Weizenpreis auf 2 Jahres-Hoch. Autokonzerne stoppen die Produktion an der Wolga und in Kaluga. Großstädte wie Moskau und Nizhni Nowgorod gesundheitlich gefährdet. Moskauer Börse noch stabil.
Nachdem Putin beschloss, dass die russischen Weizenexporte ab dem 15. August bis zum 31. Dezember temporär gestoppt werden, damit der Eigenbedarf nicht gefährdet ist, schnellte der Weizenpreis am 5. August um 10% auf ein 2 ½ Jahreshoch von 230 €. Russland ist der drittgrößte Weizenexporteur der Welt. Anstelle der erwarteten 85 Mio. Tonnen könnte die Getreideproduktion in diesem Jahr aufgrund der Missernte auf 75-77 Mio. Tonnen sinken. Nach den Angaben des Landwirtschaftsministeriums waren schon bis zum 15. Juli ohne die Brände 9,6 Mio. von insgesamt 48 Mio. Hektar Saatflächen vertrocknet.
Das Ministerium senkte schon Mitte Juli die Prognose für die Jahresrente von 90 auf 85 Mio. Tonnen. Jetzt wird es wohl noch weniger werden. Dennoch soll es keine Engpässe bei Brot geben. Der Eigenbedarf in Russland beträgt schon 77 Mio. Tonnen, die Weizenexport 20 Mio. Tonnen. Die Lagerbestände belaufen sich auf 24 Mio. Tonnen, was ausreichen sollte. Der weltgrößte Weizenproduzent ist China mit 112 Mio. Tonnen vor Indien und USA. Dann kommt aber schon Russland, so dass der befürchtete Ernteausfall in der Tat auch global bedeutsam ist.
Dennoch ist fast eine Verdoppelung des Weizenpreisees seit Jahresbeginn nicht zu rechtfertigen, so dass spekulativ orientierte Finanzinvestoren auch für den starken Preisanstieg verantwortlich sind. In den nächsten Monaten könnten aber die Brot- und Milchreise stark anziehen, was wiederum die sich bis auf dem niedrigsten Stand befindende Inflation in Zukunft anheizen könnte.
Davor hat auch Putin Angst und hat daher einen temporären Exportstopp für Weizen angeordnet. Von den insgesamt 220 Mio. Hektar Agrarland sind etwa 10 Mio. Hektar von den Waldbränden betroffen. Noch befinden sich aber die Lagerbestände sowohl weltweit als auch in Russland auf so hohem Niveau, dass gegenwärtig keine Nahrungsmittelkrise wie im Jahr 2007 zu befürchten ist.
Putin entließ vor 2 Jahren 70.000 Waldhüter um zu sparen die jetzt aber dringend gebraucht werden. Über 200.000 Personen sind schon im Einsatz, um die Waldbrände zu stoppen. Putin will jedem, der von dem Waldbrand betroffen ist, eine Soforthilfe von 5000 € gewähren. Insgesamt beträgt der Hilfsfonds 5 Mrd RUB, also 126 Mio. €. Er wurde nun auf 250 Mio. € aufgestockt. Es ist aber fraglich, ob das ausreicht. Noch sind die Schäden nichtgenau bezifferbar. Es gibt nur grobe Schätzungen die von einem Schaden von 25 Mrd € ausgehen.
Alleine der Ernteausfall dürfte einen Schaden von 1 Mrd. € verursachen. An der ukrainischen Grenze in der Nähe von Tschernobyl und in der Stadt Brjansk besteht die Gefahr, dass radioaktiver Boden durch die Waldbrände aufgewirbelt wird. In der 500 km östlich von Moskau gelegenen Stadt Solow wurde schon eine Atomanlage geräumt. Es wäre gefährlich, wenn die Waldbrände an große Industriekomplexe herankommen würden. Bisher wurde nur die Produktion von 89 kleineren Raffinerien temporär vorsichtshalber eingestellt.
Bisher ist erst ein Marinekomplex mit 200 Flugzeugen in Brand geraten. Zudem wurden die fast 100.000 Mitarbeiter bei Avtovaz wegen „hitzefrei“ nach Hause geschickt. Das Arbeiten bei 40 Grad Hitze ist ohnehin sehr beschwerlich; jetzt dürfen einige Mitarbeiter bei dem Löschen der Walbrände mithelfen. Auch die Produktion beim LKW-Hersteller KAMAZ und dem VW-Werk in Kaluga wurden eingestellt bzw. gedrosselt. Der Flughafen in Moskau wurde am Freitag stundenweise wegen schlechter Sicht geschlossen. Das Auswärtige Amt sprach eine Reisewarnung nach Russland aus. Die Deutsche Botschaft in Moskau wurde vorübergehend geschlossen.
Gezählt wurden bisher 24.000 Brände und aktuell noch 7000 Brandherde. Davon gibt es noch über 600 große Waldbrände, die nicht unter Kontrolle sind. Betroffen ist aber nur der Raum in Zentralrußland bis zur ukrainischen Grenze, nicht jedoch der Fernen Osten, so dass in Ostsibirien weiter normal geerntet werden kann. In Moskau leiden aber die über 17 Mio. Personen schon seit Wochen unter einer giftigen Dunstwolke, die auch gesundheitliche Schäden wegen der zu hohen Kohlenmonoxid-Belastung zur Folge haben könnte. In der U-Bahn ist die Luft durch den Smog so schlecht, dass es oft Erstickungsanfälle gibt. Mundschutz ist bei Apotheken ausverkauft.
Es wäre zu begrüßen, wenn man auch die russischen Oligarchen wie die von Warren Buffet angeführten 88 amerikanischen Milliardäre motivieren könnte, die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu stiften. In den USA kommen dadurch immerhin 75 Mrd. USD zustande. Da es über 30 Milliarde allein in Moskau gibt, würde eine solche „Solidaritäts-Aktion“ den nun in Not geraten Landwirten mehr helfen als die 126 Mio. € von Putin. Dafür sind die Russen die aktivsten Aufkäufer von Londoner Immobilien, was die Immobilienpreise im Luxussegment in London stabilisiert. Wie aber bringt man den russischen Oligarchen Solidarität bei?
Die Moskauer Börse zeigte sich bisher unbeeindruckt von den Waldbränden, da in den Indices kaum Agraraktien von Bedeutung enthalten sind. Es dominieren in Russland die großen Rohstoffkonzerne, die aber im Moment von den steigenden Ölpreisen profitieren. Erst im nächsten Jahr soll die staatliche „United Grain Company“ privatisiert und an die Börse gebracht werden. Auch soll eine neue Rohstoffbörse den Weizenhandel in Moskau ermöglichen.
Der RTS-Index stieg auf 1521 Indexpunkte, wobei vor allem Ölaktien auf den auf 82 USD/Barrel gestiegenen Ölpreis profitierten. Damit konnte der RTS-Index seit Anfang Juli in einer „heißen Sommerrallye“ um über 15% und seit Jahresbeginn um 5% zulegen. Dabei wurde die Moskauer Börse aber auch durch die gute Stimmung an der Wall Street mit nach oben getragen, die sich auch im Juli und Anfang August kräftig von den herben Kursverlusten im Mai/Juni erholt hat. Am Freitag korrigierte der RTS wieder auf 1509 Indexpunkte aufgrund der schwachen US-Arbeitsmarktdaten, aber nicht wegen der Waldbrände.
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