Kanzlerin-Berater Bullinger fordert Umbau des Budgets der EU-Kommission - "Forschungsetat muss um acht Milliarden Euro steigen". "Wenn wir weiter so viel Geld für Agrar ausgeben, erschweren wir den Strukturwandel und schaden so der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft".
BERLIN. Die EU muss in der nächsten Finanzierungsperiode die Agrarbeihilfen kürzen und dafür mehr Geld in Forschung stecken. Das fordert der Präsident der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, der auch Innovationsberater der Kanzlerin ist. "Wenn wir weiter so viel Geld für Agrar ausgeben, erschweren wir den Strukturwandel und schaden so der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft", sagte er im Gspräch mit dem Handelsblatt (Freitagausgabe). Daran ändere auch die große Abhängigkeit der neuen EU-Mitglieder in Osteuropa von den Agrafrilfen nichts: "Je mehr Geld wir für Strukturen ausgeben, die ohnehin geändert werden müssen, desto langsamer kommen wir voran."
Derzeit laufen die ersten Gespräche in Brüssel über die nächste Finanzperiode ab 2014. In der laufenden Periode von 2007 bis 2013 sind für Forschung insgesamt gut 50 Mrd. vorgesehen - das ist etwa soviel, wie Jahr für Jahr in den Agrarbereich fließen. Bullinger plädierte dafür, die EU-Forschungsmittel um mindestens 15 Prozent zu erhöhen, das wären knapp acht Milliarden Euro. "Dann könnte man auch die guten Projekte realisieren, die heute am Geld scheitern. Forscher haben wir genug auf der Ersatzbank sitzen."
Mit den Zusatzmitteln müsste künftig die bisher vernachlässigte angewandte Forschung gefördert werden, fordert der Fraunhofer-Präsident, der auch die Vereinigung der europäischen Vereinigung der angewandten Forschung Eurotech vorsitzt. Dazu sei parallel zum erst vor wenigen Jahren eingerichteten Europäischen Forschungsrat für die Grundlagenforschung "ein Innovations-Rat nötig, der Projekte mit der Wirtschaft finanziert".
Das könnte helfen, Innovationen in ganz Europa voranzubringen, ist Bullinger überzeugt. Er verweist auf das Beispiel der Bundesrepublik: "Deutschland hat die Krise auch deshalb schnell überwunden, weil die Unternehmen diesmal Entwickler und Konstrukteure nicht nach Hause geschickt haben. Auch in Europa müssen wir mehr auf Innovation setzen. Das heißt nicht, dass wir an der Grundlagenforschung sparen können, sonst fehlt uns in ein paar Jahren die Basis".