Das Interview führte Stefan Kroneck, Börsen-Zeitung
Mit der angekündigten Neuausschreibung desprestigeträchtigen Großauftrags der US-Luftwaffe hat die EADS nachAnfangserfolgen einen herben Rückschlag erlitten. Die Aktie notierte gesternzeitweise deutlich schwächer. Aber auch viele operative Risiken verunsicherndie Anleger. Der Dollarverfall zwingt den Airbus-Mutterkonzern zu weiterenSparanstrengungen, um dem Wettbewerber Boeing wieder Paroli zu bieten. Diewachsenden externen Belastungen, die zunehmenden Kostenprobleme derLuftfahrtgesellschaften wegen des Ölpreisanstiegs und die Gefahr weitererMehrkosten bei den Flugzeugprogrammen A380 und A400M (Militärtransportflieger)dämpfen jedoch die Ertragskraft der EADS erheblich.
Herr Ring, nach dem zunächst sicher geglaubtenLuftbetankungsauftrag der US-Luftwaffe ist infolge eines Einspruchs von Boeingdie nun vom Pentagon angekündigte Neuausschreibung für die EADS ein Rückschlag.Wie groß ist Ihre Zuversicht, den Zuschlag für diesen Milliardenauftrag schlussendlichdoch noch zu erhalten
Nach der Entscheidung des amerikanischenVerteidigungsministeriums vom vergangenen Mittwoch sind wir überzeugt davon,dass es eine gute Chance gibt, den Auftrag zusammen mit unserem PartnerNorthrop Grumman zu erhalten. Dazu müssen wir im Detail die Anforderungen derLuftwaffe für den nächsten Angebotsschritt analysieren, der erfreulicherweiseeine Entscheidung bis zum Jahreswechsel nahelegt.
Was stimmt Sie zuversichtlich?
Die Frage ist doch, warum man Soldaten imEinsatz nicht das beste Produkt geben sollte. Die Tankerflotte der US-Luftwaffeist überaltert, die neuen Tanker werden dringend benötigt. Unser Angebot ist imWesentlichen ein amerikanisches unter der Führung von Northrop Grumman. Dergrößte Teil des Flugzeugs soll in den USA in einem eigens dafür zu errichtendenWerk gebaut werden. Dies schafft dort viele Arbeitsplätze.
Vor einem Jahr wurde die Doppelspitze bei EADSzugunsten einer singulären Führung abgeschafft. Hat sich dadurch das Verhältniszwischen Deutschen und Franzosen im Unternehmen verbessert?
Die Änderungen haben sich gelohnt und werdensich auf längere Sicht deutlich auszahlen. Die Führungsstruktur ist einfachergeworden, und damit auch die Abstimmungsprozesse. Auf Ebene des Managementsfunktioniert dies gut und besser als zuvor. Es gibt keine Versteckspiele mehr.
Dennoch wurde zuletzt von atmosphärischenStörungen im Unternehmen berichtet.
Meistens werden Einschätzungen hinsichtlichdes deutsch-französischen Verhältnisses von außen in das Unternehmenhineingetragen. Spekulationen über Konflikte kochen dann hoch. Tatsächlichnehmen wir bei EADS und Airbus derzeit weitreichende Veränderungen vor. Diesbringt naturgemäß Unsicherheit mit sich und führt dazu, dass einige Leuteunzufrieden sind.
Sie sprechen Störmanöver der Gewerkschaftenan?
Ich meine damit alle Interessengruppen, diesich zu Wort melden. Das bringt Unruhe in das Unternehmen, wobei wir aberinnerhalb des Managements sehr vernünftig und ausgewogen entscheiden. Vorkurzem haben die Betriebsräte ein öffentliches Statement abgegeben. Darinbetonen sie, wie wichtig es ist, den Versuchen Einzelner, gezielt Spannungen zuprovozieren, gemeinsam entgegenzutreten.
Ende vorigen Jahres hatte Airbus-Chef ThomasEnders angekündigt, dass das Sparprogramm „Power8“ rasch ausgeweitetwerden müsse. Bislang ist noch nichts passiert. Wann werden neue Einsparungenbekannt gegeben?
Wir haben angekündigt, dass wir über „Power8“hinaus an weiteren Maßnahmen arbeiten. Diese können aber noch nichtveröffentlicht werden, weil sie noch nicht fertig und beschlossen sind. Daswird noch etwas dauern. Wenn wir so weit sind, werden wir die weiterenMaßnahmen bekannt geben. Auf einen genauen Termin will ich mich nichtfestlegen.
Herr Enders kündigte aber schnelle Entscheidungenan. Weshalb verzögert sich die Entscheidung?
Verzögerungen gibt es nicht. Beim derzeitigenDollarkurs stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen. Der ungünstigeWechselkurs ist aber nicht der einzige externe Faktor, der uns belastet. Dersteigende Ölpreis kommt hinzu. Das ist eine komplexe Lage, die genau bedachtsein will. Klar ist aber: Wir müssen unsere Strukturen überdenken.
Hindern Politiker die EADS?
Hier geht es vor allem um industrielle Entscheidungen.Die Politik hindert uns da im Moment nicht. Wenn wir unsere Entscheidungen aufden Tisch legen, werden wir sehen, wie die Reaktionen ausfallen.
Der dramatisch gestiegene Kerosinpreisbelastet zunehmend die Fluggesellschaften weltweit. Dies spürt auch Airbus imNeugeschäft. Hat sich die Situation bei Abbestellungen undAnnahmeverschiebungen verschärft?
Es gibt keinen Grund zur Panik. Dennoch, dieBranche verzeichnet erste Konkursfälle und Vergleichsfälle vor allem in denUSA. Im Fall von Skybus und Frontier zum Beispiel ist auch Airbus betroffen.Wir haben uns aber auf einen zyklischen Abschwung eingestellt und sind mitunseren Produktionskapazitäten noch flexibel. Wir erwarten, dass sich dieNeubestellungen bei Airbus in diesem Jahr auf rund 700 Flugzeuge belaufenwerden. Diese Schätzung betrachten wir nach wie vor als realistisch. Beimheutigen Ölpreis müssen wir damit rechnen, dass die Airlines noch stärker zukämpfen haben werden. Zugleich wird die Nachfrage nach modernen und damitverbrauchseffizienten Flugzeugen steigen. Das ist auch eine Chance für uns.
Welche Fluggesellschaften sind stärkerbetroffen?
Die US-Gesellschaften sind tendenziellaufgrund des starken Wettbewerbs in Nordamerika und strukturellerSchwierigkeiten mehr betroffen als zum Beispiel europäische Airlines. Aber auchin Europa und Asien können sich für einige Airlines Probleme ergeben.
Wirken sich die Insidervorwürfe derfranzösischen Ermittler gegen mehrere ehemalige und amtierende EADS-Managernegativ auf das Neugeschäft des Konzerns aus?
Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sichdies negativ auf unser Geschäft auswirkt. Natürlich belastet es das Image desKonzerns. Die vielen Schlagzeilen, die EADS dadurch in den Medien macht,beruhen in vielen Fällen auf gezielten Indiskretionen. Da wurden Vorgängeselektiv und aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt. Ich halte dies für sehrbedenklich. Wir gehen juristisch dagegen vor.
Zeichnet sich endlich eine Lösung imjahrelangen Subventionsstreit mit Boeing ab?
Wir können nicht absehen, wie lange diesersehr aufwendige und schwierige Prozess noch dauert. Unser klares Ziel ist esaber, den Streit beizulegen. Vielleicht gibt es Ende dieses Jahres dazuNeuigkeiten.
Die EADS hat der amerikanischen Seiteangeboten, für den Langstreckenflieger A350 auf Subventionsanträge bei denAirbus-Staaten zu verzichten, um den Streit beizulegen. Wie stellt sich dieSituation jetzt dar?
Wir haben bis dato darauf verzichtet, nach deralten Regelung Anträge bei den Regierungen auf rückzahlbare Darlehen für dieEntwicklung des Flugzeugs zu stellen. Gleichzeitig versuchen wir gemeinsam mitden Regierungen von Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Spanien einModell zu entwerfen, das konform ist mit den Regeln derWelthandelsorganisation. Schließlich brauchen wir gleicheWettbewerbsbedingungen. Die Gespräche darüber laufen seit einigen Monaten.
Also wird die Entwicklung der A350 faktischzunächst eigenfinanziert.
Ja, faktisch wird die A350 heuteeigenfinanziert. Natürlich ist es aber unser Ziel, auf eine marktgerechte unddamit nicht angreifbare staatliche Förderung zurückgreifen zu können. Wirschätzen, dass die Entwicklung der A350 insgesamt 10 Mrd. Euro kostet. Hinzukommen noch Investitionen in die Infrastruktur.
Das A380-Programm ist in der industriellenFertigung immer noch nicht eingespielt. Es gibt erneut Verzögerungen bei denAuslieferungen. Wie hoch werden die Mehrkosten dafür sein?
Wir können dies noch nicht exakt beziffern. ImMoment arbeiten wir daran, die Auswirkungen festzustellen. Zwei Punkte sinddabei entscheidend. Erstens müssen wir mit den Airlines reden, die A380bestellt haben. Dabei geht es um mögliche Zahlungen von Airbus an dieFluggesellschaften. Zweitens – und das ist entscheidender – müssen wir klären,wie der industrielle Plan von 2010 an aussieht. Dabei geht es um die Frage, wasan Kosten notwendig ist, um die A380-Produktion auf eine jährliche Stückzahlvon rund 40 Flugzeugen hochzufahren. Bei dieser Evaluierung stehen wir erst amAnfang.
Auch das A400M-Programm bereitet der EADSgroße Schwierigkeiten. Sie hatten im vorigen Jahr gewarnt, dass es nach denRückstellungen von 1,4 Mrd. Euro im Herbst weitere Belastungen geben könnte.Fallen dieses Jahr noch weitere Mehrkosten für den Militärtransporter an?
Mit den 1,4 Mrd. Euro decken wir einen Verzugvon bis zu zwölf Monaten ab. Das ist der Stand der Dinge. Daran hat sich bishernichts geändert. Zudem prüfen wir spätestens zu jedem Jahresende das Budget.Dann werden wir sehen, ob wir mit dem derzeitigen Finanzierungsrahmenzurechtkommen oder nicht.
Also schließen Sie weiterhin nicht aus, dass eszu weiteren Belastungen kommt?
Zunächst einmal: Wir haben gerade mit demRoll-out der A400M einen wesentlichen Meilenstein erreicht. Das A400M-Programmbleibt aber anspruchsvoll und birgt weiterhin Risiken. Mit den Kunden, diedieses Flugzeug bestellt haben, wird es weitere Gespräche geben. Wir verstehen,dass die Kunden das Flugzeug endlich fliegen sehen wollen.
Nach dem Verzögerungsdebakel um die A380 vorzwei Jahren stellte EADS-Chef Louis Gallois für die EADS auf mittlere Sichteine operative Rendite von nur noch 5% in Aussicht. Wann wird das ursprünglicheZiel von 10% erreicht?
Unsere langfristige Planung sieht vor, dasswir vor 2015 eine Ebit-Marge von 10% erwirtschaften. Das hängt aber von einigenexternen Variablen ab. Die Dollarentwicklung spielt dabei eine entscheidendeRolle.
Können Sie Ihre Ergebnisprognose für denKonzern aufgrund der wachsenden externen wie operativen Risiken halten?
Unser Ziel ist es nach wie vor, im laufendenJahr ein Ebit von 1,8 Mrd. Euro zu erwirtschaften. Das erste Quartal haben wirdeutlich über Plan abgeschlossen. Dennoch haben wir zugleich vor weiterenBelastungen gewarnt, insbesondere vor weiteren Auswirkungen im A380-Programm.Zudem weise ich darauf hin, dass die Prognose auf einen Dollarkurs von 1,45 jeEuro basiert und Abweichungen hiervon zu Bilanzstichtagen einigeAirbus-Rückstellungen beeinflussen.
Jetzt steht der Dollar bei 1,57. Schon alleinaufgrund dieses Effekts ist Ihre Ergebnisprognose nicht mehr haltbar.
In unserer Prognose haben wir auch etwasSpielraum nach oben. Allerdings ist es richtig, dass die Risiken zunehmen. Wirwerden mit Bekanntgabe der Halbjahreszahlen gegebenenfalls eine neue Indikationabgeben, oder die alte bestätigen.
Der Dollarverfall schwächt die Profitabilitätvon Airbus erheblich. Die Hedgingkonditionen verschlechtern sich von Jahr zuJahr, von 2010 an wird es sehr problematisch. Wie sichern Sie sich weiter ab?
Für 2009 ist Airbus mit einem Volumen von rund15 Mrd. Dollar zu einem durchschnittlichen Dollarkurs von 1,25 gegenWechselkursschwankungen abgesichert. Die Konditionen haben sich jedochgegenüber 2008 um 9 US-Cent verschlechtert. Für 2010 hatten wir nach letztemStand Ende März rund 14 Mrd. Dollar zu durchschnittlich 1,35 abgesichert. In derZwischenzeit haben wir weitere Absicherungen gemacht, allerdings zuschlechteren Konditionen in der Bandbreite zwischen 1,50 und 1,55. Insofernhaben wir noch einen substanziellen Teil abgesichert, jedoch Jahr für Jahr zueinem schlechteren Dollarkurs. Bei den Hedginginstrumenten haben wirdiversifiziert. Wir nutzen sogenannte strukturierte Optionen.
Sie betreiben Absicherungsgeschäfte zuPreisen, die fast auf Marktniveau liegen. Damit induzieren Sie die Erwartung,dass der Dollarverfall anhält.
In der Tat können wir nicht ausschließen, dassder Dollar weiter fällt. Der Dollar hat sich zwischen 1,50 und 1,60stabilisiert. Wir spekulieren nicht und haben immer konsistent gehedgt. Deshalbhaben wir dieses Vorgehen auch in der jetzigen Situation beibehalten.
Kommen Sie bei den derzeitigen Konditionen für2010 mittlerweile auf einen durchschnittlichen Hedgingkurs von über 1,40 Dollarje Euro?
Ja, das kommt in etwa so hin, wenn das nichtabgesicherte erwartete Exposure einbezogen wird.
Das bringt also eine Belastung für das Ebit imVergleich zu 2008 von über 1,5 Mrd. Euro, wenn man in Betracht zieht, dass einVerfall des Dollar um 10 Cent Airbus im Jahr rund 1 Mrd. Euro an Ertrag kostet.
Absolut richtig. Wir sind bei diesem Themasehr transparent. Somit müsste auch für jeden nachvollziehbar sein, vor welchenHerausforderungen wir stehen. Deswegen machen wir „Power8“. Zudem bauen wirunser natürliches Hedging aus, indem wir entweder im Dollarraum mehr einkaufenoder im Dollarraum selbst mehr produzieren wollen.
Letzteres wird also wesentlicher BestandteilIhres erweiterten „Power8“-Programms sein?
So ist es. Wir müssen auch unsere Lieferantendazu bewegen, mehr im Dollarraum zu produzieren, damit wir zu günstigeren undstabileren Preisen einkaufen können. Das wollen wir in den nächsten Jahrenausbauen. Der Tankerauftrag in den USA soll uns dabei helfen. Schließlich istmit dem Auftrag der Bau eines Werkes vor Ort verbunden.
Airbus musste bei der Sanierung deutlicheRückschläge hinnehmen. Der Verkauf von Werken in Deutschland und in Frankreichist ins Stocken geraten. Sind damit die ursprünglichen Einsparziele von „Power8“gefährdet?
In der Öffentlichkeit wird „Power8“ sehrselektiv wahrgenommen. Tatsächlich laufen wesentliche Teile von „Power8“ sehrgut. Das Programm hat zum Ziel, bis Ende 2010 insgesamt 2,1 Mrd. Euroeinzusparen. Wir waren im vorigen Jahr deutlich über unserem Ziel und werden esvoraussichtlich auch in diesem Jahr übertreffen. Bei den Werksverkäufen gibt es– mit Ausnahme von Laupheim – Verzögerungen, und auch die Verhandlungen mit GKNüber den Verkauf des Airbus-Werks im britischen Filton sind nicht einfach. BeimThema Materialeinkauf machen wir spürbare und schnelle Fortschritte. Insgesamtsind wir mit „Power8“ gut unterwegs.
Sie sprachen von selektiver Wahrnehmung. Dabeisind die Werksverkäufe ein entscheidender Teil des Sparprogramms.
Das ist nicht ganz richtig. Die Werksverkäufemachen weniger als 10% von „Power8“ aus. Ich muss hinzufügen, dass die Werke inFrankreich und Deutschland, die zunächst bei Airbus verbleiben, die gleichenEinsparungen bringen müssen wie im Falle eines Verkaufs. Allerdings verschiebensie sich nun.
Die vielen Risiken und Unsicherheiten belastenden Aktienkurs von EADS. Was würden Sie einem Investor sagen, warum er dennochdie Aktie kaufen soll?
Als Luft- und Raumfahrtunternehmen unterliegenwir einer zyklischen Entwicklung. Alle zyklischen Werte haben in denvergangenen Monaten überdurchschnittlich gelitten. Die EADS wird von demweltweiten Konjunkturabschwung, dem sehr schwachen Dollar und dem gestiegenenÖlpreis belastet. Das sind die wesentlichen externen Faktoren. Hinzu kommen dieThemen A380 und A400M, wo wir Verzögerungen haben. Alles zusammen drückt aufden Aktienkurs. Wir sind aber überzeugt, dass die Aktie Potenzial nach obenhat. Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass wir unsere Performance bei denzentralen Entwicklungsprogrammen in Ordnung bringen müssen.
Im Juli 2010 läuft das über Daimler gesteuerteInvestorenkonsortium aus. Ist ein Gleichgewicht zwischen Deutschen undFranzosen im Aktionärskreis auch künftig notwendig, um das Unternehmen stabilzu halten? Oder schadet dies der EADS?