De Maizière plant neue Sicherheitsgesetze und will alte verlängern. Verschärfung der Vorschriften zum Staatsschutz. Verfassungsschutz Erlaubnis zur „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“. Geheimdienste mit Befugnis zur Abfrage von Kontostammdaten. Widerstand der Justizministerin.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) plant die Einführung einer ganzen Reihe neuer Sicherheitsgesetze. Dazu zählen nach Informationen der WELT aus Regierungskreisen erweiterte Befugnisse für die Nachrichtendienste und die Strafverfolgungsbehörden sowie die Verschärfung der Staatsschutzparagrafen im Strafgesetzbuch. Außerdem will der Minister zahlreiche befristete Vorschriften aus den Anti-Terror-Paketen von 2002 und 2007 verlängern, die ansonsten zum 10. Januar 2012 auslaufen würden.
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition steht damit vor einer neuerlichen Belastungsprobe. Denn im Koalitionsvertrag heißt es: „Die konsequente Anwendung geltenden Rechts, eine gute Ausstattung der Sicherheitsbehörden und die Beseitigung von Vollzugsdefiziten hat immer Vorrang vor der Erweiterung staatlicher Eingriffsbefugnisse.“ Die Formulierung geht maßgeblich auf das Drängen von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zurück. Im Innenministerium heißt es, man sei sich bewusst, dass die geplanten Sicherheitsgesetze in der Koalitionsvereinbarung nicht ausdrücklich aufgeführt seien. Dennoch gebe es einen „fachlichen Bedarf“.
Im Einzelnen will de Maizière dem Verfassungsschutz die Erlaubnis zur sogenannten „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ (Quelle-TKÜ) geben. Damit würde es dem Inlandsgeheimdienst ermöglicht, verschlüsselte Kommunikation, wie sie zum Beispiel bei Internettelefonie üblich ist, heimlich zu überwachen. Außerdem soll sämtlichen Geheimdiensten die Befugnis zur Abfrage von Kontostammdaten eingeräumt werden. Dabei geht es um Daten von Bankkunden wie Name, Kontonummer oder Verfügungsberechtigte.
Auch für die Strafverfolgungsbehörden, also Staatsanwaltschaft und Polizei, wird eine Rechtsgrundlage zur Quellen-TKÜ angestrebt. Außerdem soll in der Strafprozessordnung eine Verwertungsbefugnis für mittels einer Online-Durchsuchung gewonnene Daten festgeschrieben werden. Damit würde die bislang auf die präventive Abwehr schwerer Terrorgefahren durch das Bundeskriminalamt beschränkte Online-Durchsuchung als reguläres Beweismittel im Strafprozess zugelassen.
Im Strafgesetzbuch wünscht sich de Maizière eine Verschärfung der Vorschriften zum Staatsschutz. Die Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung, „öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften“, wie es in einem Eckpunktepapier aus dem Innenministerium heißt, soll unter Strafe gestellt werden. Der Anwendungsbereich des Paragrafen 129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) soll auf Taten, die im Ausland begangen werden, ausgeweitet werden. Schließlich ist eine obligatorische Strafmaßerhöhung für alle Taten mit Terrorbezug vorgesehen.
Die meisten dieser neuen Sicherheitsgesetze gehen auf einen noch unter de Maizières Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) erstellten Wunschkatalog zurück, der wenige Tage vor der Bundestagwahl im September 2009 als „Stoffsammlung für die kommende Legislaturperiode“ publik wurde. Leutheusser-Schnarrenberger hatte die Pläne damals als „Horrorliste“ bezeichnet, auch SPD, Grüne und Linke hatten sie in scharfer Form abgelehnt. Darüber hinaus wird in dem Entwurf eines Evaluierungsberichts seines Hauses für die Bundesregierung die Verlängerung etlicher Vorschriften aus den Anti-Terror-Gesetzen der Jahre 2002 und 2007 gefordert. Dabei geht es in erster Linie um Befugnisse der Geheimdienste. Die Vorschriften waren befristet worden, weil sie nach den Anschlägen des 11. September 2001 eilig und ohne Erfahrungswerte eingeführt worden waren. Zwölf dieser Regelungen sollen nun unverändert verlängert werden, darunter die Befugnis der Nachrichtendienste zum automatisierten Abruf von Autokennzeichen beim Kraftfahrtbundesamt. Weitere neun Vorschriften sollen sogar ausgeweitet werden. Dazu zählt die Erlaubnis für die Dienste, Auskünfte bei Fluggesellschaften, Finanzinstituten und Telekommunikationsfirmen abzurufen.