Der nachlassende Druck der Finanzmärkte in der Eurozone wird zur Gefahr für die Währungsunion. Währungsgemeinschaft auf Druck der Finanzmärkte angewiesen. Verheugen: „Die Eurozone ist noch längst nicht über den Berg.“ Es droht der Einstieg in eine Schuldengemeinschaft, in der Deutschland als Dauerzahler die Verbindlichkeiten der schwachen Mitglieder finanziert.
Der nachlassende Druck der Finanzmärkte in der Eurozone wird zur Gefahr für die Währungsunion. Der Euro steigt, die Risikoaufschläge bei den Schuldtiteln von Spanien, Portugal und Italien fallen. Damit lassen auch die Reformanstrengungen spürbar nach. Das gilt für die Finanzmarktreform wie auch für die staatlichen Konsolidierungsanstrengungen.
Portugal beispielsweise liegt beim Schuldenabbau weit hinter Plan. „Die geplanten Eigenkapitalvorschriften drohen weich gewaschen zu werden“, meinen der renommierte Wirtschaftsforscher am Max-Planck-Institut, Kai A. Konrad und WELT-Finanzkorrespondent Holger Zschäpitz, Autoren des soeben erschienenen Buches zur Staatschuldenkrise „Schulden ohne Sühne?“
Auch der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen sieht die Notwendigkeit, dass die EU-Staaten ihre neu entdeckte Haushaltsdisziplin jetzt konsequent durchsetzen. „Die Eurozone ist noch längst nicht über den Berg.“ Verheugen meint, dass die glimpflichen Ergebnisse des Bankenstresstests keineswegs Entwarnung bedeuten können.
Das Risiko sei auch deshalb nicht gebannt, weil auf die Haushalte der Euroländer in den kommenden Jahren neben den fiskalischen auch noch demografische Belastungen zukommen. "Der eingeschlagene Kurs der EU muss unbedingt gehalten werden, denn die Märkte müssen jetzt und in Zukunft wissen, woran sie sind. Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der EU-Politik sind zentral."
Die Währungsgemeinschaft braucht nach Ansicht der Autoren die Überwachung durch die Finanzmärkte. Die Finanzmärkte erfüllen diese Funktion nur, wenn überschuldete Staaten nicht durch Bürgschaften und Geldspritzen gerettet werden. Insolvenzen und nachfolgende Umschuldungen von Staaten sind aber nur vor dem Hintergrund stabiler und schockresistenter Finanzmärkte möglich. Deshalb gehören Finanzmarktreform und Haushaltspolitik in der Eurozone zusammen.
Konrad, der unter anderem im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums sitzt, und sein Co-Autor Zschäpitz beschreiben, dass die mangelnde Haushaltsdisziplin der Euroländer gerade für Deutschland hohe finanzielle Risiken nach sich zieht. Auf dem Spiel stehen nicht nur die knapp 150 Mrd. Euro, für die die Bundesrepublik im Rahmen des Euro-Schutzschirms bürgt, sondern es droht der Einstieg in eine Schuldengemeinschaft, in der Deutschland als Dauerzahler die Verbindlichkeiten der schwachen Mitglieder finanziert.
„Der milliardenschwere Rettungsschirm ist ein Verstoß gegen den ursprünglichen Geist der Währungsunion, betonen die Autoren. Immerhin biete dieses Instrument den Euroländern wertvolle Zeit, die Haushaltsprobleme und eine Finanzmarktreform anzupacken. Zu befürchten sei jedoch, dass die Politik diese Zeit ungenutzt verstreichen lässt.
Das Buch zur Schuldenkrise: Kai A. Konrad und Holger Zschäpitz. Schulden ohne Sühne? Warum der Absturz der Staatsfinanzen uns alle trifft. Verlag C.H. Beck. 240 Seiten. 19,95 Euro.