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Hindenburg Omen

Seit letzter Woche geht ein Gespenst namens “Hindenburgs Omen“ um. Was das ist? Ein technischer Indikator, der auf einen veritablen Börsenabsturz hinweist. Am vergangenen Donnerstag wurde er in New York gesichtet. Anlass genug, ein paar Einschätzungen von internationalen Finanz-Analysten einzuholen.

von Lars Schall

Donnerstag, den 12. August 2010, ist es an der New Yorker Börse aufgetaucht: das Hindenburg Omen. Benannt ist dieser technische Indikator, der einen großen Börsenabschwung, wenn nicht sogar Crash anzuzeigen scheint, nach dem berühmten deutschen Zeppelin, der am 6. Mai 1937 in Lakehurst an der US-amerikanischen Ostküste in Flammen aufging. Es ist nicht ganz gesichert, wie das Omen seinen Weg in die Welt fand, aber wahrscheinlich geht es auf den Investmentberater und Mathematiker Jim Miekka zurück. Laut dem Wall Street Journal sagt Miekka einen Kurssturz für September voraus, nachdem sein mutmaßliches Geschöpf in Erscheinung trat.[1]

Das Hindenburg Omen setzt sich aus verschiedenen technischen Indikatoren zusammen und soll vor allen Börsencrashs der letzten 21 Jahre aufgetreten sein. Zuletzt ward es 2009 gesehen, bestätigte sich damals jedoch nicht. Zum Hindenburg Omen gehört, dass es in einem Abstand von 36 Tagen abermals auftritt. Wenn es auftritt, sieht man an einem Handelstag viele Aktien in einem 52-Wochen-Durchschnitt sowohl bei einem neuen Tief als auch einem neuen Hoch ankommen. Dies wird als Zeichen der Zerrissenheit angesehen – oben und unten zugleich sein, das kann nicht gehen.

Erfüllt werden müssen folgende Kriterien:

  1. That the daily number of NYSE new 52 Week Highs and the daily number of new 52 Week Lows must both be greater than 2.2 percent of total NYSE issues traded that day.
  2. That the smaller of these numbers is greater than or equal to 69 (68.772 is 2.2% of 3126). This is not a rule but more like a checksum. This condition is a function of the 2.2% of the total issues.
  3. That the NYSE 10 Week moving average is rising.
  4. That the McClellan Oscillator is negative on that same day.
  5. That new 52 Week Highs cannot be more than twice the new 52 Week Lows (however it is fine for new 52 Week Lows to be more than double new 52 Week Highs). This condition is absolutely mandatory.[2]

Nachdem all diese Kriterien am vergangenen Mittwoch fast erreicht wurden, traten sie am folgenden Tag glasklar auf: es gab 92 neue Hochs auf der einen Seite, 81 neue Tiefs auf der anderen. Bloomberg berichtete tagsdrauf: “The Hindenburg signal was triggered yesterday as the proportion of stocks reaching new one-year highs and lows both exceeded 2.2 percent of the total listed on the NYSE, according to Michael Riesner, a technical analyst at UBS in Zurich.”[3]

Um zu erfahren, wie das alles einzuschätzen gehört, wandte ich mich zunächst an Dimitri Speck. Herr Speck, Co-Gründer der Anlageberaterfirma Staedel Hanseatic, entwickelt quantitative Modelle für Fonds, gibt die Website www.seasonal-charts.com heraus und ist der Autor des Buches „Geheime Goldpolitik. Warum die Zentralbanken den Goldpreis steuern“ (siehe hierzu: www.geheime-goldpolitik.de).

Herr Speck, was ist vom Hindenburg Omen zu halten?

Dimitri Speck: „Im Grunde gibt es gar kein Hindenburg Omen, das ist alles nur ein Gerücht.“

„Inwiefern?“

Dimitri Speck: „Nun, die Idee des Hindenburg Omen ist, einen Markt zu erkennen, der sich a) in einem mittelfristigen Aufwärtstrend befindet, und der b) zugleich viele neue Hochs wie auch neue Tiefs aufweist. Das zusammen stellt eine ‚Spaltung’ dar, die eine Schwäche signalisieren soll.

Das Hindenburg Omen ist nicht eindeutig definiert, sondern setzt sich je nach Autor durch 4-6 Kriterien zusammen. Am letzten Donnerstag hatten wir ein erstes. Sollte dem in kurzer Zeit ein zweites folgen, so gäbe es laut dem Börsendienst ’Safe Haven’ und dem Autor Robert McHugh eine 30%ige Wahrscheinlichkeit eines Kursrückgangs von über 15%.[4]

Die Aussagekraft dieser Zahl kann man statistisch wie auch inhaltlich hinterfragen, das heißt auf zweierlei Weise.

Statistisch: Die Festlegung und Anpassung der Kriterien erfolgte im Nachhinein. Es handelt sich um keine Sache, die a priori gegeben ist, sondern es wurde, wie man bei der Handelssystementwicklung sagt, optimiert. Eine stabile Wahrscheinlichkeitsaussage ist somit nicht möglich.

Inhaltlich: An der NYSE werden sehr viele Rentenfonds gehandelt, ungefähr 50%. Das sind keine Aktien. Und wenn man aktuell schaut, werden die neuen Hochs fast ausschließlich durch die festen Renten generiert. Gäbe es an der NYSE nur Aktien, hätten wir gar kein Hindenburg Omen. Das zentrale, was das Hindenburg Omen ausmacht, nämlich der gesplittete Markt, ist inhaltlich nicht gegeben. Das läuft der zentralen Interpretation des Hindenburg Omen eindeutig zuwider.“

 „Ist das Hindenburg Omen somit ein Gespenst?“

Dimitri Speck: „Ich würde nicht so knallhart urteilen, es könnte jedoch durchaus ein Gespenst sein. Man müsste das noch genauer wissenschaftlich untersuchen. Aber die Zahlen, die genannt werden, dass ein Crash mit 30%iger Wahrscheinlichkeit droht, sind eindeutig nicht belastbar.“

Nachdem ich mich bei Dimitri Speck für diese Auskunft bedankt hatte, rief ich als nächstes den Finanzjournalisten Max Keiser (http://maxkeiser.com/) an, der jahrelang selber als Aktienhändler an der Wall Street gearbeitet hat.

“Mr. Keiser, what’s your take on the ‘Hindenburg Omen,’ that occurred last Tuesday on Wall Street?”

Max Keiser: “As you know, it's a technical indicator. So to comment on it, one must have an opinion about technical indicators in general. My view is that you don't need a technical indicator to see that the economy is completely in a mess. Why complicate it by using something that is abstract?

The Hindenburg Omen, historically, has a 25% accuracy. I rather look at the Financial Times Omen, the Wall Street Journal Omen, and the Bloomberg Omen. I don’t need an obscure piece of technical analysis to tell me that the market economy around the world is in bad shape.”

“But would you go along with the notion, that the U.S. stock market will experience a downturn quite soon?”

“It has done nothing but going down against gold, and I only look at gold. It has gone down against gold for ten years.”

“And this trend will continue?”

Max Keiser: “Absolutely.”

Was Herr Keiser Näheres zur Entwicklung der US-Wirtschaft und zu den Aussichten für Gold zu sagen hat, wird chaostheorien.de binnen der nächsten Tage in Form eines exklusiven Interviews veröffentlichen.

Doch zurück zum Hindenburg Omen. Dazu befragte ich ferner auch Karl Denninger, den Herausgeber des “Market-Ticker” (http://market-ticker.denninger.net/).

“Mr. Denninger, did the indicators of ‘Hindenburg's Omen’ terrified you in any way?”

Karl Denninger: “No. I've been expecting them.”

“Why?”

Karl Denninger: “They just show the instability in the market. But so do the prevalence of 90% up and down days, which we've seen far too many of for any sort of healthy market. So in a sense the ’Hindenburg’ is late.

It is also, at this point, unconfirmed.  That could change in a hurry though (we need another one within the next 30 to 40 trading days).”

 “Do you think a stock market downturn is imminent - with or without the ‘Hindenburg Omen’?”

Karl Denninger: “Yes. As in ‘08 the politicians think they can control it. They're wrong and we'll get to see them with egg on their face again.

The only solution is to fix the structural problems, but nobody is talking about actually doing that.”

Zuletzt wandte ich mich an den kanadischen Investmentmanager Marshall Auerback, der insbesondere für RAB Capital Plc. in England tätig ist, um seine Meinung zu erbitten. Marshall Auerback antwortete, indem er auf das Grundsätzliche abzielte:

“I have no opinion on it.  Frankly, my feeling is that this is all a problem of political will (or the lack of it).  I use our understanding of the way money works to bring rational analysis to government policy-making. Since involuntary default is, literally, impossible for a sovereign government, I quickly move beyond fears about government deficits and debt ratios and all the other nonsense that currently grips Washington.

Can we ‘afford’ full employment? Yes. Can we ‘afford’ Social Security? Yes. Can we ‘afford’ to put wine in all the drinking fountains? Yes. The problem IS NOT, CANNOT BE about affordability. It is about resources.

Unemployment is easy: by definition, someone who is unemployed is available to hire. So government can put them to work. Social Security is a little more difficult: can we move enough resources to the aged (plus their dependents, and people with disabilities) so that they can enjoy a comfortable, American-style, life? On all reasonable projections of demographics and US ability to produce, the answer is yes. The projections could turn out to be wrong. But if they do, affordability still will not be the problem—it will be a resource problem. Finally, wine in drinking fountains? There probably is not enough fine wine, but we could probably fill all the drinking fountains with cheap French wine. Again, it is a resource problem and if we convert the American prairies to wine production we could probably even resolve that one.”

Ob ein hindenburgesker Abschwung an der Börse bevorsteht, vermögen wir nicht vorherzusehen; aber eine Wette, dass er wahrscheinlicher ist als Weinanbau in der Prärie, die gehen wir allemal ein.

So oder so, die nächsten Wochen dürften am Aktienmarkt spannend werden. Die Vorraussetzung für Verkaufspaniken sind jedenfalls durch das Hindenburg Omen geschaffen. Gefragt, ob Investoren aus dem Aktienmarkt nunmehr aussteigen sollten, antworte Jim Miekka: "I'll be dancing close to the door."[5]

www.chaostheorien.de

QUELLEN:

[1] vgl.: “The 'Hindenburg Omen' Is Seen. Will a Stock Crash Follow?”, veröffentlicht auf Daily Finance am 14. August 2010 unter: http://www.dailyfinance.com

[2] vgl. Tyler Durden: “The Hindenburg Omen Has Arrived”, veröffentlicht auf Zero Hedge am 12. August 2010 unter: http://www.zerohedge.com

[3] Alexis Xydias: “'Hindenburg Omen' Indicator Suggests Slump in Stocks: Technical Analysis”, veröffentlicht am 13. August 2010 unter: http://www.bloomberg.com

[4] vgl. Robert McHugh: “The Recent Hindenburg Omen Observation”, veröffentlicht auf Safe Haven am 15. August 2010 unter: http://www.safehaven.com/

[5] siehe Endnote 1.

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