SPD-Landesvorstand: „Der Landesvorstand ist der Auffassung, dass Dr. Thilo Sarrazin mit seinen Äußerungen vorsätzlich das Recht, die SPD als politische Heimat anzusehen, verwirkt hat und die Voraussetzungen für die Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens nach § 35 unseres Organisationsstatuts vorliegen“.
In einem als „vertraulich“ eingestuften Schreiben habe der Berliner SPD-Landesvorstand umfassend seine Vorwürfe gegen Thilo Sarrazin dargelegt, berichtet WELT ONLINE. Das Papier, das WELT ONLINE vorliege, liste eine Fülle von Argumenten für den Parteiausschluss des Bundesbankvorstands auf. Außerdem werde der Geschäftsführende Landesvorstand „ermächtigt, juristische Beratung und Unterstützung“ für das anstehende Verfahren gegen Sarrazin vor dem Schiedsgericht einzuholen.
„Dr. Thilo Sarrazin vermittelt ein Weltbild, das auf Vereinfachung und Demagogie setzt“, zitiert WELT ONLINE aus dem vertraulichen Papier. Sarrazins politische Richtschnur sei „nicht der sich aus unseren Grundwerten von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ableitende Ansatz der Emanzipation von sozialer, kultureller oder ethnischer Benachteiligung oder Ausgrenzung“, schrieben die Sozialdemokraten. Er verfolge auch nicht das Ziel der Integration aller Bevölkerungsteile in die Gesellschaft. Sarrazins Zielsetzung sei „vielmehr die Verfestigung vorhandener Gesellschaftsstrukturen, die Beurteilung von Migrantinnen und Migranten nach ethnischen Kriterien abzielend auf ihre ökonomische Verwertbarkeit sowie die Strategie des „Auswachsens“ vermeintlich ökonomisch weniger verwertbarer Teile der Gesellschaft“, schreibe die Berliner SPD.
Auf diese und andere Weise habe der Bundesbank-Vorstand „mit wiederholten Äußerungen“ gegen die Grundsätze und gegen die Ordnung der SPD verstoßen. Dies sei unter anderem mit „seinen herablassenden Äußerungen gegenüber dem Islam als Religionsgemeinschaft und mit seiner Absage an ein auf die Emanzipation von sozialen und kulturellen Beschränkungen ausgerichtetes, durchlässiges Bildungssystem“ geschehen.
Über Sarrazins Aussagen zur Genetik heiße es in dem Papier: „Seine an die Theorien der Eugenik aus dem 19. Jahrhundert angelehnten Aussagen zur genetischen Disposition von Schichten, Klassen und Ethnien sind mit dem Menschenbild des Hamburger Grundsatzprogramms der SPD nicht vereinbar.“ Diese Äußerungen stellten eine Absage an die Grundwerte und Ziele der SPD dar „und beleidigen viele Menschen der betroffenen Gruppen“. Sarrazin handle damit herablassend und entgegen dem Gebot der innerparteilichen Solidarität. Auf diese Weise führe er der SPD schweren Schaden zu.
Des Weiteren werfe die SPD Sarrazin gezielte Verstöße gegen Parteibeschlüsse vor. So handle er „beharrlich Beschlüssen von Parteitagen und der Parteiorganisation – insbesondere in den Bereichen der Integrations- und Bildungspolitik – zuwider“. Dabei propagiere er ein Gesellschaftsmodell, das mit den Zielen und Grundwerten der SPD nicht vereinbar sei.
Außerdem stelle er sich in der Integrationspolitik nicht einer innerparteilichen Debatte um die besseren Politikansätze, sondern setzte seine Positionen „als absolut“. „Politisches Vertrauen, das die SPD erworben hat, wird so zerstört und schwerer Schaden für die SPD verursacht“, schreibe die Berliner SPD.
„Der Landesvorstand ist der Auffassung, dass Dr. Thilo Sarrazin mit seinen Äußerungen vorsätzlich das Recht, die SPD als politische Heimat anzusehen, verwirkt hat und die Voraussetzungen für die Durchführung eines Parteiordnungsverfahrens nach § 35 unseres Organisationsstatuts vorliegen“, zitiert WELT ONLINE den SPD-Landesvorstand.