Viele staatliche Lottoanbieter verstoßen offenbar massiv gegen den seit Januar gültigen Glücksspielstaatsvertrag. Das berichtet das Nachrichtenmagazin FOCUS unter Berufung auf eine Studie des Marktforschungsunternehmens FairControl im Auftrag privater Wettanbieter. Für die Erhebung hatten Dutzende Testkäufer mehr als 750 Lottoshops in 32 großen Städten der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen aufgesucht. Die verdeckten Ermittler, darunter Jugendliche und Kinder, überprüften laut FOCUS, ob sich die Mitarbeiter der Filialen an das Gesetz halten. Wettabschlüsse sind demnach nur noch gegen Vorlage einer Kundenkarte möglich, Jugendliche unter 18 Jahren sind vom Spielbetrieb generell ausgeschlossen. Zudem sind die Shops verpflichtet, ihre Kunden vor Spielsucht-Gefahren zu warnen.
Wie FOCUS berichtet, gelang es den Testkäufern in 54 Prozent aller Fälle, vorläufige Kundenkarten ohne Ausweis auf falschen Namen zu beantragen oder ausgestellt zu bekommen. 76 Prozent der erwachsenen Testtipper konnten mit einer vorläufigen oder falsch ausgestellten Kundenkarte Wetten abgeben. Dies schafften auch 42 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 17 Jahren sowie 14 Prozent der Kinder im Alter zwischen 12 und 14. In 20 Prozent der Filialen fehlten Warnungen vor Spielsucht-Gefahren.
Magnus von Zitzewitz, Vizechef des privaten Wettanbieters Bet 3000 mit Sitz in München, nannte die Ergebnisse der Studie erschreckend: „Es zeigt sich, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes in großem Stil unterlaufen werden.“ Karlsruhe hatte 2006 das Monopol der Bundesländer auf Sportwetten zwar erlaubt, jedoch nur unter der Bedingung, dass der Staat seine Bürger konsequent vor Spielsucht schützt. „Genau das kann oder will der Staat offenbar nicht leisten“, so Zitzewitz. Die gewerblichen Wettanbieter wollen den Glücksspielstaatsvertrag kippen, der sie faktisch vom Markt ausschließt. Mehrere deutsche Verwaltungsgerichte äußerten bereits Zweifel am Glücksspielstaatsvertrag und legten die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Seit Inkrafttreten des Staatsvertrages, der auch eingeschränkte Werbemöglichkeiten vorschreibt, klagen die staatlichen Anbieter über erhebliche Umsatzeinbrüche. Laut FOCUS ging der Umsatz bei der staatlichen Sportwette „Oddset“ bundesweit im ersten Halbjahr 2008 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 21 Prozent zurück. In Bayern wurde ein Minus von acht Prozent verzeichnet, in Nordrhein-Westfalen betrug es 18,8 Prozent, in Schleswig-Holstein 38 Prozent und in Niedersachsen sogar 42,2 Prozent.