durchgängig weigerte, die untergründigen Ursachen des Problems zu adressieren, nämlich dass die Gläubiger nicht in der Lage waren, die Zahlungen für ihre Hypotheken tätigen zu können. Dazu bedürfte es einer Verbesserung der Einkommen und der Beschäftigung, und, wo notwendig, einer Modifizierung ihrer Schuldnerlast. Der ganze Boom der 2000er Jahre (und noch mehr der ganze Wachstumsprozess Anfang der 1980er Jahre) war vom Schuldenaufnehmen privater Haushalte und der Fortsetzung negativer Sparentwicklungen abhängig (das heißt Defizitausgaben). Ein guter Ansatz, um mit Bemühungen der Wirtschaftserholung zu beginnen, wäre demnach, diese Methode wirtschaftlichen Wachstums zu verändern.
Warum das nicht passierte? Größtenteils, weil die Politiker rund um den Globus (und ganz offensichtlich der Präsident und seine politischen Berater) einer Ideologie verhaftet bleiben, die keinerlei Begründung in wirtschaftlichen Fakten oder der etablierten Theorie aufweist. Es ist vielmehr, wie es der Vorsitzende der englischen Financial Services Authority, Lord Adair Turner, bemerkte, ein „Kult“. Einer der zentralen Slogans dieses besonderen Kults besagt, dass Monetärpolitik omnipotent sei, während Fiskalpolitik ganz und gar impotent wäre und von daher eine Verschwendung.
Warum glauben diese Kultanhänger, dass entweder reale oder nominale Zinsratenvariationen in jeder Situation Vollbeschäftigung schaffen kann? Wir sind gerade erst durch eine Finanzkrise gegangen, in der die Zinsraten es nicht schafften, das Gelobte Land herbeizuschaffen, und es brauchte eines aggressiven Ausgabenstimulus, um die Preise für Vermögenswerte zu stabilisieren und wieder ansteigen zu lassen.
Oftmals diskutieren wir den Unterschied zwischen „guten Defiziten“, die sich durch pro-aktive Ausgaben ergeben, die auf weniger Arbeitslosigkeit abzielen (und dadurch helfen, das Defizit mit wieder etabliertem Wachstum zu verringern), und „schlechten Defiziten“, die als Konsequenz fehlgeleiteter staatlicher Versuche der Ausgabeneinsparung auftreten. Die Kürzung der Arbeitslosenversicherungsleistungen wird beispielsweise das Defizit NICHT reduzieren (es sei denn, wir lassen eine große Anzahl der Arbeitslosen einfach sterben oder deportieren sie gewaltsam, um so das Arbeitsangebot in Einklang mit der Gesamtnachfrage zu bringen). Wenn wir diese Lösung à la Swift beiseite lassen, wird das Defizit in diesem Fall steigen, weil die Ausgabenmöglichkeiten verschwinden, die Arbeitslosigkeit steigt weiter und die automatischen Stabilisatoren werden bemüht werden. Japans wiederholt fehlgeleitete Versuche einer „Stop-Start“- Ausgabenpolitik beweist nicht die Nutzlosigkeit einer fiskalischen Expansion. Eher beweisen sie die Nutzlosigkeit, wenn man staatliche Ausgaben als ein isoliertes Vorkommen der Wirtschaft behandelt, dessen Beseitigung schon irgendwie das Defizit herunterschrauben wird.
Dass unser Präsident, seine politischen Berater und die Mitglieder des Kongresses sich weigern, dies anzuerkennen, ist der klare Beweis dafür, dass der Kult in arger Weise täuscht.