Der internationale Währungskrieg zwischen Dollar und Euro hängt von einer einzigen Entscheidung der chinesischen Zentralregierung ab. Ob konvertibel oder nicht - der Wechselkurs des Renminbi kann darüber entscheiden, ob die USA ihre Dollarhegemonie verlieren oder ob der Euro den Bach runtergeht.
Von Alexander Czerny
In den letzten Wochen haben sich die Rivalitäten zwischen den beiden großen Wirtschaftsmächten, zwischen den USA und den Staaten der Eurozone, derart zugespitzt, dass Medien offen von einem "Währungskrieg" sprachen. Im Fokus der Auseinandersetzungen stand wieder einmal China, das zum einen über riesige Dollarreserven verfügt und zum anderen seine nichtkonvertible Währung weiterhin zu einem niedrigen Wechselkurs an den Dollar gekoppelt hält.
Die Massenmedien beiderseits des Atlantiks bemühen seit Jahren die Chinesen als Sündenböcke für heimische Wirtschaftsprobleme. Vergleicht man jedoch die Anti-China-Propaganda der US-Medien mit denen der Deutschen, stößt man auf bemerkenswerte inhaltliche Unterschiede:
- Während die Deutschen nicht müde werden, von einer "Gelben Gefahr" zu sprechen, die die deutsche Wettbewerbsfähigkeit und die heimischen Sozialstandards bedrohe, sucht man solche Propaganda in den US-Medien seltsamerweise vergebens.
- Dort sorgt man sich erstaunlich offen über den Erhalt der Dollarhegemonie und über das dramatische Anwachsen der chinesischen Dollarreserven.
Der wichtigste Unterschied zwischen den Medien beiderseits des Atlantiks:
- Während die Deutschen und der momentan von den Europäern dominierte IWF unisono für eine Aufwertung des Renminbi kämpfen,
- fordern US-Ökonomen und die Wall Street teilweise gar die Abwertung bzw. die Freigabe des Wechselkurses der chinesischen Währung.
Vieles spricht dafür, dass es bei dem jetzigen Hickhack nicht vordergründig um China geht, sondern um eine neue Qualität des internationalen Wirtschaftskriegs zwischen den Währungen Euro und Dollar sowie um verschiedene geopolitische Strategien um die Kontrolle der weltweiten Ölreserven.
Der US-Dollar wurde schon seit den späten 1960er Jahren totgesagt. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Genau genommen ruht der Außenwert des Dollars auf drei Säulen:
Die erste und wichtigste Säule
ist die exponentiell wachsende Nachfrage aller Staaten nach Rohöl, das noch immer fast ausschließlich in Dollar gehandelt wird. Die weltweite Nachfrage nach Öl hat eine noch immer exponentiell steigende Nachfrage nach US-Dollar an den Devisenmärkten zur Folge. Tendenziell treibt dies den Außenwert des Dollars nach oben, was den Abwertungsdruck des Dollars durch die US-Handelsbilanzdefizite deutlich reduziert.
Die zweite Säule des Dollars
ist eng mit der ersten verbunden. Es ist die Verschuldung der Staaten der ehemaligen so genannten Zweiten und der Dritten Welt in US-Dollar bei den amerikanischen Banken.
Die Ursache dieser Devisenschulden ist in erster Linie in der Abhängigkeit von Ölimporten begründet. Erdöl steht fast immer ganz oben auf der Importrechnung. Natürlich haben die US-Banken keinerlei Interesse daran, dass sich die Schulden der Ölimportländer in ihrer Gesamtsumme auch nur um einen Cent reduzieren. Schon allein durch die relativ hohen Zinsen, die diese Schuldnerstaaten aufbringen müssen, um ihren Schuldendienst bei der Wall Street zu leisten, stieg die Nachfrage nach US-Dollar an den Märkten seit 1973 bisher exponentiell im Gleichschritt mit der Verarmung und den Devisennöten der Länder des Südens.
Außerdem: Ein großer Teil der Zinsen, die die US-Banken ihren heimischen Anlegern auf deren Geldvermögen - den Passiva - buchen müssen, werden mit Zinszahlungen von Schuldnern aus der Dritten Welt realisiert. Damit wird nicht nur der Außenwert des Dollars "gesund" gehalten, sondern auch das US-Bankensystem, weil die Dritte-Welt-Schulden den Zinsfluss von der Aktiv- auf die Passivseite der US-Banken deutlich vergrössern.
Die dritte Säule des Dollars
sind die Devisenhändler selber. Ein ganzes Dutzend davon kontrolliert fast den gesamten Devisenmarkt. Die Deutsche Bank beispielsweise, der weltgrößte Devisenhändler, hält schon im Interesse ihrer Kunden, der deutschen Exportindustrie, den Euro vergleichsweise niedrig und den US-Dollar oben, obwohl letzterer gegenüber dem Euro drastisch überbewertet ist, wie jeder weiß.
Der ehemalige Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, hat auch gerade angedroht, den US-Dollar nicht unter $1.70 zum Euro sinken zu lassen und gegebenenfalls mit dem Dollar in einen Abwertungswettlauf zu treten.
Nun kommt allerdings, so die Propaganda, China und bringt nicht nur die erste Dollar-Säule ins Wanken, sondern auch noch die zweite. Die vielbefürchtete Einkaufstour der Chinesen in Afrika - und mehr noch in Lateinamerika! - hätte theoretisch das Potential, die Dritte Welt aus der Schuldenfalle weitestgehend zu befreien und viele US-Banken schlicht umkippen zu lassen.
Alle Schwellen- und Entwicklungsländer zusammengenommen stehen mit weniger als drei Billionen Dollar bei den US-Banken in der Kreide.
Vergleicht man nun die chinesischen Dollarresserven - 2,5 Billionen - wird deutlich, wie sehr die USA um ihre Währung fürchten und an einem zügigen Währungsschnitt interessiert sein müssen!
Dennoch passierte bisher so gut wie gar nichts - und dabei haben wir doch seit über zwei Jahren die lang erwartete Weltfinanzkrise! Weder gehen die Chinesen im erwarteten Ausmaß auf Einkaufstour und wandeln ihre Dollarreserven in Sachwerte um, noch scheint eine Währungsreform auf der Agenda der USA zu stehen.
Der Grund für das Zögern sowohl von China und als auch von den USA:
Die USA können den längst überfälligen Währungsschnitt solange nicht durchführen, solange der Euro als konkurrierende Weltreservewährung mit dem Dollar koexistiert.
Würden die USA mit einem Währungsschnitt den Dollar entwerten - und mit ihm alle Dollarreserven der Erde - würden die USA ihre Leitwährungsposition an Europa verlieren! Da nahezu alle Länder der Erde - mit Ausnahme der ärmsten Entwicklungsländer - über strategische Dollarreserven verfügen, sind den USA sprichwörtlich die Hände gebunden. Allein die OPEC würde sich bitter rächen und ihr Öl sofort in Euro handeln - schon allein, weil alle Ölimporteure keine Dollars mehr zum Bezahlen hätten. Damit wäre allerdings die Dollarhegemonie beendet.
Man darf spekulieren, dass an Stelle der Dollarhegemonie eine Art "Eurohegemonie" treten würde, wobei die USA aufgrund ihrer hohen Ölimporte binnen weniger Monate bankrott gingen und fortan von kurzfristigen Euro-Krediten der Deutschen Bank, von der Weltbank und vom IWF abhängig wären. Wahrscheinlich wäre dies für die USA das worst-case scenario eines Währungsschnitts.
Natürlich achten die USA peinlichst darauf, dass auch China - wie der Rest der Welt - sein Erdöl entweder von den US-Konzernen bezieht oder aber zumindest in Dollar - nicht in Euro! - bezahlt. So ist die geplante Erdöl-Pipeline aus dem Kaspischen Becken zur zukünftigen Versorgung der Chinesen den USA schon lange ein Dorn im Auge. Das Kaspische Becken in Kasachstan beherbergt die fünftgrößten Ölreserven der Erde. Im April 2009 vereinbarten China und Kasachstan die Fertigstellung einer Pipeline, die von den kaspischen Ölfeldern durch ganz Kasachstan nach China führen soll. Im Juli desselben Jahres kam es in der chinesischen Provinz Xinjiang zu einem von den USA finanzierten Aufstand von Separatisten, der 140 Menschen das Leben kostete. Eine wenig bekannte NGO mit dem Namen "Unrepresented Nations and Peoples Organization (UNPO)" finanzierte diesen Aufstand, um die strategisch wichtige Nordwest-Region Chinas zu destabilisieren. Die UNPO wurde 1991, dem Jahr des Zerfalls der Sowjetunion, gegründet. Zu den Leitmotiven der UNPO gehört offiziell das "Recht auf Selbstbestimmung" von 57 verschiedenen Volksgruppen mit insgesamt über 150 Millionen Menschen. In Wirklichkeit geht es jedoch auch hier um die Destabilisierung von geostrategisch bedeutsamen Staaten und Regionen durch zielgerichtete Unterstützung von Separatisten. Zu den Mitgliedern der UNPO zählen auch seit 1991 das Kosovo (damals noch vollständig zu Jugoslawien gehörig), Tibet und Tschetschenien.
Angesichts dieser Einmischung durch die USA blieb Peking auf diplomatischer Ebene auffallend schweigsam. Die chinesische Führung scheint jeden Streit mit den USA vermeiden zu wollen. Diese Zurückhaltung wurde auch besonders deutlich, als es darum ging, Griechenland bei der Tilgung seiner Schulden bei den Wall-Street-Banken zu helfen: Auf Druck der USA reduzierte Peking die ursprünglich angebotenen 25 Milliarden Dollar auf ganze dreieinhalb Milliarden - ein Tropfen auf den heißen Stein.
China hätte das Potential gehabt, Griechenland komplett aus den Fängen der Wall Street zu helfen. Doch die Pekinger Führung wagt es nicht, die USA zu provozieren.
Was ist mit der "Gelben Gefahr", von der wir in den deutschen Medien so viel lesen?
Seit vielen Jahren kämpft die deutsche Exportindustrie für eine umfassende Senkung der deutschen Produktionskosten. Wir kennen die Propaganda der Industrieverbände und der Medien zu Genüge: Deutschland - in Wirklichkeit Exportweltmeister! - sei auf dem Weltmarkt "nicht mehr wettbewerbsfähig", weshalb vor allem die Löhne gesenkt werden müssten. Gleichzeitig müssten auch sämtliche sozialen Mindeststandards im Land drastisch gesenkt werden, um den Aufbau eines umfangreichen Niedriglohnsektors nicht zu behindern. Nur so erzeuge man "Wachstum und Wohlstand".
Wir wissen mittlerweile alle, dass durch diese Reformen fast ausschließlich die Gewinne der deutschen Exportkonzerne in die Höhe geschossen sind, die ja ihre Produkte zu drei Vierteln innerhalb Europas absetzen. Um die Notwendigkeit der neoliberalen Reformen zu unterstreichen, wurden im Rahmen der jahrelangen Reformpropaganda die Medien in Deutschland nicht müde, verschiedene Sündenböcke zu benennen. Dies waren vor allem die Billiglohn-Konkurrenten aus Osteuropa und - viel bedrohlicher! - China.
Im Falle Osteuropas ist bekannt, dass Deutschland nach wie vor einen komfortablen Exportüberschuss hat. Die "Gefahr" aus Osteuropa war lediglich ein Schreckgespenst im Rahmen der Reformpropaganda. In Wirklichkeit begann die westdeutsche Industrie schon vor dem Mauerfall, die Länder des Ostblocks in eine Art "verlängerte Werkbank" zu transformieren.
Doch was ist mit China? Stimmt die These von der "gelben Gefahr"?
Wahr ist immerhin, dass, platt ausgedrückt, 1,5 Milliarden Chinesen soeben dabei sind, 80 Millionen Deutschen die Exportweltmeisterschaft streitig zu machen.
Erleichtert wird dies dadurch, dass die Pekinger Zentralregierung die chinesische Währung zu einem niedrigen Wechselkurs an den US-Dollar gekoppelt hat. Die Deutschen fordern daher immer wieder eine deutliche Aufwertung des Renminbi, ebenso wie der von den Europäern dominierte IWF. Dahinter steckt zum einen der Wunsch, chinesische Produkte über den Wechselkurs künstlich zu verteuern, um die deutsche preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Zum anderen erhofft man sich von einer Aufwertung eine künstliche Steigerung der Gewinne beim Absatz von deutschen Waren in China.
Die USA jedoch wollen den Renminbi abwerten lassen.
(Offiziell sprach man in den USA bisher von dem Wunsch, den Renminbi konvertibel zu machen, damit er aufwerten könne. Doch erstens wäre eine Aufwertung für die USA alles andere als gesund, und zweitens hat Peking den USA soeben versprechen müssen, den Renminbi schrittweise abzuwerten. Die meisten in Europa glauben, die USA wollen eine Aufwertung. Doch tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Sie wollen den Renminbi abgewertet haben - und konvertibel!)
Hinter beiden Positionen - Aufwertung versus Abwertung - steht nicht nur die Tatsache, dass Euroland und Amiland in ihrer China-Politik noch keinen gemeinsamen Ansatz gefunden haben.
Hinter der Position der USA - Abwertung - versteckt sich tatsächlich eine Art "Gelbe Gefahr" für die Eurozone - allerdings nicht in der Form, die uns unsere Exportindustrie predigt.
Viel spannender:
Würde Peking in einem winzigen Detail seiner Wirtschaftspolitik nur ein wenig mehr mit Washington kooperieren, hätten die USA einen wichtigen Trumpf zur Rettung ihrer Dollarhegemonie in der Hand!
Hier die Erklärung:
Das chinesische Industriepotential ist oftmals auf dem allermodernsten Stand und gleichzeitig so gigantisch wie das Heer billiger Arbeitskräfte und die riesigen Devisenreserven. Mit diesem Riesenpool an US-Dollars hätte China theoretisch schon längst das Potential, das Fundament des Dollars als Weltleitwährung zu zerstören. Was aber - neben der Zurückhaltung Pekings auf dem diplomatischen Parkett - nicht so ganz in das Bild einer echten Supermacht passt:
Die meisten Unternehmen in China, die den Weltmarkt regelrecht "von hinten" aufrollen könnten, sind Töchter und Lizenznehmer von Großunternehmen aus den USA.
Wer in die USA reist, dem fällt auf, dass dort bis auf Nahrungsmittel und deutsche und japanische Autos fast alle Produkte made in China sind. Nur ganz selten findet man Dinge, die noch aus Mexico, Südkorea oder Taiwan kommen. Güter, die tatsächlich mal in den USA fabriziert wurden, stechen schon allein durch das übergrosse "Made In U.S.A."-Schildchen auf, das die Hersteller voller Stolz an ihre vergleichsweise teuren Produkte pappen. Doch nach solchen Produkten sucht man in den dortigen Shopping Centers oft vergeblich.
Man wird den Eindruck nicht los, dass China bereits völlig in der Hand von US-Konzernen ist, zumindest, was die Rolle Chinas als "verlängerte Werkbank" der USA angeht, und dass nicht China die USA in Schach hält, sondern genau umgekehrt.
Entgegenhalten muss man natürlich, dass China noch immer seine strenge Devisenbewirtschaftung aufrecht hält. Wahrscheinlich müssen diese US-Töchter noch immer jeden im Export verdienten Dollar an die chinesische Zentralbank abliefern, gegen Yuan (die Einheit des Renminbi). Doch ebenso wahrscheinlich werden im freien Devisenmarkt 'over the counter' täglich Unmengen Yuan zurück in Dollar getauscht, was den Renminbi unten und den Dollar oben hält, so dass Peking nur wenig am Markt intervenieren muss und keine Schwierigkeiten hat, den Renminbi mit einer Schwankungsbreite von 0,5% an den Dollar zu peggen.
Ginge es nach den USA, müsse der Renminbi gegenüber dem Dollar abwerten. Zwar hat China den USA nun versprochen, langsam und in kleinen Schritten abzuwerten, doch weigert sich die Pekinger Führung weiterhin, den Renminbi konvertibel zu machen.
Konvertibilität des Renminbi = Dollarhegemonie?
Die von den USA geforderte Konvertibilität des Renminbi - das ist das winzige Detail, das den USA zur Rettung der Dollarhegemonie helfen kann!
Wäre die chinesische Währung nämlich an den internationalen Devisenmärkten frei handelbar, würde die Wall Street ohne lange zu zögern den Renminbi in den Keller treiben. Mit dem Absturz des Renminbi würden Produkte made in China auf dem Weltmarkt derart billig werden, dass es für die US-Konzerne ein Leichtes wäre, den europäischen Markt "von hinten" aufzurollen.
Für die deutsche Exportindustrie, die seit Jahrzehnten mit neoliberalen Reformen versucht, das ehemals reiche Hochlohnland Deutschland in ein zweites Rumänien zu verwandeln, wäre dies der Alptraum schlechthin.
Sie müssten tatenlos zusehen, wie sie ihre Absatzmärkte weltweit an US-Konzerne verlören, die in China produzieren. Löhne senken? Weiter runter geht in Deutschland kaum. Abwerten? Deutschland ist Mitglied der Eurozone! Es blieben innerhalb der Eurozone im Grunde nur zwei Auswege: Entweder Europa greift zu protektionistischen Maßnahmen und macht die Grenzen dicht sowohl für chinesische als auch für US-amerikanische Produkte (die sich ja mit der Abwertung indirekt ebenfalls verbilligen). Doch dies schützt nicht davor, dass europäische Konzerne wichtige Absatzmärkte im Rest der Welt verlören. Oder aber: Der Euro wertet im Gleichschritt mit dem Renminbi ab!
Der Dollar hingegen wäre mit der Konvertibilität des Renminbi und dessen mutmaßlicher Abwertung gleich mehrfach gerettet:
Erstens wäre die Inflation im US-Binnenmarkt auf viele Jahre völlig eliminiert. Wegen des bereits erfolgten Outsourcings der US-Produktion nach China könnten theoretisch sogar die Preise sinken, ohne dass es in den USA zu den unerwünschten deflationären Begleiterscheinungen, wie Verarmung und Massenarbeitslosigkeit käme. Damit vergrößerte sich sogar der Spielraum für Lohnsenkungen von Unternehmen, die noch in den USA produzieren - für Exportkonzerne generell von Interesse! Der Dollar wäre für viele Jahre die härteste, inflationsärmste Währung der Welt.
Zweitens: Wenn der Euro im Gleichschritt mit dem Renminbi abwertete, verbilligten sich für US-Konsumenten automatisch diejenigen Produkte, die Europa in den USA absetzt. Deutsche Autos wären dann spottbillig zu haben, doch man kann darauf wetten, dass die USA gegen europäische Billigprodukte ihre erprobte Standardwaffe einsetzten: Importsperren. Sicher ist jedenfalls, dass sinkende Importpreise - durch den Verfall des Euros - ebenfalls wirksam dazu beitragen, die Inflation in den USA für lange Zeit bei Null zu halten.
Drittens: Die Zentralbanken in der restlichen Welt werden mit dem vermuteten Sinkflug des Euro (und dem spiegelbildlichen Höhenflug des Dollars) noch einmal überdenken, ihre Devisenreserven weiterhin teilweise in Euro zu halten. Bisher entwickelte sich die Zusammensetzung der Zentralbankreserven zugunsten des Euro - was die Wall Street ausgesprochen nervös machte: Von 1999 bis 2009 stieg der Euroanteil in den weltweit gehaltenen Devisenreserven von 17,9% auf 27,3%. Parallel dazu sank der Dollaranteil von 70,9 auf 62,2%. (Der Yen hat mit gerade mal 3% keine Bedeutung als Reservewährung.) Mit der Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar könnte diese Entwicklung recht schnell umgedreht werden - ein Sieg für die Dollarhegemonie!
Viertens: Die Regierungen der ölexportierenden Staaten würden gar nicht mehr mit dem Gedanken spielen, Öl gegen Euro verkaufen zu wollen. Die Öl-Dollar-Kopplung bliebe erhalten und damit auch die Fähigkeit der USA, ihre gigantischen Ölimporte mit der Notenpresse zu bezahlen.
Fünftens: Wenn der Euro abwertet, Rohöl aber weiterhin in Dollar gehandelt wird, dürfte dies drastische Preissteigerungen im europäischen Binnenmarkt auslösen, gefolgt von dringend notwendigen Lohnsteigerungen. Sehr wahrscheinlich würde diese in Gang gesetzte Preis-Lohn-Spirale den Euro zu einer für Anleger recht unattraktiven Inflationswährung machen, so etwa wie in den 1970er Jahren, zu Zeiten der von Israel und den USA provozierten Ölpreisschocks. Doch diesmal gäbe es eine hochattraktive Ausweichmöglichkeit für Anleger: der US-Dollar, der mangels Inflation mit hohen Realzinsen wie ein Staubsauger Kapital aus aller Welt anlocken dürfte. Die dann aus dem Euroraum einsetzende Kapitalflucht würde den Wechselkurs der europäischen Einheitswährung noch weiter unter Druck setzen.
Zur Erinnerung:
Die hier beschriebenen Szenarien könnten eintreten, wenn Peking den Renminbi konvertibel machen würde - was ja die USA seit Jahren von China einfordern.
Zugespitzt kann man durchaus behaupten, dass der internationale Währungskrieg zwischen Dollar und Euro von einer einzigen Entscheidung der chinesischen Zentralregierung abhängt. Ob konvertibel oder nicht - der Wechselkurs des Renminbi kann darüber entscheiden, ob die USA ihre Dollarhegemonie verlieren oder ob der Euro den Bach runtergeht.
Peking ist das Zünglein an der Waage! Die chinesische Regierung, unter massivem Druck der USA, spielt auf Zeit und will nur langsam abwerten. Gleichzeitig läuft die Uhr gegen den Dollar, dessen Status als Reservewährung die Amerikaner seit Jahren weltweit mit massiver militärischer Einschüchterung verteidigen müssen.
Entschiede sich Peking jedoch für eine Freigabe des Renminbi, dürfte der Euro seine beste Zeit hinter sich haben. Vieles spricht dafür, dass sich die Chinesen eines Tages dem Druck der USA beugen werden.
Ironie der Geschichte wäre, dass die deutschen Exporteure dann besonders dumm dastehen würden:
Anstatt, wie die USA, ihre Produktion kostenaufwendig nach China zu verlagern, konzentrierten sich die deutschen Großkonzerne und ihre Frankfurter Banken bisher darauf, ganz Deutschland in einen Billiglohnstandort herunterzureformieren, um sich einen hirnrissigen Wirtschaftskrieg gegen die Nachbarn innerhalb der Eurozone zu liefern.
Zu den beachtenswerten Resultaten ihrer Strategien zählen u.a. "Agenda 2010" und "Hartz IV" - und riesige Exportprofite im Handel mit den Nachbarn. Doch anstatt in Deutschland mit neoliberalen Reformen für Armut und Massenarbeitslosigkeit zu sorgen, wäre es wohl besser gewesen, die deutschen Konzerne wären rechtzeitig nach China ausgewandert. Verglichen mit US-Konzernen haben deutsche Unternehmen in China ausgesprochen wenig zu melden. Auf Entscheidungen der Pekinger Zentralregierung haben die Deutschen so gut wie gar keinen Einfluss. Das kann sich nun rächen.