Das Experiment „Euro“ endet spätestens dann, wenn Deutschland insolvent ist. Dies prognostiziert Prof. Wilhelm Hankel in einem Interview mit Michael Mross. Zunächst aber geht es mit dem Euro weiter „auf die bekannte verbrecherische Weise: Man druckt Euro und kauft Schrott - und glaubt damit das Problem gelöst zu haben.“
Michael Mross traf Prof. Wilhelm Hankel am Rande der Konferenz " „Der Euro vor dem Zusammenbruch – Wege aus der Gefahr“. Die Konferenz fand bekanntlich in einer abbruchreifen Halle in einem Vorort Berlins statt. Das Ambiente passt deshalb ganz gut zum Thema.
Wie geht’s weiter mit dem Euro?
Hankel: Zunächst auf die bekannte verbrecherische Weise: Man druckt Euro und kauft Schrott und glaubt damit das Problem gelöst zu haben. Das wird wohl noch eine Zeit lang dauern, denn die illegal bewilligten Mittel sind noch nicht erschöpft.
Es ist die Geschichte von dem Selbstmörder, der vom Hochhaus springt und zwischen durch sagt, ‚es ist ja nichts passiert’. Aber es wird noch was passieren. Und dann reichen natürlich die bisherigen Mittel nicht aus.
Heißt das am Ende, dass die Leute alles verlieren, weil der Euro bricht?
Wer rechtzeitig vorgesorgt hat, der verliert am wenigsten. Das ist der Mechanismus jeder Krise. Wer zu erst kommt wird nicht bestraft, aber wer zuletzt kommt, den beißen die Hunde.
Was halten Sie von der European Financial Stability Facility (EFSF). Undemokratisch, absolutistisch, man weiß nicht, wer es genau kontrolliert?
Noch schlimmer: Finanztechnisch ist das Ding gar nicht effizient. Es ist eine Gesellschaft luxemburgischen Privatrechts. Sie lebt von staatlichen Garantien und wenn diese erschöpft sind, möchte ich den Herrn Reckling mal sehen, wie er mit dem Hut in der Hand über die Kapitalmärkte tingelt. Das ganze ist eine begrenzte Maßnahme, die angesichts der in Rede stehenden Summen sehr schnell erschöpft sein wird.
Wie sieht ihr persönliches Szenario für die Zukunft aus? Ist der Rettungsschirm überhaupt wirksam? Kann man überhaupt so viele Schulden machen?
Zunächst mal haben wir ja eine Klage gegen den Rettungsschirm, deren Verlauf abzuwarten ist. Das Gericht hat sich ja gottlob in Zugzwang gebracht. Denn es hat die Klage ja nicht nur angenommen, sondern zur Stellungnahme verschickt. Und wenn man Stellungnahmen hat, dann muss man auch eine Antwort darauf geben. Ich rechne fest damit, dass wir noch in diesem Jahr, spätestens aber im nächsten Jahr eine öffentliche Anhörung haben werden. Und das reicht für die Finanzmärkte als Alarmsignal um die Flucht aus dem Euro zu verstärken.
Was kommt dann? Kann sich das Verfassungsgericht über europäische Direktiven hinwegsetzen?
Was nicht war, kann ja mal werden. Selbst Verfassungsrichter sind zusätzlicher Einsichten fähig, dazu zählt auch Mut zum eigenen Recht und es gibt da keinen Determinismus. Das Verfassungsgericht ist durchaus für eine Überraschung gut.
Wie beurteilen sie das Handeln der Politiker? Sind sie nicht Getriebene der Krise? Gibt es Alternativen zu dem, was in Berlin beschlossen wurde?
Ich habe in Deutschland nur von einem einzigen kleinen FDP-Abgeordneten gehört, dass er öffentlich gegen diese Politik protestiert hat und seinen Widerstand angekündigt hat. Einer von etwa 600 – aber man freut sich auch über diesen einen.
Warum gibt es so wenig Kritik seitens der Politik, aber auch seitens der Bundesbank? Sind alle „gekauft“ von Europa?
Hier kommt vieles zusammen. Schon Lord Dahrendorf hat einmal zu meinem Buch über die Währungsunion damals gesagt, dass viele Argumente zwar richtig sind, aber der Sachverstand der Politik reicht nicht aus, diese zu bewerten. Ich glaube, dieses Urteil gilt immer noch. Es fehlt zunächst mal der Sachverstand. Es kommt aber noch was hinzu, was man die deutsche Nachkriegs-„Erbsünde“ nennen könnte. Der Schock über den zweiten Weltkrieg wirkt ja immer noch nach und hat zu der Mentalität geführt, man könnte historische Schulden mit Geld abbezahlen. Deshalb sind wir in die EU gegangen, deshalb sind wir in den Euro gegangen und deshalb nehmen wir unsere Enkel in Haftpflicht, dass sie weiter zahlen um die historische Schuld der Großväter und Urgroßväter abzuzahlen. Das ist eine verheerende Mentalität. Und die erklärt den politischen „Europa-Mythos“.
Also der deutsche Politiker als Erfüllungsgehilfe der Enteignung deutschen Volksvermögens?
Das ist die Folge. Warum sollten unsere europäischen Freunde nicht zugreifen, wenn man ihnen ein offenes Konto in Deutschland bietet? Und jetzt führt dieses offene Konto dazu, dass gezahlt, gezahlt, gezahlt wird – aber jedes offene Konto endet an der Zahlungsunfähigkeit. Und die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands, die ja unterwegs ist, die wird dann das Abenteuer „Euro“ beenden. Das ist dann der letzte Termin, den ich nenne. Der erste wäre das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dazwischen könnte wachsende Einsicht der Politiker liegen. Aber der Endtermin ist die deutsche Insolvenz!
Michael Mross im Gespräch mit Prof. Wilhelm Hankel