Luxemburgs Außenminister Asselborn warnt Deutschland vor „Arroganz und Überheblichkeit“ und wirft Berlin „Theaterauftritte“ vor. Forderung nach Eurobonds bekräftigt. Merkel soll beim Gipfel nicht von Haftung des Privatsektors reden .
Einen Tag vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs hat Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn die Regierungen in Berlin und Paris zur Zurückhaltung aufgerufen. „Ich kann Deutschland und Frankreich nur warnen vor einem Machtanspruch, der eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz ausdrückt, die das europäische Grundprinzip der Solidarität missachten“, sagte Asselborn der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe). „Die Marschroute der Europäischen Union“, fügte der Minister hinzu, „muss von allen 27 gemeinsam getragen und kann nicht von den großen Ländern vorgeschrieben werden“.
Zugleich warf der Luxemburger Chefdiplomat der Bundesregierung vor, in Europa Theater zu spielen. Asselborn: „Deutschland wird verstehen, dass diese Theaterauftritte der vergangenen Monate nicht von Nutzen sind. Was mich stört, ist das Theatralische. Nach meinem Eindruck gab es Szenen in diesem Jahr, da haben Frankreich und Deutschland vor einem EU-Gipfel Probleme erst geschaffen, dann sind sie nach Brüssel gekommen und haben theatralisch gezeigt: Wir haben die Probleme gelöst und Europa vorangebracht.“
Mit Blick auf frühere Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel, beispielsweise nach einer weit gehenden Haftung des Privatsektors bei Rettungsaktionen, forderte Asselborn dies beim kommenden EU-Gipfel zu unterlassen. „Man sollte auch nicht wieder von Stimmrechtsentzug, ,Ultima Ratio‘ und generell von der Haftung des Privatsektors reden.“ Er verlangte zugleich, angesichts der Euro-Krise und der Spekulationen an den Finanzmärkten am Donnerstag und Freitag klare Entscheidungen zu treffen. „Wir brauchen beim EU-Gipfel in dieser Woche klare und eindeutige Beschlüsse zum künftigen Rettungsmechanismus, die die Märkte beruhigen. Es dürfen keine Entscheidungen getroffen werden, die weitere Unsicherheiten schaffen und so die Spekulationen anheizen und die Eurozone in neue Turbulenzen stürzen.“
Trotz der ablehnenden Haltung von Deutschland und Frankreich bekräftigte Asselborn, der auch Vizepremier in Luxemburg ist, die Forderung seines Landes nach der Einführung von so genannten Eurobonds. „Die Debatte ist nicht abgeschlossen am kommenden Freitag (nach dem Europäischen Rat). Ich bin ziemlich sicher, dass die Eurobonds in Zukunft in irgendeiner Form eingeführt werden. Sie können den Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, helfen, zu vernünftigen Bedingungen Kredite aufzunehmen und sie wären eine attraktive Investition für Anleger aus Asien und Amerika.“ Eurobonds, so Asselborn, seien „von allen Rettungsinstrumenten immer noch das Beste“. Sie zeigten, dass die Europäer trotz aller Probleme zusammenhalten. Die Idee gemeinsamer Anleihen der Euro-Länder dürfe nicht verworfen werden, „nur weil sie nicht im Garten von Deutschland und Frankreich gediehen ist“, forderte der Minister.
Vor dem Hintergrund der Diskussionen in Deutschland über den Sinn von Milliarden schweren Rettungsmaßnahmen für Pleiteländer sagte Asselborn: „Ich kann das Wort Zahlmeister nicht akzeptieren.“ Deutschland bekomme „unheimlich viel“ von Europa. Nahezu 50 Prozent der Exporte gingen in die EU. Asselborn: „Es herrschen Frieden und Freizügigkeit. Das Gerede von der Transferunion ist schädlich.“