Neulich kam ich beim Lesen der Zeitungen auf die Idee, einenLügendetektor zu bauen, ihn in meine Hosentasche zu stecken und damitdurch den Tag zu gehen – gedanklich, denn irgendwie fehlen mir dazu diehandwerklichen Fähigkeiten, einen solchen zu basteln. Zudem befürchteich, das Ding schlägt ständig an, auch während der Sendungen am Morgen.Das Piep-Geräusch würde wohl selbst nach Dienstende nicht verstummen,womöglich auch nachts nicht. Selbst wenn mein imaginärer LügendetektorUnwissenheit ignorierte und nur Absicht anzeigte, ich hätte Tinnitusoder auch zwei davon. Zum Glück haben wir aber einen innerenSeismograph in der Bauchgegend versteckt. Doch auch das ist nicht vielerträglicher.
Behauptungen kann man so oft wiederholen, bis sie jeder glaubt. UndGlaube, na Sie wissen schon, ist ein verführerischer Ratgeber. In dentäglichen Diskussionen geht es heute vielmehr um existentielle Dinge:Zukunft, Sicherheit und Freiheit. Viele Argumente entpuppen erst vielspäter als Betrug. Selbst vollbusige Totschlagargumente leiden untereiner gewissen Halbwertszeit, doch die meisten sind ebenfallsTäuschung. Man glaubt, was man glauben will und glauben soll.
Aktien seien immer billig und sie steigen immer. Notenbanken sorgenfür Preisstabilität, der Euro ist kein Teuro, die bösen Bauern schüttendie Milch weg, Steuersünder an den Pranger! Nein, die Preise steigennicht, mit der Neuverschuldung ist bald Schluss, alles zum Wohle desVolkes, niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten. Die Expertenbuhlen um ihre Gunst und auch um ihren Job. Die meisten Herren undDamen haben es ja auch studiert. Alle wollen nur unser Bestes. Und siebekommen es auch, sei es Geld, Steuern, Bankgebühren und Stimmen. Vorallem in den letzten Monaten, in denen die Kluft zwischen Soll undHaben , zwischen Ist und Wäre größer zu werden scheint, tausche ich dieBatterie meines nicht vorhandenen Lügendetektor fast täglich, auch wennes gegen das Kyoto-Protokoll und das letzte Interview von unseremUmweltengel Sigmar Gabriel verstößt.
In einer Flut von mehr oder weniger wichtigen Informationen gehendie wirklich wichtigen Dinge oft unter. Das Thema Öl ist ein solches.Jeder plärrt und schreibt vom anderen ab, dass die Nachfrage höher seials das Angebot. Oder umgekehrt, das spielt keine Rolle. Doch niemandprüft die Zahlen. Niemand gibt zu, etwas nicht zu wissen. Und weilglaubhafte Zahlen Mangelware sind, ergießt sich ein Schwall vonDesinformation über jeden, der im Wege steht. Hinterfragt jemand,wieviel aus den Ölquellen wirklich sprudelt? Fördert Saudi-Arabienwirklich 9 Mio. Barrel täglich? Sind es wirklich die Spekulanten? Wäreich König, ich würde auch mit täglichen 5 Mio. Barrel keinen Mangelleiden. Aber ich würde das Öl zurückhalten für schlechtere Zeiten, aberoffiziell immer das Gegenteil behaupten. Ich hätte keine Lust auf diesegrünen Zettel, die immer schneller die Notenbanken verlassen und auchnoch täglich wertloser werden. Ich trüge Verantwortung für die Zukunftmeines Landes und für mich selbst.
In Gedanken ziehen die Bilder unseres Wirtschaftsministers Glos beimPosieren mit König Abdullah vorüber. Irgendwie schien die Atmosphärefrostig zu sein. Nach bestimmt und langen und harten Verhandlungen überdie Drehzahl der Ölpumpen, hatte man sich vielleicht nichts mehr zusagen. Und so saß Herr Glos da, als würde er lieber an einem BadeseeWürstchen grillen wollen. Doch er musste etwas sagen, um als Ölexperteam Montag in den Medien herumgereicht zu werden. Schließlich kann manja nicht ohne etwas Hause kommen, und seien es geölte warme Worte.Michael Glos, der immer von Aufschwung spricht, sieht jetzt fallendeÖlpreise. Und der Ölpreis stieg. Der Markt hat recht, vor allem aberwenn man ihn ließe.
Es sind viele schwierige Fragen in vielleicht viel schwierigerenZeiten, die vor uns liegen. Wer weiß, was die Götter mit uns vorhabenund vor allem die, die sich als Götter sehen und uns als solche täglichpräsentieren. Wer Ausschau nach Schwierigkeiten hält, sollte nebenseinem Fernglas und seinem Lügendetektor immer eine Frage dabei haben:
Cui bono – Wem nutzt es?
Frank Meyer ist Moderator bei n-tv
http://frank-meyer.eu/blog