DIW-Präsident sieht durch Geburtenrückgang Gefahr für Wachstum und Wohlstand in Deutschland. "Diese niedrige Geburtenrate ist das unrühmliche vorläufige Ende einer langen Geschichte." - "Das wird langfristig weh tun."
Der Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, hat sich besorgt über die konjunkturellen Folgen des dramatischen Geburtenrückgangs in Deutschland geäußert. "Diese niedrige Geburtenrate ist das unrühmliche vorläufige Ende einer langen Geschichte", sagte Zimmermann Handelsblatt Online. "Schon seit Jahrzehnten liegt sie unter dem zur Bestandserhaltung der Bevölkerung nötigen Niveau." Das habe Deutschland lange Zeit durch Zuwanderung ausgleichen können. Doch Deutschland sei inzwischen auch ein Auswanderungsland. "Das wird langfristig weh tun", so Zimmermann.
Eine unausgewogene Alterstruktur und eine Bevölkerungsschrumpfung verstärkten nach Einschätzung des DIW-Chefs den Fachkräftemangel und machten es immer schwieriger, die sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren. Hinzu kämen regionale Entwicklungsschwierigkeiten, wenn sich ganze Landstriche entvölkern. "Das kostet Wachstum und Wohlstand."
Zimmermann forderte die Politik vor diesem Hintergrund auf, zügig gegenzusteuern. "Eine arbeitsmarktorientierte Familienpolitik, beispielsweise durch Förderung von Betriebskindergärten, durch Entwicklung der Systeme frühkindlicher Betreuungssysteme aber auch durch die Sicherstellung ausreichender Kindergartenplätze sowie eine Ganztagsbetreuung in den Schulen könnte Wirkung zeigen", sagte Zimmermann und verwies auf positive Vorbilder in anderen europäischen Ländern. "Andere Gesellschaften wie zum Beispiel die Schweden, denen die Organisation der Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser gelingt, können auch erhebliche höhere Geburtenraten vorweisen."
Kritisch äußerte sich Zimmermann in diesem Zusammenhang über die immer noch bestehenden Nachteile für Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Die demographische Entwicklung und der hohe Bildungsstand brächten zwar immer mehr Frauen dazu, erwerbstätig zu werden. "Allerdings ist der Arbeitsmarkt für Frauen immer noch durch Teilzeitarbeit dominiert", sagte der DIW-Chef. Eine Ausweitung der "gesellschaftlich gewünschten" Frauenerwerbstätigkeit sei aber nur mit besseren Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung umsetzbar. "Geschieht dies nicht, werden die Geburtenraten weiter niedrig bleiben."
Zimmermann äußerte sich vor dem Hintergrund neuer Zahlen des Europäischen Statistikamts Eurostat zur Geburtenrate, die am Dienstag veröffentlicht worden waren und zeigen, dass in Deutschland im europäischen Vergleich weiter die wenigsten Kinder zur Welt kommen. 2009 ist demnach die Geburtenrate sogar doppelt so stark gesunken wie im Schnitt der EU.